Laut des Kremls gibt es ihn gar nicht, und doch hat er nun ein eigenes Symbol: der Krieg in der Ukraine. Ausgerechnet der lateinische Buchstabe Z steht im Zentrum einer Propaganda-Kampagne des Kremls.
Krieg, Invasion, Aggression: Das sind nur einige der Wörter, die der Kreml seinen Propagandisten schlichtweg verbietet. Egal ob Nachrichtenagenturen, Fernsehsender oder Zeitungen – die Sprache der staatlich kontrollierten Medien wird in Russland streng reglementiert. "Militärische Sonderoperation" heißt der Krieg in der Ukraine in der Kreml-Sprache. In der Duma wurde in der vergangenen Woche ein Gesetz verabschiedet, das ganze 15 Jahre Gefängnis für das Verbreiten von angeblichen Falschmeldungen über die "Aktivitäten der militärischen Kräfte Russlands" vorsieht. Was Fake ist, bestimmt der Kreml. Als Fake gilt auch das Wort Krieg.
Die Propaganda-Maschine des Kreml läuft auf Hochtouren. Die sozialen Netzwerke werden geflutet mit Falschinformationen. Im Staatsfernsehen werden Unterhaltungs-Shows in die Zwangspause geschickt. Stattdessen bekommen die politischen Propagandisten Sendezeit ohne jegliches Limit. Über die Zuschauer von Perwyj Kanal und Co. ergießt sich fast 24 Stunden am Tag eine toxische Mixtur aus Lügen, Hass und Absurditäten. Wladimir Solowjow, Dmitri Kisseljow oder Olga Skabejewa – das sind die Wortführer unter den Propagandisten. Alle drei stehen auf den Sanktionslisten der EU und den USA.
Doch sie sind nur die Spitze des Eisbergs. Der Kreml bezahlt eine kleine Armee an Propagandisten dafür, die Wirklichkeit gemäß den Vorgaben des Chef-Ideologen Wladimir Putin zu verbiegen. Die neueste Kampagne steht ganz unter dem Zeichen Z.
Firmenlogos, Städtenahmen, Parolen – überall plötzlich das Z
Der Buchstabe taucht plötzlich überall auf. Als Aufkleber auf Autofenstern, als Print auf T-Shirts der Kreml-Propagandisten, in den Farben des Sankt-Georg-Bands auf Plakaten in den russischen Innenstädten. Firmenlogos, Städtenahmen, Parolen – wo normalerweise der kyrillische Buchstabe З seinen Platz hat, taucht auf einmal das lateinische Z auf. Der Vorreiter in dieser Austausch-Disziplin ist das russische Verteidigungsministerium. Die Behörde flutet die Öffentlichkeit mit unzähligen pseudo-patriotischen Slogans und Motiven. Dabei bedient sich das Ministerium von Sergej Schoigu skrupellos an Bildern aus dem Zweiten Weltkrieg. "Für den Sieg", mit diesen Worten auf den Lippen marschierten eins die sowjetischen Soldaten in ihren verzweifelten Kampf gegen Nazi-Deutschland.
Nun ziert ein Z diese berühmten Worte – in Schwarz und Orange, den Farben des Sankt-Georg-Bands, das in Russland seit 2005 zum wichtigsten Zeichen der Erinnerung an den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg geworden ist, und der in Russland heilig ist.
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Krieg in der Ukraine mit dem Zweiten Weltkrieg auf eine Stufe gestellt
Der Einsatz von Bildern und Worten, die im kollektiven Gedächtnis der Russen schmerzlich verankert sind, ist kein Zufall. Es war Putin selbst, der seinen Krieg in der Ukraine auf gleiche Ebene mit dem Krieg gegen Hitler stellte – obwohl in der Darstellung des Kremls die russischen Truppen gar keinen Krieg in dem Nachbarstaat führen. Dieses schreiende Paradoxon klammert die Propaganda aus und spinnt stattdessen die Legende von einer "Entnazifizierung" der Ukraine weiter, die vom Kreml wie ein Mantra als Ziel des Kriegs, der aber so nicht genannt werden darf, ausgegeben wird.
Dieser Logik folgend werden nun russische Spezialeinheiten, die ukrainische Städte attackieren, mit den Soldaten gleichgesetzt, die einst Auschwitz befreiten. Und das Z wird zu ihrem Markenzeichen hochstilisiert.
Woher das Z plötzlich kommt
Es ist dieser Buchstabe, der russische Panzer, Militärfahrzeuge und Artillerie ziert, die seit nunmehr zwei Wochen durch die Ukraine ziehen. Der Grund für diese Markierung war ursprünglich kein ideologischer, sondern ein praktischer. So sollten die eigenen Truppen von den ukrainischen zu unterscheiden sein, denn das Waffenarsenal der beiden Armeen gleicht sich sehr.
Neben dem weißen Z gibt es noch mehrere Buchstaben, die das russische Militär zur Kennzeichnung einsetzt. Das V wird offenbar von der russischen Marineinfanterie genutzt, das O von den Einheiten aus Belarus und das X von den Truppen des Tschetschenen-Führers Ramsan Kadyrow. Russische Spezialeinheiten soll man an dem Buchstaben A erkennen.
