Zum zweiten Jahrestag der ersten Kampfhandlungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine werden an diesem Samstag in Kiew mehrere ranghohe westliche Politiker erwartet. Konkrete Namen wurden im Vorfeld nicht öffentlich genannt. Nach offiziell unbestätigten Medienberichten wurden aber unter anderem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie der belgische Regierungschef und amtierende EU-Ratsvorsitzende Alexander De Croo erwartet. Außerdem gibt es zahlreiche Gedenkveranstaltungen – auch weit über das angegriffene Land hinaus. In Deutschland etwa wollen Menschen ihre Solidarität mit der Ukraine unter anderem bei Kundgebungen in Berlin, Hamburg und Köln zum Ausdruck bringen.
Präsident Selenskyj hofft weiterhin auf tatkräftige Unterstützung
Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft unterdessen weiter auf tatkräftige Unterstützung seines Landes aus dem Westen. Nach der Unterzeichnung eines Sicherheitsabkommens mit Dänemark traf er sich am Freitag in Lwiw mit einer Delegation des US-Senats und unterstrich die Bedeutung eines noch im Repräsentantenhaus in der Schwebe hängenden Milliarden-Hilfspakets für die Schlagkraft der ukrainischen Armee. Die Kämpfe gehen auch nach zwei Jahren unvermindert weiter.
So kommentieren Zeitungen die Lage in der Ukraine:
"De Volkskrant": "Es wäre möglich, Russland in der Ukraine militärisch in die Enge zu treiben; entsprechende Vorschläge sind hinlänglich bekannt. Schon heute könnten die europäischen Länder viel mehr tun, wenn sie nur wollten - dass sie es nicht tun, ist eine Schande. (…) Nicht die Stärke Russlands, sondern unsere Schwäche ist die Hauptgefahr - und dafür könnte die Ukraine vor allem in diesem Jahr einen hohen menschlichen Preis zahlen. (...) Es ist noch nicht zu spät - aber sind wir uns des Ausmaßes der historischen Herausforderung bewusst, vor der außer der Ukraine alle freiheitsliebenden Länder Europas stehen?"

"The Guardian": "Seit Februar 2022 sind mindestens 10 000 Zivilisten und Zehntausende ukrainische Soldaten (sowie Zehntausende russische Soldaten) ums Leben gekommen. Schätzungsweise 3,7 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes vertrieben worden, und mehr als 6,3 Millionen sind ins Ausland geflohen. Familien und Häuser wurden zerstört und Leben entwurzelt. (...) Für die meisten Ukrainer gibt es jedoch kaum eine andere Wahl, als weiterzukämpfen. Nur wenige glauben, dass man Moskau zutrauen kann, sich an eine Einigung zu halten. Das größere Problem ist die Kriegsmüdigkeit im Ausland - so befremdlich das den Ukrainern angesichts der Tortur, die sie durchleiden, auch erscheinen mag. Der Schock über die Invasion und die Bewunderung für die ukrainische Tapferkeit sind mit der Zeit abgeklungen. Die Erkenntnis, dass es keinen einfachen Sieg geben wird, der Krieg im Nahen Osten und die Krise der Lebenshaltungskosten beanspruchen die Aufmerksamkeit der westlichen Staats- und Regierungschefs und verringern in ihren jeweiligen Ländern die Bereitschaft zur Hilfeleistung. (...) Wichtig ist aber vor allem, dass die Ukraine trotz des immensen menschlichen Leids weiterkämpft. Europa und die USA müssen ihre Zusagen einhalten, um sicherzustellen, dass Kiew die Hilfe erhält, die es dafür braucht."
"La Stampa": "Nach zwei Jahren sind Ukrainer und Russen wieder auf dem Nullpunkt des Konflikts angelangt. Sie haben ihre von Anfang an unerreichbaren Ziele aufgegeben und sie durch ein leeres Gebilde ersetzt. Für beide kann der Sieg nur die Vernichtung des Feindes bedeuten. Und wenn er nach einem Waffenstillstand gefragt wird (aber wer tut das schon?), antwortet jeder von ihnen voller Verachtung mit dem überwältigenden Argument von Homers Athena: Die Toten wollen ihn nicht."
"Financial Times": "Um den Zermürbungskrieg gegen das wiedererstarkende russische Militär fortzusetzen, muss Präsident Selenskyj die politische Verantwortung für Bemühungen übernehmen, bis zu einer halben Million Ukrainer zu mobilisieren, indem er das Wehrdienstalter senkt und es schwieriger macht, sich der Wehrpflicht zu entziehen. Er wird den Übergang zu einer Strategie der aktiven Verteidigung vorantreiben müssen, die darauf abzielt, die Frontlinien zu halten, während sich seine Streitkräfte für eine Gegenoffensive im Jahr 2025 neu formieren, ohne dabei Verluste zu erleiden, die ihre Chancen schmälern könnten. (...) All dies könnte vergeblich sein, wenn die Verbündeten der Ukraine nicht die Waffen zur Verfügung stellen, die sie braucht, um Russland in diesem Jahr zu widerstehen - vor allem Luftabwehr, Artillerie und Drohnen. (…) Der US-Senat hat zwar zusätzliche 60 Milliarden Dollar für militärische und wirtschaftliche Hilfe für die Ukraine bewilligt, aber die Aussichten für die Gesetzesvorlage im Repräsentantenhaus bleiben ungewiss. Von ihrer Annahme könnte entscheidend abhängen, ob es Kiew gelingt, die russischen Streitkräfte weit genug zurückzudrängen, um über ein Ende des Krieges zu verhandeln - und Putin von weiteren Angriffen auf die Ukraine oder andere Länder abzuhalten."
"De Telegraaf": "Die Ukraine erhält zwar weitere 50 Milliarden Euro von der EU, aber in den USA stößt ein umfangreiches Hilfspaket weiterhin auf den Widerstand der Republikaner. Derweil läuft Präsident Putins Rüstungsindustrie auf Hochtouren, auch dank des Irans und Nordkoreas. Mithilfe dieser Länder wollen die Russen 300 000 Drohnen produzieren. Erst kürzlich lieferte Teheran 400 Raketen an Russland. Zwei Jahre nach dem Beginn von Putins Krieg gegen die Ukraine geht es in den westlichen Hauptstädten vor allem um neue Sanktionen. Der Tod des Oppositionsführers Nawalny wird als zusätzlicher Grund für die Bestrafung des Kremls angeführt. Doch die bisherigen Sanktionen haben den Russen kaum geschadet. Die Aufrüstung geht ungebremst weiter, während es der Ukraine an Geld mangelt."