Vor zwölf Jahren gelang den Schwedendemokraten ein erster wichtiger Sieg, als sie mit 5,7 Prozent in das schwedische Parlament einzogen. Damals waren die rechtsnationalen Populisten eine kleine Partei, die anderen Parteien noch nicht mal mit der Kneifzange anfassen wollten. Der Grund: Die Schwedendemokraten haben ihren Ursprung im rechtsextremen, neo-nazistischen Milieu.
Zwölf Jahre später gelingt den Rechtspopulisten mit ihrem Parteichef Jimmie Åkesson ein neuer Stunt: Mehr als 20 Prozent erreicht die Partei mit dem blau-gelben Blumenlogo, womit sie auf Platz zwei hinter den Sozialdemokraten liegt. Das beste Ergebnis bislang. Und ein Ergebnis mit Ansage.
Während sich die Schwedendemokraten freuen, bangen die anderen Parteien noch. Denn es herrscht ein denkbar knappes Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem der Sieger noch lange nicht feststeht.
Hauchdünne Mehrheit für rechtes Lager
Erste exit polls zeigten kurz nach Schließung der Wahllokale eine Mehrheit für den rot-grünen Block der regierenden Sozialdemokraten, Grünen, Zentrumspartei und Linkspartei. Doch inzwischen hat das rechte Lager die Nase ein Stück weit vorn.
Nach Auszählung von rund 95 Prozent der Wahlbezirke kam das rechte Lager – bestehend aus Liberalen, Konservativen, Christdemokraten und Schwedendemokraten – auf 49,7 Prozent der Stimmen und damit auf 175 der insgesamt 349 Mandate im Parlament. Das Linksbündnis, angeführt von Ministerpräsidentin Magdalena Andersson, kommt derweil auf 48,8 Prozent – und 174 Mandate.
Aufgrund dieses Beinahe-Gleichstandes rechnet die Wahlkommission erst am Mittwoch mit dem endgültigen Ergebnis, wenn auch alle Vorabstimmen sowie die Voten aus dem Ausland ausgezählt sind. Es könnte aber auch erst am Donnerstag kommen, berichtet der schwedische Fernsehsender SVT.
Andersson, deren Sozialdemokraten mit über 30 Prozent stärkste Kraft im Parlament bleiben, rief die Bürgerinnen und Bürger auf, "Geduld zu haben" und "der Demokratie ihren Lauf zu lassen". "Heute werden wir noch kein Endergebnis haben", betonte sie.

Regierungsbildung wird in Schweden schwierig
Oppositionsführer Ulf Kristersson wies ebenfalls auf den noch offenen Ausgang hin, erklärte sich jedoch bereits bereit, "eine neue und starke Regierung zu bilden".
Genau das könnte sich aber als schwierig erweisen. Zwar hatte das Rechtslager aus Kristerssons Moderaten, Christdemokraten und Liberalen vor der Wahl mit dem Tabu gebrochen, nicht mit den rechtsradikalen Schwedendemokraten zu kooperieren, indem man ein Bündnis einging. Doch schon bevor überhaupt ein endgültiges Wahlergebnis feststeht, droht eine rechte Regierungsmehrheit zu bröckeln.
"Unser Ziel ist es, in der Regierung zu sitzen. Unser Ziel ist eine Mehrheitsregierung", sagte der Parteivorsitzende Jimmie Åkesson. Es sehe "verdammt gut aus". Parteisekretär Richard Jomshof sagte SVT, die Schwedendemokraten hätten zum ersten Mal eine echte Chance, aktiver Teil einer neuen Regierung zu sein, die die Politik "in eine ganz andere Richtung führt".
Da wird es aber schon schwierig. Denn die Liberalen sperren sich gegen eine Regierung mit Schwedendemokraten. "Die Liberalen lassen die Schwedendemokraten nicht in die Regierung", sagte die Liberale Karin Karlsbro am Montagmorgen im schwedischen Radiosender P1. Es drohen sehr langwierige und schwierige Regierungsverhandlungen.
So oder so: Die Schwedendemokraten sind der Sieger der Wahl. Nicht nur wegen des guten Ergebnisses, sondern auch, weil ohne sie erstmal nichts geht.
Schwedendemokraten bekommen enormen Einfluss
Sollten die Rechtsnationalen in die Regierung kommen, wären sie die größere Regierungspartei und hätten starken Einfluss auf die Arbeit. Gehen sie nicht in eine rechte Regierung, wäre diese aber auf die Unterstützung der Schwedendemokraten angewiesen. Auch so hätten die Rechtspopulisten einen großen Einfluss. Und bei einer sozialdemokratischen Regierung würden die Schwedendemokraten als größte Oppositionspartei ein gewaltiges Pfund im Parlament sein.
Dass diese Partei es überhaupt so weit gebracht hat, lag an ihren Stammthemen, welche den Wahlkampf bestimmten: Einwanderung, Probleme bei der Integration, Kriminalität. In ihrer rund 30-jährigen Geschichte drehte es sich programmatisch hauptsächlich um Einwanderung, allen voran "außereuropäische Einwanderung". Sie wurde für viele Problembereiche als angebliche Ursache benannt: Arbeit, Renten, Bildung, Kriminalität.
Gerade Letzteres ist in Schweden ein enormes Problem. In dem skandinavischen Land wird jede Woche mindestens ein Mensch getötet. Setzt man das in Relation zur Bevölkerung (mehr als zehn Millionen), ist das Schweden Spitzenreiter in Europa. Meist geht es bei den Gewalttaten um Drogen oder Rache.
"In kulturellen Fragen werden sie die anderen Parteien vor sich hertreiben"
Genau bei diesem Thema wollen die Schwedendemokraten viel verändern. Sie wollen mehr Investitionen in die Justiz. Mindestens 20 Milliarden schwedische Kronen, mehr als 1,8 Milliarden Euro, umgerechnet. Dieser Punkt sei eine "ultimative Voraussetzung" für eine Regierungsbeteiligung, sagte Åkesson vor der Wahl.
Die Schwedendemokraten könnten zudem bei der Einwanderung weitere Verschärfungen fordern, bis hin zur Null-Einwanderung, meint Jonas Hinnfors, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Göteborg. Ihm zufolge würden die Rechtsnationalisten da aber nicht aufhören. Ein starker Einfluss der Schwedendemokraten hätte auch für Medien, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Kultur im weitesten Sinne Folgen.
"Wir sollten ihre langfristigen Ansichten nicht unterschätzen, die sich in Richtung Nationalismus bewegen. In kulturellen Fragen werden sie die anderen Parteien vor sich hertreiben. Aber wie viel, das ist schwer zu sagen."
Quellen: SVT, "Aftonbladet", Sveriges Radio, Valmyndigheten, Nachrichtenagentur AFP