Dmitri Medwedew kann es einfach nicht lassen: Hat er einen Skandal erst hinter sich, bricht er einen neuen vom Zaun. Während sich die Situation rund um das Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine eskaliert, haut der amtierende stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrats Russlands in die Tasten und lässt seinen geballten Hass auf die Welt via Telegram los.
"Die Kiewer Drecksäcke und ihre westlichen Gönner scheinen bereit zu sein, ein neues Tschernobyl zu veranstalten", tippte Medwedew am Freitag auf seinem Account. "Die Raketen und Granaten schlagen immer näher beim Reaktor des Kernkraftwerks Saporischschja und der Lagerstätte für radioaktive Isotope ein."
Während der ehemalige Premier zu vergessen scheint, dass es die Sowjetunion war, die die Atomkatastrophe von Tschernobyl zu verantworten hat, lässt sich nicht leugnen, dass sich die Situation um das seit März von russischen Truppen besetzte Kernkraftwerk im Süden der Ukraine dramatisch zuspitzt. Mehrfach wurde die Anlage beschossen und beschädigt, wobei die kritische Infrastruktur zumindest bisher nach Angaben von beiden Seiten verschont geblieben sein soll. Für die Angriffe machen sich Kiew und Moskau gegenseitig verantwortlich.
"Sie sagen, es sei Russland. Das ist selbst für die dumme russophobe Öffentlichkeit ein offensichtlicher, hundertprozentiger Unsinn", behauptet nun Medwedew plakativ und setzt eine Drohung hinzu. "Sie sagen, es passiert rein zufällig. Unbeabsichtigt. Was soll ich sagen... Wir sollten nicht vergessen, dass die Europäische Union auch Atomkraftwerke hat. Und Zufälle sind auch dort möglich."
Dmitri Medwedew auf den Spuren von Schirinowski
Der neueste Ausfall bei Telegram ist für Medwedew nichts Neues. Einst war er die Hoffnung der Liberalen Russlands. Heute ist der ehemalige Interimspräsident der heißeste Kandidat auf die vakante Stelle des Hofnarren im Kreml. Seit dem Tod des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski im vergangenen April ist diese Position nicht besetzt – und Medwedew ist scheinbar nichts zu abstrus oder ekelig, um in die abnorm großen Fußstapfen des berüchtigten Polit-Clowns zu treten.
Die Auftritte von Medwedew auf Telegram und dem russischen sozialen Netzwerk Vkontakte sind zum Manifest seines imperialistischen Wahnsinns geworden. Seit 2020 sitzt er auf dem bis dahin nicht existierenden Posten des "stellvertretenden Vorsitzenden des Sicherheitsrats" und macht von sich nur noch mit abstrusen Statements reden.
Wenn Putin die Welt nicht genug ist
Den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selensyj beschimpfte Medwedew zuletzt als Hitler. Bundeskanzler Olaf Scholz verspottet er als "Leberwurst-Fan". Im Juni erklärte er seine Hasstiraden mit den folgenden Worten: "Ich werde oft gefragt, warum meine Telegram-Posts so hart sind. Ich antworte: Ich hasse sie. Sie sind Bastarde und Abschaum. Sie wollen unseren Tod, den Tod Russlands. Und solange ich am Leben bin, werde ich alles tun, damit sie verschwinden." Gemeint sind die westliche Welt und ihre Vertreter.
Für den letzten großen Eklat sorgte Medwedew mit einem Ausfall in Richtung Kasachstan: Der zentralasiatische Staat sei ein "künstlicher Staat" und "ehemaliges russisches Gebiet", schrieb Medwedew. In dem skandalösen Post beschuldigte er die kasachischen Behörden des "Völkermords an Russen" und versprach, die "verlorenen Gebiete" wiederzuerlangen. Neben Kasachstan gelte das auch für Georgien.
Gerade mal zehn Minuten war der Beitrag online. Dann hieß es, der Account von Medwedew sei gehackt worden und der Post stamme gar nicht von ihm selbst. Nicht das erste Mal, dass diese Ausrede zum Einsatz kommt. Und doch lässt der Inhalt aufhorchen: Hat Medwedew den Posten des Hofnarren vielleicht schon inne? Schirinowski spielte bis zu seinem Tod mehr als 20 Jahre lang diese Rolle für Putin – und sprach das aus, was für den Kreml zu heiß war. Als Stimmungstest.