Parlamentswahl in Frankreich Schwerer Schlag für Macron: Mitte-Lager verfehlt absolute Mehrheit

Video: Macron verliert absolute Mehrheit im französischen Parlament
STORY: Schwerer Rückschlag für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron: Bei der zweiten Runde der Parlamentswahl hat sein Lager am Sonntag die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung klar verloren. Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge kam Macrons Bündnis auf 245 Sitze. Zwar bleibt es somit stärkste Kraft, verfehlt aber die absolute Mehrheit von 289 Sitzen. Damit wird es für den 44-jährigen Macron, der sich auch eine stärkere Integration Europas auf die Fahnen geschrieben hat, künftig schwerer, seine Vorhaben umzusetzen. Eine Regierungssprecherin sagte, man werde nun mit allen moderaten Parteien sprechen und wende sich an jene, "die das Land voranbringen wollen". Das Links-Bündnis Nupes um Jean-Luc Mélenchon kann im neuen Parlament auf 147 Sitze hoffen, die extreme Rechte um Marine Le Pen auf 90 - so viele wie nie zuvor. Le Pen kündigte am Abend an, sie wolle ein Bündnis von "Patrioten" aus dem rechten und dem linken Lager schmieden. Das Ergebnis könnte auch ein politisches Patt bis hin zu Neuwahlen nach sich ziehen. Die für Deutschland übliche Konstellation, dass eine Koalition zur Bildung einer stabilen Regierung ausgehandelt werden muss, hat es in Frankreich seit Jahrzehnten nicht gegeben. Letztmals hatte 1988 ein Präsident die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung verfehlt.
Schwere Schlappe für Präsident Macron: Bei der Parlamentswahl hat er die absolute Mehrheit klar verfehlt. Für seine politischen Vorhaben muss er sich nun Unterstützung jenseits des eigenen Mitte-Lagers suchen. Massiven Zuwachs hat die rechtsnationale Partei von Le Pen.

Frankreichs wiedergewählter Präsident Emmanuel Macron hat mit seinem Mitte-Lager nach Hochrechnungen die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung klar verfehlt. In der Endrunde der Parlamentswahl am Sonntag kamen die Liberalen demnach auf 210 bis 250 der 577 Sitze. Das neue linke Bündnis angeführt von Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon wird mit 150 bis 180 Sitzen im Parlament vertreten sein. Für die absolute Mehrheit wurden mindestens 289 Sitze benötigt.

Das Ergebnis ist ein schwerer Schlag für Macron, dessen Lager derzeit noch die absolute Mehrheit im Parlament hat. Denn normalerweise wird die kurz nach der Präsidentschaftswahl abgehaltene Parlamentswahl als Bestätigung gesehen, so dass oft die gleiche politische Kraft mit absoluter Mehrheit siegt. Einen enormen Erfolg verbuchen hingegen das neue Linksbündnis, das damit als mächtigste Oppositionsgruppe mehr Einfluss erhält.

Einen spektakulären Zuwachs verbucht nach den Hochrechnungen die rechtsnationale Partei Rassemblement National, deren Spitzenkandidatin Marine Le Pen Macron in der Endrunde der Präsidentschaftswahl unterlegen war. Sie kam auf 80 bis 100 Sitze, mindestens zehn Mal so viel wie bisher, und wird damit voraussichtlich drittstärkste Kraft im Parlament.

Die bisher stärkste Oppositionskraft im Parlament und traditionelle Volkspartei der Republikaner plus Verbündete kamen auf 60 bis 78 Sitze, eine herbe Schlappe. Allerdings könnte die Regierung von Macron sich bei der Suche nach Unterstützung im Parlament nun möglicherweise verstärkt an die bürgerlich-konservativen Républicains halten.

Für Macron dürfte das Regieren nun schwieriger werden

Bei der Parlamentswahl ging es für Macron darum, ob er seine Vorhaben auch in seiner zweiten Amtszeit wird umsetzen können. Dafür benötigt er eine Mehrheit im Parlament. Mit einer nun nur noch relativen Mehrheit sind Präsident und Regierung gezwungen, Unterstützung aus den anderen Lagern zu suchen. So eine Regierung gab es zuletzt unter François Mitterrand (1988-1991).

Auch wenn viele Franzosen unzufrieden mit Macrons erster Amtszeit waren, profitierte der 44-Jährige davon, dass die Parlamentswahl in Frankreich als Bestätigung der Präsidentschaftswahl empfunden wird. So nehmen traditionell vor allem Unterstützer des Gewinners an der Abstimmung teil, andere bleiben häufig zu Hause.

Zum Nachteil des Linksbündnisses war das komplizierte Wahlsystem, das zu teils gravierenden Unterschieden zwischen prozentualem Stimmanteil und der Sitzverteilung führt. Dabei zählen am Ende nur die Stimmen für den Gewinner im jeweiligen Wahlkreis.

Trotz nur noch relativer Mehrheit für das Macron-Lager werden Deutschland und Europa am Ende weiter mit einem verlässlichen Partner Frankreich rechnen können. Auch wird Frankreich im Ukraine-Konflikt zweifelsohne fester Bestandteil der geschlossenen Front des Westens gegen den Aggressor Russland bleiben.

In Frankreich warten wichtige Projekte auf die Umsetzung: Angemahnt werden Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitswesen, die Menschen warten auf Kaufkrafthilfen in der Krise und viele wollen energischere Schritte in der Klimakrise. Außerdem will Macron eine umstrittene Rentenreform durchziehen, die Franzosen sollen länger arbeiten.

Die Wahl war auch ein Fernduell zwischen zwei sehr unterschiedlichen politischen Charakteren. Auf der einen Seite der 44-jährige eloquente Präsident und Ex-Investmentbanker Macron. Auf dem internationalen Parkett agiert er als souveräner Staatslenker, auf nationaler Ebene kämpft er jedoch mit einem Image als arroganter Elitepolitiker. Ihm gegenüber stand das linke Urgestein Mélenchon, ein gewiefter Linksideologe und Stratege, der sich als Fürsprecher des Volks und der sozialen Gerechtigkeit sieht.

DPA · AFP
fs