Vielleicht ist es ja gar keine schlechte Taktik. Just im Angesicht eines möglichen neuen Krieges in Europa kann ein Scherz, ein Bonmot die angespannte Atmosphäre aufheitern, womöglich den Knoten lockern. Wenn das seine Intention war, dann hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seinem Besuch in Moskau die allerhöchste Kunst der Diplomatie bewiesen.
Selbst Russlands Präsident Wladimir Putin, der durch den Aufmarsch von mehr als 120.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine die Krise ausgelöst hat, konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen – wenn es auch gequält war. Putin, der bekanntlich gut Deutsch spricht, wird den kleinen Seitenhieb durchaus verstanden haben, den Scholz am Dienstag im Anschluss an das Krisengespräch der Weltpresse mit seinem "schlumpfigen Grinsen" (Zitat CSU-Chef Markus Söder) präsentierte.
Olaf Scholz: Putin im Amt? "Könnte länger dauern, aber nicht ewig"
Bezogen auf die Nato-Osterweiterung und eine von der Ukraine angestrebte Aufnahme in die Nato, die Russland als Bedrohung empfindet, sagte Scholz: "Da ist ja die etwas eigenwillige Situation, dass sie [die Aufnahme der Ukraine in die Nato, Anm. d. Red.] gar nicht ansteht. Sie steht nicht auf der Tagesordnung", wischte der Kanzler den Haupt-Streitpunkt nahezu vom Tisch. Das Thema werde beiden in ihrer Amtszeit kaum noch einmal begegnen. Und dann kam's: "Ich weiß jetzt nicht, wie lange der Präsident vorhat, im Amt zu sein. Ich habe jedenfalls das Gefühl, das könnte länger dauern, aber nicht ewig."
Den Grund für die Krise mal eben auf den Sanktnimmerleinstag verschoben, dem Kontrahenten im eigenen Haus launig einen mitgegeben – kann so Krisenmanagement gehen? Vielleicht werden das Historiker dereinst bewerten. Als Quelle stehen ihnen nicht nur die Video-Aufnahmen der Pressekonferenz in Moskau zur Verfügung, sondern auch das offizielle Transkript des Kanzleramtes. Dort ist der launige Auftritt des Kanzlers höchstoffiziell für die Nachwelt festgehalten.
Quellen: Offizielle Mitschrift der Pressekonferenz; Nachrichtenagenturen