Trotz Kriegs-Angst Wie Olaf Scholz auf offener Bühne Wladimir Putin mit einem launigen Seitenhieb bloßstellte

Szene im Video: Scholz' Witz auf Putins Kosten: "Nicht ewig im Amt"
Sehen Sie im Video: Scholz' Witz auf Putins Kosten bei Treffen in Moskau – "Nicht ewig im Amt"




Vom Tisch schienen die Differenzen an diesem Dienstag noch nicht. Und doch waren nach dem Treffen zwischen Wladimir Putin und Olaf Scholz in Moskau positive Signale zu spüren. Der russische Präsident sicherte dem Bundeskanzler nach dem fast vierstündigen Gespräch einen weiteren Dialog mit dem Westen zu. Gleichzeitig forderte Putin, dass die Nato jetzt und nicht erst in der Zukunft eine Mitgliedschaft der Ukraine ausschließen müsse. "Wir wollen keinen Krieg. Deswegen haben wir Vorschläge zur Einleitung eines Verhandlungsprozesses gemacht. Er sollte zu einer Vereinbarung führen, die allen, auch unserem Land, gleiche Sicherheit bietet." Laut Scholz steht eine Nato-Osterweiterung allerdings nicht einmal auf der Tagesordnung. "Das ist wahrscheinlich kein Thema, mit dem wir beide während unserer Amtszeit noch einmal zu tun haben werden. Ich weiß nicht wie lange der Präsident im Amt bleiben will, aber mein Gefühl ist zumindest, dass es länger dauern könnte. Aber nicht ewig." Berichte über einen teilweisen Abzug russischer Soldaten von der ukrainischen Grenze nannte Scholz ein "gutes Zeichen". Die russische Nachrichtenagentur Interfax hatte gemeldet, einige Einheiten würden nach dem Ende ihrer Übung in ihre Stückpunkte zurückkehren. Großangelegte Manöver im ganzen Land würden aber fortgesetzt. Die USA teilten am Nachmittag mit, ihnen lägen noch keine Belege für einen russischen Truppenabzug vor.
Was war denn da mit dem Kanzler los? Olaf Scholz, bekannt für trockenste Statements, reiste in heikler Mission nach Moskau. Ausgerechnet im Angesicht eines möglichen Krieges entdeckte der SPD-Politiker seine launige Ader.

Vielleicht ist es ja gar keine schlechte Taktik. Just im Angesicht eines möglichen neuen Krieges in Europa kann ein Scherz, ein Bonmot die angespannte Atmosphäre aufheitern, womöglich den Knoten lockern. Wenn das seine Intention war, dann hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seinem Besuch in Moskau die allerhöchste Kunst der Diplomatie bewiesen.

Selbst Russlands Präsident Wladimir Putin, der durch den Aufmarsch von mehr als 120.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine die Krise ausgelöst hat, konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen – wenn es auch gequält war. Putin, der bekanntlich gut Deutsch spricht, wird den kleinen Seitenhieb durchaus verstanden haben, den Scholz am Dienstag im Anschluss an das Krisengespräch der Weltpresse mit seinem "schlumpfigen Grinsen" (Zitat CSU-Chef Markus Söder) präsentierte.

Olaf Scholz: Putin im Amt? "Könnte länger dauern, aber nicht ewig"

Bezogen auf die Nato-Osterweiterung und eine von der Ukraine angestrebte Aufnahme in die Nato, die Russland als Bedrohung empfindet, sagte Scholz: "Da ist ja die etwas eigenwillige Situation, dass sie [die Aufnahme der Ukraine in die Nato, Anm. d. Red.] gar nicht ansteht. Sie steht nicht auf der Tagesordnung", wischte der Kanzler den Haupt-Streitpunkt nahezu vom Tisch. Das Thema werde beiden in ihrer Amtszeit kaum noch einmal begegnen. Und dann kam's: "Ich weiß jetzt nicht, wie lange der Präsident vorhat, im Amt zu sein. Ich habe jedenfalls das Gefühl, das könnte länger dauern, aber nicht ewig."

Den Grund für die Krise mal eben auf den Sanktnimmerleinstag verschoben, dem Kontrahenten im eigenen Haus launig einen mitgegeben – kann so Krisenmanagement gehen? Vielleicht werden das Historiker dereinst bewerten. Als Quelle stehen ihnen nicht nur die Video-Aufnahmen der Pressekonferenz in Moskau zur Verfügung, sondern auch das offizielle Transkript des Kanzleramtes. Dort ist der launige Auftritt des Kanzlers höchstoffiziell für die Nachwelt festgehalten.

Quellen: Offizielle Mitschrift der Pressekonferenz; Nachrichtenagenturen

dho