Das Z wird von mehreren Truppenteilen benutzt. An einem einfachen weißen Z erkennt man wohl die Einheiten aus dem östlichen Militärbezirk, ein Z in einem Quadrat soll für den südlichen Militärbezirk wie etwa die Krim stehen.
Auch die anderen Buchstaben werden inzwischen für die Propaganda-Kampagne genutzt, die in erster Linie den Eindruck erwecken soll, dass es in der Bevölkerung eine breite Zustimmung für Putins Krieg gebe. Das V ersetzt nun vielerorts den kyrillischen Buchstaben В. In diesem Bild schaffte es das russische Verteidigungsministerium sowohl das Z als auch das V einzubauen. Der Hashtag bedeutet so viel wie "Für unsere Jungs".
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Von RT bis zu ehemaligen Doppel-Agentin: Wer die Propaganda-Trommel schlägt
Die vom Kreml orchestrierte Kampagne wird von den üblichen Verdächtigen in die Massen getragen. Unter ihnen auch Maria Butina. 2019 war die rothaarige Doppelagentin in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt, als sie in den USA zu 18 Monaten Haft verurteilt wurde, nachdem sie gestanden hatte, unter Anleitung eines russischen Regierungsvertreters republikanische Kreise und die US-Waffenlobby NRA infiltriert zu haben. Die Waffenlobbyistin bekannte sich der Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten schuldig.
Im Gegenzug für das tränenreichen Geständnis und die angekündigte Kooperation mit den US-Ermittlungsbehörden war damals der zweite Anklagepunkt der Tätigkeit als nicht registrierte ausländische Agentin fallengelassen worden. Insgesamt 15 Monate ihrer Haftstrafe saß Butina ab, bevor sie wegen guter Führung entlassen wurde.
Seit ihrer Rückkehr nach Russland verdingt sie sich mit Propaganda-Inszenierungen im Auftrag des Kremls. Im Gegenzug bekam die 33-Jährige bei der letzten Parlamentswahl einen Platz in der Duma. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie nun auch in die Bresche für Putins Krieg springt. In einem Video zeigte sie ihren Landsleuten, wie sie ihre Zustimmung zur Invasion bekunden können und malte ein Z auf ihren Blazer. "Arbeitet Brüder. Wir sind auf ewig mit Euch", erklärt sie pathetisch in Richtung der Truppen, die die Ukraine einnehmen sollen.
<blockquote class="twitter-tweet" data-width="540"><p lang="en" dir="ltr">Just another day in the life of Maria Butina:<br><br>Drawing a white "Z" marking on your lapel to show solidarity with the invasion of Ukraine <a href="https://t.co/raYG3kRznT">pic.twitter.com/raYG3kRznT</a></p>— Francis Scarr (@francis_scarr) <a href="https://twitter.com/francis_scarr/status/1499289678868058112?ref_src=twsrc%5Etfw">March 3, 2022</a></blockquote>
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Auch der staatliche Fernsehsender RT verbreitete das Symbol. Inzwischen gibt es auch auf Amazon T-Shirts mit dem Z zu kaufen. Für Aufsehen sorgte ein Video, das einen jugendlichen Flashmob suggeriert. "Für den Glauben und für die Familie, für meine reine lebendige Seele", skandiert darin eine tänzelnde Formation in schwarzer Kleidung mit der Z-Symbolik. Ganz ähnliche Videos waren schon während früherer Kreml-Kampagnen zum Einsatz gekommen. "Wenn Sie immer noch gezweifelt haben, dass Putin Hitler imitiert, dann zweifeln Sie nicht", kommentiert dieser Twitter-Nutzer das unsägliche Video.
<blockquote class="twitter-tweet" data-width="540"><p lang="ru" dir="ltr">Если вы всё ещё сомневаетесь, что Путин косплеит Гитлера, то не сомневайтесь<br><br>Это пиздец <a href="https://t.co/Z78sNuWASr">pic.twitter.com/Z78sNuWASr</a></p>— Ёшкин Крот (@yoshkinkrot) <a href="https://twitter.com/yoshkinkrot/status/1499110060315848704?ref_src=twsrc%5Etfw">March 2, 2022</a></blockquote>
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Putin demonstriert seine Macht und lässt die "Silowiki" gegen Demonstranten aufmarschieren
Polizisten versperren einer Mutter und ihrem Kind den Weg. Aus Angst vor Protesten direkt vor den Kreml-Mauern, lässt Wladimir Putin seit Tagen den Roten Platz abriegeln, den zentralen Platz der russischen Hauptstadt, an dem sonst das Leben pulsiert.
Dass ausgerechnet ein lateinischer Buchstabe, den es im russischen Alphabet gar nicht gibt, zu einem Symbol eines Krieges stilisiert wird, dessen Existenz Moskau bestreitet, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Doch die entgeht dem Kreml wie so oft.
Inzwischen hat das Verteidigungsministerium eine Erklärung für das Z geliefert. Es stünde für das russische Wort "za", zu Deutsch "für". Warum ein russisches Wort aber mit einem Z geschrieben werden soll, erklärte man nicht. Und das zu einer Zeit, wo der Propagandist Dmitrij Kisseljow in seiner Nachrichtensendung nicht einmal das Wort Yacht benutzen will. Auch wenn eine Yacht im Russischen ebenso Yacht heißt. Stattdessen spricht er lieber von "Wasserfahrzeugen", wenn er über die beschlagnahmten Yachten der Oligarchen jammert.