Panik in Teheran, Iron Dome überfordert Das ist die Lage an Tag fünf des Krieges

Iran: Nach einem israelischen Bombardement brennt der TV-Sender IRIB
Am Montag bombardierten israelische Einheiten den iranischen Staatssender IRIB während einer Live-Übertragung. Dichter Rauch war über Teheran zu sehen
© BERNO / SIPA / Action Press
Seit Freitag greift Israel den Iran an, der schlägt zurück. Die Ereignisse überschlagen sich. Dieser Überblick bringt Sie auf den letzten Stand – alles, was Sie wissen müssen.

Der große Krieg im Nahen Osten ist da – in der Nacht zum 13. Juni flog Israel erste Angriffe auf den Iran. Die Ziele: Stützpunkte der Revolutionsgarden, Flugabwehr-Systeme – und: das iranische Atomprogramm. Seitdem überschlagen sich die Ereignisse. Gegenangriffe folgten auf Angriffe, Raketeneinschläge auf Drohnenattacken. Städte wie die iranische Hauptstadt Teheran oder das israelische Tel Aviv sind immer wieder Ziele. 

Doch was genau ist in den vergangenen Tagen passiert? Das ist der aktuelle Stand der Lage: 

Welche Ziele hatten die Angriffe Israels?

Die erste Angriffswelle des israelischen Militärs am 13. Juni zielte vorrangig auf hochrangiges militärisches Personal und das Atomprogramm des Iran. Bei der Operation "Rising Lion" nahm Israel laut mehrerer Quellen mindestens sechs Militärstützpunkte rund um Teheran sowie Wohnhäuser für Militärkommandeure und mehrere Wohngebäude rund um die Hauptstadt ins Visier. Ebenso wie die Atomanlagen Natans und Fordo, die Anlage für Uranaufbereitung in Isfahan und das Atomforschungszentrum in Teheran. Mindestens 20 hochrangige Militärs, ebenso wie mehrere Physiker, die am Atomprogramm beteiligt gewesen sein sollen, wurden getötet. 

Wie schwer wurde das iranische Atomprogramm getroffen?

Israel begründet sein Angriff damit, dass der Iran unmittelbar vor der Herstellung von Nuklearwaffen gestanden habe. Unabhängig überprüfen lässt sich dieser Vorwurf nicht. Wenn es stimmt: Hat Israel sein Ziel erreicht? Konnte das Atomprogramm zerstört werden?

Das ist bislang unklar. Die bislang einzig unabhängige Quelle zu den Schäden an den Anlagen ist die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA). Ihre Berichte widersprechen den israelischen Angaben teilweise oder mildern sie ab. Fest steht wohl: Die größte Atomanlage des Iran, Natans, wurde getroffen und beschädigt. Israel meldete die Zerstörung wichtiger Einrichtungen, darunter einem unterirdischer Komplex mit Zentrifugen. Der Iran spricht von "größtenteils oberflächlichen Schäden", die IAEA bestätigt lediglich Schäden an der Anlage. 

Noch unübersichtlicher ist die Situation um die zweite Anlage in Fordo. Israel berichtete von Angriffen auf den Komplex, mehrere Medien bestätigten Explosionen in der Nähe, beschädigt wurde sie aber laut IAEA nicht. Auch der Iran erklärte, es gebe "keine strukturellen Schäden".

Der Komplex Isfahan im Zentraliran wurde laut Israel gänzlich zerstört, Labore seien ebenfalls beschädigt worden. Die IAEA äußerte sich in diesem Fall nicht eigenständig, zitierte nur die iranischen Behörden, wonach ein Treffer bestätigt wurde.

Das Atomforschungszentrum in Teheran wurde von Israel zwar als Angriffsziel genannt, aber nach bisherigen Erkenntnissen nicht getroffen oder beschädigt.

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Welche Ziele bislang angegriffen wurden, wo sich die Atomanlagen des Iran befinden und welche Vergeltungsschläge Israel bislang hinnehmen musste, sehen Sie auf diesen Karten: 

Wie schwer die infrastrukturellen Schäden am iranischen Atomprogramm sind, ist also nicht unabhängig zu sagen. Durch die Angriffe dürfte Israel die Forschung und Herstellung von atomwaffenfähigen Material aber durchaus empfindlich getroffen und zurückgeworfen haben. Nicht nur durch die Schäden an den Anlagen, sondern auch durch die Tötung mehrerer leitender Wissenschaftler des Programms.

Wie stark ist das iranische Militär noch?

Der Iran besitzt laut dem Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) eine der zahlenmäßig größten konventionellen Streitkräfte im Nahen Osten. Über 600.000 aktive Soldaten und weitere 300.000 Reservisten stehen demnach zur Verfügung. Die Revolutionsgarden verfügen über eigene Luft-, Boden- und Seestreitkräfte. 

