Frankreich steht noch immer unter Schock: 84 Menschen starben, als ein Mann am Donnerstag mit einem Lastwagen in eine feiernde Menschenmenge in Nizza raste. Dieser Mann, so ist nun klar, war Mohamed Lahouaiej-Bouhlel, 31 Jahre alt, Franko-Tunesier. Ein Einzelgänger, der bislang nicht als Islamist aufgefallen ist. Was man außerdem über ihn weiß: Er hatte psychische Probleme, neigte zur Gewalt. Er mochte Bodybuilding und Salsa. Er trank und soll illegale Drogen konsumiert haben.
Doch es steht noch eine ganz andere Frage im Raum: War der 31-Jährige ein Einzeltäter? Oder hatte er Komplizen? Mehr als 200 Ermittler werten laut der französischen Nachrichtenagentur AFP derzeit die Handy-Daten von Mohamed L. aus. Es gebe Hinweise auf mögliche Hintermänner, sagen sie.
Ein Albaner soll den Täter unterstützt haben
Demnach setzte der Täter kurz vor dem Anschlag eine SMS ab. Darin brachte er seine Genugtuung darüber zum Ausdruck, dass er eine Pistole habe, und forderte "die Lieferung weiterer Waffen". Die Ermittler gehen nun der Frage nach, ob diese Waffen für den Attentäter oder andere Menschen gedacht waren, und versuchten nun, "alle Empfänger" dieser Mitteilungen zu identifizieren.
Ein Albaner, so die Ermittler weiter, könnte dem Täter eine Waffe besorgt haben. Es soll sich um eine Pistole Kaliber 7.65 handeln, mit der Mohamed L. auf Polizisten schoss, bevor diese ihn erschossen. Der Albaner wurde festgenommen. Insgesamt waren am Sonntag sieben Menschen in Polizeigewahrsam. Die Frau des Tunesiers, von der er getrennt lebte, wurde nach Vernehmungen wieder freigelassen.
Mohamed L. erkundete den Tatort in Nizza
Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der Lieferwagenfahrer die Bluttat an der Côte d'Azur sorgfältig geplant. Den Miet-Truck, den er als Mordinstrument verwendete, habe er bereits am 4. Juli reserviert und am 11. Juli abgeholt, meldete AFP unter Berufung auf Ermittlerkreise. Am Dienstag und Mittwoch (12. und 13. Juli) habe er den Tatort erkundet.
Die ersten Vernehmungen sollen darauf hindeuten, dass der Täter sich erst recht kurz vor der Tat dem radikalen Islam zuwandte. Er habe auch aufgehört, Alkohol zu trinken, berichtete die Zeitung "Le Parisien". Nach anderen Medienberichten leerte er kurz vor der Tat sein Konto und schickte 100.000 Euro an seine Familie in Tunesien.
Die französische Regierung geht davon aus, dass sich der Täter "sehr schnell radikalisiert" hat, wie Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve sagte. Denn als praktizierender Muslim oder gar Islamist ist der Mann Nachbarn nicht aufgefallen. "Ich habe ihn nie in der Moschee gesehen", sagte der Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes.
Täter schlitzte Teddy seiner Tochter auf
Bekannt war Mohamed L. vor allem für sein hitziges Temperament. Ein früherer Nachbar sagte, die Frau des Tunesiers habe sich nach einem gewalttätigen Streit von ihm getrennt. Danach habe der Vater von drei Kindern eine schwere Krise durchlebt. Er habe den Spielzeugbär seiner kleinen Tochter mit einem Messer aufgeschlitzt und die Matratzen in der Wohnung zerfetzt.
Der Tunesier zog nach der Trennung von seiner Frau in ein vierstöckiges Gebäude in einem einfachen Viertel im Osten von Nizza. Bewohner schildern ihn als einen einsilbigen Einzelgänger. Grüße habe er nicht erwidert. Er sei häufig in Shorts herumgelaufen, habe geraucht und Alkohol getrunken. Zudem habe er ein Faible für Muskeltraining gehabt. Mitglieder eines Fitnessclubs beschreiben ihn als Angeber und Aufreißer.
Der Vater des Tunesiers, Mohamed Mondher Lahouaiej-Bouhlel, lebt in dem Ort Msaken bei der Hafenstadt Sousse im Osten Tunesiens. Er berichtet von psychischen Problemen seines Sohnes, von Depressionen. "Er wurde wütend, schrie, machte alles kaputt", sagte der Vater zu AFP. Deswegen habe die Familie Ärzte konsultiert.
Verbindung zu IS nicht bewiesen
Für Kontakte des Attentäters zu extremistischen Gruppierungen haben die Ermittler noch keine Beweise. Bis zum jetzigen Zeitpunkt seien keine Belege für Verbindungen von Mohamed Lahouaiej-Bouhlel zu "terroristischen Netzwerken" gefunden worden, sagte Frankreichs Innenminister Cazeneuve im Radiosender RTL. Klar sei aber, dass es sich um einen "terroristisches Attentat" handle. Die IS-Miliz hatte den Anschlag am Samstag für sich beansprucht und den Täter als "Soldaten" des IS bezeichnet.