Es sind deutliche und drastische Worte, die die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin bei einem Besuch in Australien wählte, als es um die Situation Europas im russischen Krieg gegen die Ukraine ging.
"Ich muss sehr ehrlich sein, brutal ehrlich mit Ihnen, Europa ist im Moment nicht stark genug", sagte sie am Freitag in einer Rede am Lowy Institute in Sydney. Ohne die Vereinigten Staaten wären Europa und die EU ihrer Einschätzung nach "in Schwierigkeiten". Der russische Angriff auf die Ukraine habe europäische Schwächen und strategische Fehler offenbart.
Marin: "Hätten auf Polen und Baltikum hören sollen"
"Europa hat seit Langem strategisch engere Wirtschaftsbeziehungen zu Russland aufgebaut", sagte die Regierungschefin bei einer Veranstaltung der Denkfabrik. "Wir haben geglaubt, dass dies einen Krieg verhindern würde." Diese Annahme habe sich als völlig falsch herausgestellt.
"Wir hätten viel früher auf unsere baltischen und polnischen Freunde hören sollen", so Marin. Die richtige Lektion für Europa sei der Aufbau strategischer Autonomie in Schlüsselsektoren, beispielsweise in der Verteidigungsindustrie.
"Wir müssen gewährleisten, dass wir diese Fähigkeiten auch in Hinsicht auf die europäische Verteidigung und die europäische Verteidigungsindustrie aufbauen und dafür sorgen, dass wir in verschiedenen Situationen bestehen können", sagte sie. Marin betonte, die Besetzung der Ukraine durch Russland habe gezeigt, wie wichtig eine engere Zusammenarbeit zwischen demokratischen Ländern sei.
Ukraine müsse "alles gegeben werden"
Wenn es um Waffenlieferungen und humanitären Beistand für die Ukraine gehe, hätten die USA bislang die größte Rolle gespielt. Der Ukraine müsse "alles gegeben werden", um den Krieg zu gewinnen, fügte die 37-Jährige hinzu, wie der finnische Rundfunk Yle berichtete.
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Finnland hielt sich Jahrzehnte lang politisch neutral. Nach Ausbruch des Ukraine-Krieges beantragte Finnland gemeinsam mit Schweden die Aufnahme in die Nato. Die meisten Mitgliedsstaaten haben bisher ihr Ok für eine Norderweiterung des Verteidigungsbündnisses gegeben. Mit einer Zustimmung Ungarns wird im kommenden Jahr gerechnet; mit der Türkei wird wegen Differenzen noch verhandelt.
Bei Marins Australienreise stand auch ein Treffen mit Premierminister Anthony Albanese auf dem Programm. Zuvor hatte sie als erste finnische Ministerpräsidentin überhaupt Neuseeland einen Besuch abgestattet und dort Premierministerin Jacinda Ardern getroffen.