Technologisch ist das iranische Militär jedoch in weiten Teilen veraltet. Viele der eingesetzten Kampfjets stammen noch aus den 1970er- und 1980er-Jahren. Die Stärke des Iran liegt daher weniger in seinen konventionellen Kräften. Seine Chance wäre die asymmetrischen Kriegsführung: Raketen, Drohnen, Cyberattacken, Angriff durch Stellvertreter-Milizen wie die Huthis und die Blockade etwa von Öltransporten. Denn die bisherigen Gefechte zeigen, dass der Iran einem technologisch überlegenen Gegner wie Israel militärisch unterlegen scheint. 

Warum konnte Israels Schutzschild Iron Dome zahlreiche Vergeltungsschläge nicht abfangen?

Dutzende iranische Raketen und Drohnen erreichten trotz des israelischen Iron-Dome-Systems ihr Ziel. Der Grund: Auch wenn die Technik des Abfangsystems ausgeklügelt ist, hält es nur Angriffe bis zu einem gewissen Punkt stand, wie Militärexperte Guido Schmidtke gegenüber t-online.de erklärt: "Irgendwann erdrückt die schiere Masse selbst die modernste Luftverteidigung. Ein Teil der anfliegenden Flugkörper kann nicht mehr abgefangen werden. In diesem Fall können die Iraner durchaus Ziele in Israel treffen und diese Ziele auch zerstören." Zwar verhinderte der Iron Dome Schlimmeres – dennoch kam es zu Todesfällen, Bränden und erheblichen Schäden in israelischen Städten. Besonders Tel Aviv und Haifa wurden von den Raketen getroffen.  

Welche Auswirkungen haben die israelischen Angriffe auf die iranische Zivilbevölkerung?

In Teheran hinterlassen Luftangriffe zerstörte Wohnhäuser, überfüllte Krankenhäuser und beschädigte Versorgungsleitungen. Viele medizinische Einrichtungen seien am Limit, tausende Verletzte warteten auf Behandlung, so Zeugen zum britischen "Guardian". Schon vor dem Angriff sei die Versorgung instabil gewesen, Wasser sei teils tagelang ausgefallen. 

Im ganzen Land sind Logistikketten gestört, Raffinerien beschädigt, die Benzinversorgung ist fast zusammengebrochen. Iraner dürfen maximal 25 Liter tanken, so "CNN". Auch Geldabhebungen seien limitiert worden. Das Militär beanspruche den Großteil der Vorräte. 

Nach den Angriffen setzte eine Massenflucht aus Teheran ein, wie unter anderem das "Wall Street Journal" berichtet. Die Stadt verfügt über kaum Schutzbunker, den Einwohnern bleibt lediglich die Metro als Zufluchtsort. Viele Einwohner seien in Richtung Mazandaran nördlich von Teheran – per Auto, Motorrad oder zu Fuß. Es seien Szenen wie seit dem Iran-Irak-Krieg in den 1980er-Jahren nicht mehr. 

Welche Folgen hat der Konflikt bislang global?

Der israelische Angriff kam für die meisten Experten überraschend, da sich Land auch mit der Hisbollah, der Hamas und den Huthis im Krieg oder zumindest in Gefechten befindet. Die globalen Auswirkungen sind noch überschaubar. Noch kam es zu keinem Flächenbrand im Nahen Osten, Aktienkurse brauchen zwar zeitweise ein, der Ölpreis stieg – aber noch sind die Folgen für die Weltwirtschaft überschaubar.

Doch das ist nur eine Momentaufnahme. Der Angriff Israels könnte den Iran sogar näher an die Bombe bringen – denn das Regime in Teheran könnte zu dem Schluss: Allein eine Atombombe schreckt am Ende Israel oder auch die USA ab.

Die zweite große Bedrohung für die Welt: Die Blockade der Straße von Hormus. Das schärfste Schwert der Mullahs ist nicht etwa ihr Militär, ihre Revolutionsgarden. Es ist der Ölpreis. Am ersten Tag des Angriffs schnellt der Leitpreis um zwölf Prozent nach oben. Mittlerweile hat sich der Preis wieder normalisiert. Doch das muss nicht so bleiben.

Würde der Iran die Straße von Hormus, eine Meerenge zwischen dem Iran und dem Oman, blockieren, wäre dies ein Schock für die Weltwirtschaft. Das Öl aus Kuwait, Bahrain, Katar, dem Irak, Saudi-Arabien und auch aus dem Iran selbst, muss per Schiff diese 40 Kilometer breite Wasserstraße passieren – etwa ein Drittel der globalen Öllieferungen würden gekappt. Die Auswirkungen wären kaum abzuschätzen. 

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