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In der Nähe von Energieinfrastruktur Nachts mit James-Bond-Ausrüstung auf Bernsteinsuche? Vorfall vor polnischer Ostseeküste wirft Fragen auf

Die Naftoport-Anlage im Hafen von Danzig ist für die Energieversorgung des Polens wichtig (Archivbild)
Die Naftoport-Anlage im Hafen von Danzig ist für die Energieversorgung Polens wichtig (Archivbild)
© Dominik Kulaszewicz / PAP / Picture Alliance
Was machen drei Männer mitten in der Nacht, bei rauer See und mit professioneller Tauchausrüstung vor der Küste Polens auf der Ostsee? An den Angaben der Männer gibt es Zweifel – nicht zuletzt, weil sie in der Nähe von kritischer Infrastruktur unterwegs waren.

Ein mysteriöser Vorfall auf der polnischen Ostsee schreckt die Sicherheitsbehörden des Landes auf – allerdings offenbar zu spät. Möglicherweise waren Saboteure in der Nähe eines geplanten Gasterminals am Werk, die Untersuchungen laufen.

Auslöser war ein nächtlicher Einsatz von polnischen Seenotrettern am vergangenen Wochenende. Ein Motorboot mit drei Männern an Bord war den Angaben zufolge drei Seemeilen vor der Küste Danzigs bei rauen Verhältnissen manövrierunfähig und konnte nicht mehr zum Land zurückkehren. Mit an Bord hatten die Männer neben üblicher Tauchausrüstung auch einen Unterwasserscooter, mit dem Taucher sich schnell und unauffällig über größere Distanzen durchs Wasser ziehen lassen können – James Bonds "Thunderball" lässt grüßen.

Zurück an Land erklärten die Geretteten demnach, sie seien spanische Taucher und auf der Suche nach Bernstein gewesen. Die polnischen Behörden fanden sich mit der Erklärung ab und ließen die Männer laufen. Sie sollen Polen inzwischen verlassen haben, wie unter anderem der US-Sender CBS unter Berufung auf polnische Medien berichtete.

Mysteriöser Taucher-Vorfall vor der Küste Danzigs

Inzwischen sind jedoch große Zweifel an der Version der Schiffbrüchigen aufgetreten, die den Verdacht einer Geheimoperation in polnischen Gewässern nähren.

So sei es vollkommen unüblich, in der Dunkelheit, bei starkem Wind, hohen Wellen und rund drei Grad Wassertemperatur nach Bernstein zu suchen. "In meiner zwölfjährigen Laufbahn bei der Seenotrettung habe ich so etwas noch nicht erlebt", zitierte CBS einen Sprecher der Retter. Auch der Einsatz eines Unterwasserscooters zur Bernsteinsuche wird als unzweckmäßig beschrieben, da dieser den Meeresboden aufwirbelt und die Sicht verringert.

Ebenfalls stelle sich die Frage, warum die Schiffbrüchigen bei den herrschenden Bedingungen mehrere Stunden lang gewartet haben, bis sie um Hilfe gerufen haben. Ihr unregistriertes Boot habe nicht einmal die vorgeschriebene Navigationsbeleuchtung gehabt, berichtete der polnische Fernsehsender TVN24. UV-Lampen, die man für die nächtliche Suche nach Bernstein benötigen würde, seien ebenfalls nicht an Bord gewesen.

Bei der späteren Überprüfung seien weitere Ungereimtheiten aufgefallen: Die geretteten Männer waren demnach weder berechtigt, ihr rund vier Meter langes Boot zu führen, noch hatten sie die Lizenz zum Tauchen.

Dass sich nur einer von ihnen – mit einem angeblichen spanischen Pass – habe ausweisen können und die beiden anderen lediglich falsche Telefonnummern zu ihrer Identifizierung angegeben haben sollen, sei eine weitere Merkwürdigkeit.

Was die polnischen Behörden im Nachhinein jedoch besonders aufschreckt, ist der Ort, zu dem die Seenotretter gerufen wurden – in unmittelbarer Nähe der Naftoport-Anlage im Danziger Hafen, dem größten Polens. Diese spielt für die Erdölversorgung Polens, aber auch der Raffinerie Schwedt in Brandenburg, eine wichtige Rolle. Und dort in der Danziger Bucht soll seit vergangenem Sommer auch ein schwimmendes Flüssiggasterminal inklusive Leitungen zum Festland entstehen, das die Energiesicherheit in Zentralpolen gewährleisten soll. Danzig liegt nur rund 60 Kilometer westlich der russischen Exklave Kaliningrad, was in Zeiten des Ukraine-Kriegs zusätzlich die Spekulationen über die wahren Absichten der drei Taucher hochkochen lässt.

Polen prüfen mögliche Sabotage-Planung

"Der Vorfall ist es wert, untersucht zu werden", sagte ein früherer polnischer Spionageabwehroffizier der Webseite "InfoSecurity24.pl". Die Erklärungen der Geretteten seien "mindestens bizarr". Neben einer möglichen geheimen Operation im Zusammenhang mit Polens kritischer Infrastruktur hält der Experte jedoch auch Aktivitäten von Drogenschmugglern für eine mögliche Erklärung des ungewöhnlichen Vorgangs vor Danzig.

Denn der Vorfall weckt unwillkürlich Erinnerungen an die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines im September vor der dänischen Ostseeinsel Bornholm. Dort wird Sabotage, auch unter Einsatz von Tauchequipment, vermutet. Wer hinter dem Anschlag steckt, ist jedoch weiterhin nicht bekannt. Es wird von staatlichen Akteuren ausgegangen. Die drei Pipeline-Stränge sind womöglich unwiderruflich zerstört.

Was jedoch hinter dem jüngsten Taucher-Vorfall auf der polnischen Ostsee steckt, ist auch Tage später noch vollkommen unklar: Eine Geheimdienstoperation, Kriminelle oder tatsächlich harmlose Bernsteintaucher?

Mittlerweile nehmen die polnischen Sicherheitsbehörden den Vorfall ernster als in den Stunden nach der Seenotrettung – in polnischen Medien gibt es Kritik an deren bisherigem Vorgehen. Die Polizei kündigte Untersuchungen an.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte laut Nachrichtenagentur Associated Press einen umfangreichen Geheimdienstbericht an. "Natürlich kann es sein, dass es gefährliche Menschen waren, aber es kann sich ebenso herausstellen, dass dies keine gefährlichen Menschen waren und dass das, was sie erklärt haben, wahr ist", sagte der Politiker. Er will den Schutz der kritischen Infrastruktur des Landes überprüfen lassen.

Quellen: CBS, TVN24"InfoSecurity24.pl", Polnische Seenotrettung, Gas-Pipeline Kolnik – Danzig, Asscoiated Press

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