Öl für Paläste, Teil 2 Kickback-Gelder im Diplomatenkoffer

  • von Katja Gloger
Saddam Hussein handelte mit Tausenden von Firmen und schmuggelte Öl. Für seine legalen Exporte verlangte er überhöhte Preise, für seine Importe ordentlich Schmiergeld. Im UN-Sicherheitsrat wusste man offenbar davon.

Nach dem verlorenen Irak-Krieg 1990 hatten die Vereinten Nationen harte Wirtschaftssanktionen gegen den Irak verhängt. Dazu kamen gigantische Reparationsforderungen vor allem von Kuwait, das Nachbarland, das Saddam überfallen hatte. Zweimal bot die Uno Saddam Hussein an, er dürfe irakisches Öl exportieren - wenn er aus den Einnahmen Hilfslieferungen für die Bevölkerung finanziere. Saddam lehnte ab. Erst 1996, als Uno-Waffeninspekteure Saddams geheime Chemie-und Biowaffenprogramme aufgedeckt hatten und die Wirtschaftskrise sein System ernsthaft bedrohte, stimmte er dem "Oil-for-Food" Programm zu. Dabei durfte Saddam entscheiden, wem er sein Öl verkaufen würde. Und Saddam durfte auch entscheiden, bei wem er einkaufen würde. Es war sein Freibrief für millionenschwere Geschäfte.

Das erste Öl Richtung Westen floss 1996

Der Sanktions-Ausschuss der Uno sowie das eigens gegründete "Irak-Büro" unter Leitung des Spitzendiplomaten Benan Sevan sollten das Programm überwachen. Zahlungen wurden über die französische BNP-Bank sowie über die US-Bank Stanley Morgan abgewickelt. An den Grenzen sollten von der UNO beauftragte Firmen die Lieferungen überprüfen. Ende 1996 floss das erste Öl Richtung Westen, wenige Monate später kamen die ersten Hilfsgüter ins Land, die von den Öl-Erlösen gezahlt worden waren.

Doch rasch wurde klar: wer mit Saddam ins Geschäft kommen wollte, musste mindestens zehn Prozent "Kickback"-Zahlungen leisten: überhöhte Preise für UNO-kontrollierte Lieferungen, oft getarnt als "Serviceleistungen". Die Gelder gingen auf Sonderkonten bei ausländischen Banken oder wurden - bevorzugte Zahlungsart - bar im Koffer in die irakischen Botschaften geschleppt. Von dort aus gingen die Gelder per Diplomatenkurier nach Bagdad.

In den folgenden Jahren machten Tausende Firmen mit Saddam Geschäfte im Rahmen des "Oil-for-Food" Programms. Zu den Lieferanten zählten auch deutsche Firmen wie Daimler Benz, Schering, Siemens und die Firma Karl Kolb: sie wurde in den 80er Jahren verdächtigt, Ausrüstung für Saddams geheimes Chemiewaffenprogramm geliefert zu haben. "Wir wissen noch nicht genau, wer Bestechungszahlungen leistete", sagt ein hochrangiges Mitglied des US-Kongresses. "doch spätestens ab 1998 kann man eigentlich so gut wie sicher davon ausgehen, dass gezahlt wurde. Sonst hätte Saddam das Geschäft mit einer anderen Firma gemacht."

Subventioniertes Öl kostete zehn Cent Aufschlag pro Barrel

Wer von der Uno sanktioniertes Öl kaufen wollte, zahlte einen "Aufschlag" von durchschnittlich zehn Cent pro Barrel. Allein damit verdiente Saddam Hunderte Millionen Dollar. Saddam persönlich vergab die begehrten Voucher, Bezugsscheine für irakisches Öl. Die Empfänger wurden säuberlich in Listen eingetragen, die von der irakischen Öl-Vermarktungsgesellschaft SOMO geführt wurden und dort nach dem Krieg auftauchten. Darauf findet sich der russische Politiker Wladimir Schiriniowskij ebenso wie das russische Außenministerium sowie das Büro des russischen Präsidenten. Da steht die indonesische Präsidentin Sukanoputri ebenso wie der ehemalige französische Innenminister Jacques Pasqua, aber auch US-Unternehmen. Auch der Uno-Diplomat Benan Sevan taucht als Empfänger auf den Listen auf. Der Leiter des UN-Irak-Büros, zuständig für die Abwicklung des "Oil-for-Food" Programms, soll über eine Ölfirma Bezugsrechte über 7,3 Millionen Barrel ausgeübt haben. So hätte er rund zwei Millionen Dollar verdienen können. "Eine Schmierenkampagne", empört sich Sevan.

