Obamania in China "Gelber Phönix aus armer Schlucht"

Von Lu Zheng
Bücher über Barack Obama finden in China reißenden Absatz. Vor allem junge und gebildete Chinesen bejubeln den neuen Präsidenten der USA - auch weil er Verwandte im Reich der Mitte hat. Die Pekinger Regierung aber blickt mit gemischten Gefühlen auf den neuen Mann im Weißen Haus.

Die Erklärung aus Peking war formuliert im schönsten Diplomaten-Verlautbarungston: "China und die USA teilen viele gemeinsame Interessen und wichtige Verantwortung. Die Entwicklung einer langfristigen, gesunden und stabilen Beziehung zwischen China und den USA entspricht den Grundinteressen der beiden Völker." So schrieb es Hu Jintao, Präsident Chinas in einem Glückwunschbrief an den frisch gewählten Barack Obama. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua drückte ihren Respekt vor dem neuen US-Präsidenten poetischer, mit einem für China typischen Sprichwort, aus: "Ein gelber Phönix aus der armen Schlucht", schrieb sie über Obama.

Die meisten Chinesen verstehen nicht, warum er fünf Millionen Dollar für eine einzige Werbesendung ausgegeben hat. Zum einen gibt es im Reich der Mitte keinen Wahlkampf, zum anderen sind fünf Millionen Dollar eine unvorstellbar große Summe Geld. Nichtsdestotrotz: Viele Chinesen würden laut Umfragen Obama wählen. "Er wird den amerikanischen Traum verwirklichen. Außerdem hat er eine Beziehung zu China, die einer Schicksalsfügung gleicht. Sein Halbbruder lebt hier. Einer seiner Schwager ist ein Chinese", schreibt ein Nutzer eines Internetforums.

Obamas Bruder in China

Mark Ndesandjo ist der Sohn der dritten Frau von Obamas Vater. Seit sechs Jahren lebt er in Shenzhen, einem Ort an der Südküste Chinas und ist mittlerweile mit einer Chinesin verheiratet. Er berät chinesische Firmen, die Produkte in die USA exportieren. Sein Geschäft läuft prächtig, da er über hervorragende Sprachkenntnisse in Englisch und Chinesisch verfügt.

Im Gegensatz zu seinem Bruder scheut Mark die Öffentlichkeit, freut sich aber laut chinesischen Medienberichten über Barack Obamas Wahl zum US-Präsidenten. Obamas Beziehungen zu China gehen aber noch weiter. Eine seiner Schwestern ist mit einem Amerikaner chinesischer Abstammung verheiratet. Nicht zuletzt wegen seiner Verwandten wird der "President elect" in China geschätzt.

Wie sehr Obama die Asiaten begeistert, lässt sich auch an den Verkaufsranglisten der Buchläden ablesen: Laut dangdang.com, einem chinesischen Onlineshop, finden die Bücher "Obama: Mein Traum" und "Obama: Er wird die USA verändern", reißenden Absatz. "Der Wahlkampf in den USA ist weit entfernt. Aber nicht so für die jungen Studenten, die Fremdsprachen lernen", sagt Wang Chong, leitender Redakteur der Zeitung "China Youth Daily" und Autor des Buches "Hinter dem Stimmzettel - Blick auf den amerikanischen Wahlkampf und die amerikanische politische Kultur".

"Ein Popstar für junge Chinesen"

Wang traf Obama einmal vor vier Jahren, als er um einen Platz als Senator in Illinois kämpfte. Damals kannte noch niemand Obama, auch in China war er ein Unbekannter. "Ich bin überrascht, dass so viele junge Chinesen ihn jetzt mögen. Seine jugendliche Lebenskraft zieht sie an. Wichtiger als seine Politik sind die Fragen: Welcher Kandidat findet beim Publikum den größeren Anklang, und wie alt ist der Kandidat?", sagt der Journalist. Chinesen mit Fremdsprachenkenntnissen interessieren sich für den Wahlkampf und das politische System der USA. In ihren Augen sei Obama ein Popstar.

Viele Amerika-Experten in China sehen Obama dagegen eher skeptisch. Sie verweisen auf die großen Herausforderungen vor denen der künftige US-Präsident steht und ziehen einen Vergleich zu Franklin D. Roosevelt. "Ähnlich wie er, muss Obama die Aufgabe meistern, eine sehr ernste Finanzkrise zu überwinden", sagt Shi Yinhong, Amerika-Experte an der Pekinger Volksuniversität. Zudem kommen noch die Probleme im Irak und Afghanistan.

Seiner Ansicht nach, brauchen die USA eine grundsätzliche Veränderung. Und dazu hätten sie Obama ausgewählt. "Aber es ist schwer zu beurteilen, ob der neue Präsident das Land wirklich verändern kann." Shi Yinhong glaubt nicht daran, dass Obama ein Roosevelt des 21. Jahrhunderts werden könne.

In der Pekinger Führung betrachte man den neuen Chef im Weißen Haus mit gemischten Gefühlen. Was die chinesisch-amerikanischen Beziehungen betrifft, gebe sich Peking optimistisch, so Shi Yinhong. Wahrscheinlich, so die Überlegung der Regierung, werde sich unter Obama gar nicht so viel ändern, und wenn, dann nur zum Positiven. Denn die Zeit des amerikanischen Unilateralismus sei vorbei, der neue Präsident wird wieder mit den anderen großen Nationen diskutieren und die wechselseitige Verantwortung betonen.

McCain war der Wunschkandidat Pekings

Viele in der chinesischen Regierung hätten lieber den 72-jährigen John McCain als Wahlsieger gesehen. Denn der ehemalige Kandidat der Republikaner setzt auf freien Handel, welcher der Exportnation China große Profite verschafft. Nun aber hat Obama gewonnen und die Regierung Chinas fürchtet, dass eine neue Welle des Handelsprotektionismus bevorsteht. Allein die Wahlkampfaussage Obamas vom Dezember vergangenen Jahres, er würde im Fall seiner Wahl sämtliche Spielzeuge aus China verbieten lassen, sorgt für Beunruhigung.

Die Pekinger Regierung befürchtet eine Verschlechterung der Beziehungen im Außenhandel mit den USA. Das würde auch Mark Ndesandjo hart treffen. So könnte es passieren, dass ihm sein berühmter Halbbruder am Ende das Geschäft verdirbt.