Prozess in Russland Vier Studenten der Sabotage beschuldigt – Dmitri Medwedew will die Todesstrafe

Dmitri Medwedew will in Russland die Todesstrafe wieder eingeführt sehen 
Dmitri Medwedew will in Russland die Todesstrafe wieder eingeführt sehen 
© Valentin Egorshin / POOL St. Petersburg Russia PUBLICATION / Imago Images
In Russland werden vier Jugendliche beschuldigt, Bahngleise beschädigt zu haben – aus Protest gegen den Krieg in der Ukraine. Der ehemalige Präsident Dmitri Medwedew schaltet sich in den Fall ein und will für die "Verräter" die Todesstrafe. 

Kritik am Regime in Moskau kommt in Russland den Mutigen teuer zu stehen. Die Repressalien-Maschine arbeitet mit Methoden, auf die sich einst auch die sowjetische Führung jahrzehntelang verlassen konnte: Abschreckung durch demonstrative Urteile und Prozesse. (Wie diese Maschine funktioniert, erklärte der russische Friedensnobelpreisträger Alexander Tscherkassow dem stern im Interview.) Dennoch wagen die Menschen immer wieder Protestaktionen. In ganz Russland gingen in den verhangenen Wochen die Rekrutierungsbüros der Armee in Flammen auf. Auch die Eisenbahn wurde mehrfach zum Ziel von Angriffen – um den Truppentransport in die Ukraine zu erschweren.  

Vier Jugendliche aus der bevölkerungsreichste Republik der Russischen Föderation Baschkortostan sollen sich an solchen Aktionen beteiligt haben. Die russischen Behörden werfen drei 18-jährigen und einem 17-jährigen Studenten vor, mindestens fünf Mal elektrische Anlagen der Eisenbahn beschädigt zu haben. Die jungen Leute hätten gehofft, auf diese Weise die Arbeit der Behörden in Baschkortostan destabilisieren zu können. Ein Gericht in Ufa setzte am vergangenen Mittwoch die vier Verdächtigen fest.

"Das Gericht gab damit dem Antrag der Ermittler statt und ordnete eine Inhaftierung der vier Angeklagten bis zum 28. Dezember an", erklärte der gerichtliche Pressedienst. Ihnen wird vorgeworfen, Terroranschläge vorbereitet und terroristische Handlungen durch eine Personengruppe begangen zu haben. Ihnen drohen nun zwölf bis 20 Jahre Haft.

Dmitri Medwedew nennt Angeklagte "Missgeburten"

Am Tag der Entscheidung des Bezirksgerichts in Ufa veröffentlichte der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates und ehemalige Präsident Russlands, Dmitri Medwedew, einen Beitrag auf seinem Telegram-Kanal über "Saboteure" und die Möglichkeit, gegen solche Menschen die Todesstrafe zu verhängen. "Auf dem Territorium Russlands haben verschiedene Saboteure begonnen, Operationen durchzuführen", fing Medwedew seine Hasstirade an. "Junge ausländische Studenten, die erst kürzlich volljährig geworden sind, haben mehrere Bahnanlagen in Ufa außer Betrieb gesetzt", behauptete er. 

"Weil sie mit der Politik unseres Landes nicht einverstanden sind, sagen sie. Das heißt, wir haben diese Missgeburten aufgenommen, ihnen die Möglichkeit gegeben, Bildung zu bekommen. Und im Gegenzug bekommen wir Terroranschläge und Sabotageakte", echauffierte sich der ehemalige Präsident Russlands.

"Auf der gleichen Ebene stehen unsere Bürger, die Einberufungsämter in Brand setzen und andere staatliche Einrichtungen zerstören. Ganz zu schweigen von den Morden ukrainischer Terroristen an unseren Bürgern auf unserem Territorium", so Medwedew.

Damit wiederholte er nicht nur die Mär von einem ukrainischen Angriff auf vermeintlich russische Gebiete, sondern dichtete auch den vier Angeklagten eine ausländische Herkunft an. Lokale Medien berichten jedoch, dass die vier jungen Männer seit ihrer Kindheit in Ufa leben, was Fotos in sozialen Netzwerken belegen.

Todesstrafe in Russland wieder einführen 

Medwedew kümmert sich um solche Feinheiten nicht. "Die Frage ist nicht einmal, ob bestimmten Volldeppen, Ausländer und unsere Leute sind. Man muss sich nur daran erinnern, dass zuzeiten des Großen Vaterländischen Krieges niemand Saboteure, die im Auftrag der mörderischen Nazis Sabotageakte durchgeführt haben, verschont hat", wetterte Medwedew, bevor er zu einem seiner liebsten Themen überging. "Für solche Halunken gab es nur ein Urteil - Hinrichtung ohne Gerichtsverfahren oder Ermittlungen. Direkt am Tatort. Denn wenn du ein Verräter bist, der in Kriegszeiten ein solches Verbrechen begangen hat, dann existiert für dich kein Alter, keine Nationalität und kein Recht, dein Leben zu verteidigen."

Bedauernd stellte Medwedew fest, dass es in Russland keine Todesstrafe gibt. "Sehr menschlich. Ganz im Gegensatz übrigens zu den größten Atommächten (USA, China, Indien)", stichelt er, um im nächsten Satz zu gestehen, dass er Russland gerne in dieser Gesellschaft sehen würde. "Ich möchte jedoch noch einmal betonen, dass das Moratorium gegen die Todesstrafe auch im Rahmen der geltenden Verfassung überwunden werden kann, wenn das Verfassungsgericht Russlands seine Position dazu ändert. Es geht darum, das richtige Mittel zu wählen, um die Interessen unseres Volkes, des Staates und der Gesellschaft zu schützen", schloss Medwedew seine Tirade ab.

Medwedew und die Todesstrafe 

Dies ist nicht das erste Mal, dass Medwedew über die Einführung der Todesstrafe in Russland spricht. Im März, als er unter anderem die Suspendierung der Mitgliedschaft Russlands aus dem Europarat kommentierte, nannte Medwedew die Maßnahme "wilde Ungerechtigkeit". Gleichzeitig sei dies auch ein guter Grund, "die Tür zuzuschlagen und diese sinnlosen Armenhäuser für immer zu vergessen". Die Entscheidung ermögliche es Russland, die Todesstrafe wieder einzuführen, um besonders schwere Verbrechen im Land zu verhindern.