Der afghanische Präsident Hamid Karsai will die Verantwortung für die Sicherheit in seinem Land von der Nato bereits ein Jahr früher als geplant übernehmen. "Beide Seiten müssen dabei zusammenarbeiten, den Übergabeprozess von den internationalen Truppen zu den afghanischen Kräften 2013 statt 2014 abzuschließen", teilte Karsai am Donnerstag mit.
Nach dem Amoklauf eines US-Soldaten mit 16 Toten in Afghanistan verlangte Karsai weiterhin den Abzug der Nato-Truppen aus allen Dörfern. Dies gelte auch für entlegene Gebiete auf dem Land, erklärte er nach einem Treffen mit US-Verteidigungsminister Leon Panetta. Nach Karsais Willen sollen ausländische Soldaten außerdem nicht mehr in Häuser von Afghanen eindringen dürfen. Der Präsident zielt damit auf ein Ende der nächtlichen Operationen gegen die Taliban ab.
Die radikal-islamischen Taliban setzen nach eigenen Angaben zugleich alle Gespräche mit der US-Regierung aus. In einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung hieß es, das Islamische Emirat habe diese Entscheidung getroffen, weil die bisherigen Gespräche im Golf-Emirat Katar mit den Amerikanern "Zeitverschwendung" gewesen seien. Die USA zeigten keinen Willen, Abmachungen zu erfüllen.
Parlament fordert Bestrafung unter Beteiligung des Volkes
Die Taliban hatten im Januar nach langen Verhandlungen ein Büro in Katar eröffnet. Deutschland hatte dabei eine Vermittlerrolle gespielt. Laut der im Internet veröffentlichten Erklärung hätten die USA sich zunächst bereiterklärt, Gefangene auszutauschen, hieß es in der Mitteilung weiter. Mit der Zeit seien sie aber von ihren "Versprechen" abgerückt. "Ein amerikanischer Vertreter präsentierte eine Liste mit Bedingungen bei seinem letzten Treffen mit dem Islamischen Emirat, die nicht nur inakzeptabel waren, sondern auch den früher vereinbarten Punkten widersprachen."
Die USA und die Taliban hatten über einen Austausch von Gefangenen als eine Art vertrauensbildende Maßnahme für mögliche weitergehende Friedensgespräche verhandelt. Aus den USA hatte es Widerstand gegen die Freilassung von fünf Taliban-Funktionären aus dem Gefangenenlager Guantanamo gegeben. Die Taliban haben seit längerem einen US-Soldaten in ihrer Gewalt, den sie zum Tausch angeboten hatten.
Die Taliban betonten erneut, dass sie anders als von Karsai dargestellt nicht mit der afghanischen Regierung verhandelten. Karsai könne keine einzige Entscheidung ohne vorheriges Einverständnis der Amerikaner treffen. Das Islamische Emirat halte Verhandlungen mit Karsais "Handlanger-Regime" für sinnlos. Die Mitteilung der Taliban nahm keinen Bezug auf das jüngste Massaker an Zivilisten oder die Koranverbrennungen durch US-Soldaten.
US-Soldat tötete 16 Menschen
Bei dem Massaker in einem Dorf in der Provinz Kandahar waren nach afghanischen Regierungsangaben 16 Menschen getötet worden, darunter neun Kinder. Der Gewaltakt hatte im ganzen Land und auch international Entsetzen ausgelöst. Der Täter wurde nach amerikanischen Angaben am Mittwoch nach Kuwait gebracht, obwohl viele Afghanen einen Prozess am Hindukusch fordern.
Die US-Streitkräfte rechtfertigten die Verlegung des Soldaten ins Ausland. So könne es ein faires und angemessenes Verfahren geben, sagte Generalleutnant Curtis Scaparrotti. Die afghanische Regierung sei darüber informiert worden. Das Parlament in Kabul hatte von der US-Regierung gefordert, den Täter "sobald wie möglich in einem öffentlichen Gericht in Afghanistan unter Beteiligung des afghanischen Volkes zu bestrafen".
Bombenanschlag im Süden Afghanistans
Die Gewalt in Afghanistan dauerte indes an. Bei einem Bombenanschlag im Süden Afghanistans sind 13 Zivilisten getötet worden. Nach Polizeiangaben explodierte in der Provinz Urusgan ein am Straßenrand versteckter Sprengsatz und zerstörte ein Fahrzeug. Durch die Explosion seien neun Kinder und vier Frauen getötet worden. Zwei weitere Zivilisten wurden demnach verletzt.
Der Polizeisprecher machte die radikalislamischen Taliban für die Tat verantwortlich. Einen Tag zuvor waren acht Zivilisten bei einem ähnlichen Vorfall in der Provinz Helmand gestorben, wo sich US-Außenminister Leon Panetta zu einem unangekündigten Besuch aufhielt.
Die Taliban sind vor allem im Süden und Osten des Landes aktiv. Häufig nutzen sie selbst gebaute Bomben und Selbstmordangriffe für Anschläge gegen afghanische Sicherheitskräfte und Soldaten der Nato-Truppe Isaf. Oft treffen sie dabei auch Zivilisten. In den vergangenen fünf Jahren stieg die Zahl der getöteten Zivilisten in Afghanistan stetig an. Allein 2011 kamen laut UN-Statistiken mehr als 3000 Zivilisten ums Leben.