Vor allem aber schmuggelte Saddam Millionen Barrel Öl. Regelrechte "Handelsabkommen" mit den Nachbarstaaten Jordanien, Syrien und der Türkei regelten Details. Das Öl floss ungehindert in Pipelines nach Syrien, in Lkw nach Jordanien, per Schiff durch den Persischen Golf - auch dies unter den Augen der Uno. Dort war das System Saddam ein offenes Geheimnis. Auf den Fluren des New Yorker Hauptquartiers wurde das Hilfsprogramm als "Oil-for-Palaces" verhöhnt. Die überhöhten Preise für Hilfslieferungen waren der Uno ebenso bekannt wie der gut organisierte Ölschmuggel durch iranische Gewässer gegen entsprechende "Transportgebühren" an den Iran. Auch die Grenz-Inspektoren vor Ort beschwerten sich immer wieder über Unregelmäßigkeiten. Im einzigen irakischen Ölterminal Umm Quasr gab es noch nicht einmal einen Messpegel, um festzustellen, wieviel Öl wirklich in die von der Uno angeblich kontrollierten Schiffe gepumpt wurde.

"Wir wussten von Missbrauch und Betrug"

"Wir wussten von Missbrauch und Betrug. Wir konnten keine Einigkeit erzielen", rechtfertigte sich der US-Botschafter Patrick Kennedy vor einem Ausschuss des US-Kongresses. "Es ging um grundlegende Differenzen zwischen den Mitgliedern des Sicherheitsrates. Sie wurden durch die jeweiligen nationalen Wirtschaftsinteressen nur noch verschärft." Kühl nutzte Saddam Hussein die Streitereien im Uno-Sicherheitsrat. Vor allem Frankreich und Russland traten zunehmend für eine Aufhebung der Sanktionen ein - denn davon hätten Firmen beider Länder profitiert. Uno-Kritiker behaupten, Saddam habe sich die Unterstützung der beiden Länder gekauft.

Es mangele an echten Beweisen für Korruption, lautete das Standard-Argument des Irak-Beauftragten Benan Sevan. Probleme müssten "pragmatisch" angegangen werden, schrieb er in einem seiner langatmigen Berichte. Eine geplante interne Untersuchung lehnte er mit dem Hinweis ab, sie werde zu teuer. Dieses Geld fehle dann für Lieferungen an das irakische Volk. Auch im Sanktionsausschuss der Uno sowie im Uno-Sicherheitsrat wusste man spätestens seit Frühjahr 2000 von den dreisten Manipulationen und Schmuggeleien Saddams. Mindestens 70 Verträge mit überteuerten Preisen lagen vor. Keiner dieser Verträge wurde aufgehoben - auch nicht von den USA. Statt dessen stritt man offenbar lieber.

"Niemand fühlte sich verantwortlich"

"Während der 194. Sitzung des Ausschusses wurde die Frage illegaler Öl-Exporte diskutiert", heißt es lapidar in einem internen Bericht: "Der Ausschuss entschied, die Angelegenheit Ölschmuggel weiter zu beobachten." Man stritt sich - und ließ Saddam gewähren. "Wir glaubten nicht, dass wir ein Mandat hatten, um in solchen Fällen zu ermitteln", sagt Michel Tellings, einer von drei Uno-Beamten, die Iraks Ölverkäufe beaufsichtigten. "Man konnte den Ausschuss nicht um Anleitungen bitten. Man hätte keine Antwort erhalten. Niemand fühlte sich verantwortlich."

Streitereien, Unfähigkeit und Verantwortungslosigkeit - es steht nicht gut um die Uno. Schon kursieren neue Gerüchte über Kofi und Kojo. Sohn Kojo habe Reisen nach New York mit der Kreditkarte seines ehemaligen Arbeitgebers bezahlen können, heißt es. Von angeblichen Gesprächen über "Sonderprojekte" ist die Rede.

Doch auch aus dem fernen Bagdad dräut Ungemach: Denn dort lagern die irakischen Papiere des "Oil-for-Food"-Programms. Es sind Dutzende Räume voller Aktenstapel, mit Plastikhüllen überzogen. Im Auftrag der provisorischen irakischen Regierung sollen sie nun gescannt werden. Blatt für Blatt - potentielle Beweise für Untersuchungssausschüsse, Staatsanwälte und für Politiker.

In diesen Tagen scheint es manchmal, als könne Saddam Hussein doch noch einen letzten Sieg erringen. Einen Sieg über die Gemeinschaft der Welt.