Papst Johannes Paul II. hat am Sonntag vor über 2,5 Millionen Menschen in Krakau Ungläubigkeit in unserer Zeit angeprangert. »Der Mensch lebt, als gäbe es keinen Gott«, sagte er sichtlich erregt bei einer Messe unter freien Himmel. Der Gottesdienst war emotionaler Höhepunkt seiner dreitägigen Reise in die polnische Heimat. Der 82-Jährige, der müde und geschwächt wirkte, war gerührt und wischte sich mehrfach die Augen. Unter dem Jubel der Gläubigen verabschiedete sich er sich mit den Worten: »Auf Wiedersehen. Aber das liegt völlig in Gottes Hand.«
Viele Gläubige in Polen fürchten allerdings, dass es der letzte Besuch »ihres« alten und kranken Papstes in der Heimat gewesen sein könnte. Am Abend stand dem Papst mit einem Gebet am elterlichen Grab auf dem Krakauer Friedhof ein weiteres bewegendes Erlebnis bevor.
Vermächtnis?
Mehrfach sprach Johannes Paul bei seiner Predigt, die teilweise einem Vermächtnis glich, von einem herrschenden »Mysterium des Bösen«. Mit Blick auf die Gen-Technik meinte er: »Der Mensch beansprucht für sich das Recht des Schöpfers, sich in das Mysterium des menschlichen Lebens einzumischen. Er will durch genetische Manipulationen menschliches Leben bestimmen und die Grenze des Todes festlegen.«
Minuten lange Sprechchöre
Die Papstmesse war einer der meist besuchten in den vergangenen Jahren. Die Menschen dankten ihm mit Begeisterung und Minuten langen Sprechchören. An dem Gottesdienst nahmen auch die Staatspräsidenten aus Polen, Litauen und der Slowakei sowie der frühere polnische Staatschef und Arbeiterführer Lech Walesa teil. Zum Abschluss sprach der Papst auch die Gläubigen aus zahlreichen Nachbarländern an. Auf Deutsch sagte er: »Herzlich grüße ich alle deutschsprachige Pilger.« Er erinnerte an seine Zeit als Bischof von Krakau, bevor er vor 24 Jahren zum Papst gewählt wurde.
»Falsche Ideologie der Freiheit«
»Der Mensch versucht auf verschiedene Weise, die Stimme Gottes in den menschlichen Herzen zum Schweigen zu bringen.« Zudem greife er die Familie in ihren Grundfesten an. Folge der Ungläubigkeit sei »Angst vor der Zukunft, vor Leiden, Leere und Zerstörung«. Eindringlich warnte der Papst vor der »falschen Ideologie der Freiheit« ohne Verantwortung. Wie bereits an den Vortagen klagte er Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Ungerechtigkeit in Polen an. Zudem sprach er drei polnische Priester sowie eine Nonne selig, die sich im Zweiten Weltkrieg besonders um Kriegsgefangene in Polen gekümmert hatte.
Triumphzug
Auch der neunte Polenbesuch des Papstes seit Beginn seines Pontifikats 1978 glich einem Triumphzug. Hundertausende säumten die Straßen, um ihm zuzujubeln. Allerdings wirkte der Kirchenführer am Ende der dreistündigen Messe am Sonntag geschwächt und hinfällig. Er sprach mit zitternder Stimme und rang hörbar um Atem. In Vatikankreisen hieß es, vor allem längere Reisen würden wegen seiner schwachen Gesundheit immer unwahrscheinlicher.
1958 zum Bischof geweiht
Karol Wojtyla hat zu Krakau eine ganz besondere Beziehung: Hier studierte er als junger Mann Philosophie und spielte Theater, später besuchte er während der deutschen Besatzung ein geheimes Priesterseminar. 1946 wurde er hier zum Priester, 1958 zum Bischof geweiht. Mehrfach fuhr Johannes Paul bei seinem Besuch an dem Haus vorbei, in dem er nach dem frühen Tod der Mutter mit seinem Vater gelebt hatte, und sprach zu den Gläubigen über seine Erinnerungen in der Stadt.
So erinnerte er bei der Weihe einer Kirche am Samstag etwa daran, wie er unter der Nazi-Herrschaft in einer nahelegenen Chemiefabrik als Zwangsarbeiter gearbeitet und in Holzschuhen in der damaligen Kirche gebetet hatte. »Wer hätte gedacht, dass dieser Mann in den Holzschuhen eines Tages die neue Basilika weihen würde?« Zum Abschluss des Besuchs feiert Johannes Paul am Montag das 400-jährige Bestehen eines Klosters bei Krakau.