Serbien-Montenegro Die Rückkehr der Gewalt

Die Antriebskräfte der immer neuen Gewalt in der von Belgrad abtrünnigen Provinz Kosovo sind seit Jahrzehnten die gleichen geblieben. Wirtschaftsmisere und wiederauflebender Nationalismus auf beiden Seiten lassen die Region nicht ruhen.

Die schweren ethnischen Auseinandersetzungen zwischen Albanern und Serben haben das von Belgrad abtrünnige Kosovo einmal mehr ins Chaos gestürzt. Dabei sind die Antriebskräfte der immer neuen Gewalt seit Jahrzehnten die gleichen geblieben. Die Wirtschaftsmisere und der aufgepeitschte Nationalismus auf beiden Seiten lassen die südserbische Provinz nicht zur Ruhe kommen und verhindern jede Zukunftsperspektive dieser Region.

Die Wirtschaft in Serbien und im Kosovo liegt ohne Unterschied am Boden. Ausländische Investoren werden durch die instabile Sicherheitslage abgeschreckt. Politiker und Behörden der Serben und Albaner haben sich nicht zu tief greifenden Reformen durchringen können. Die Folgen sind eine Rekordarbeitslosigkeit, eine hohe Staatsverschuldung und viele Betriebe, die ökonomisch weder leben noch sterben können.

Trostlose Lage für viele Jugendliche

Vor allem für die vielen jungen Menschen ist die Lage trostlos. Die Zeitungen schreiben regelmäßig über die "verlorene Generation" der 30- oder der 40-Jährigen. Die vielen Studenten müssen selbst nach einer guten Ausbildung ihr Auskommen als Kellner, Taxifahrer oder Tankwart finden.

Seit vielen Jahren versuchen daher die meisten jungen Intellektuellen, möglichst schnell ihre Heimat zu verlassen. Viele junge Erwachsene sind wegen der Visumspflicht überhaupt noch nie in ihrem Leben im Ausland gewesen. Sie können die Lage in Serbien oder im Kosovo daher nicht mit eigenen Erfahrungen in westlichen Staaten vergleichen. Sie glauben der nationalistischen Propaganda leicht.

Schuld haben wieder die anderen

Vor diesem Hintergrund fallen die Hetz-Parolen auf fruchtbaren Boden. Regelmäßig führen die Medien und Politiker die jeweils andere Seite als Schuldige für die Misere des eigenen Volkes ins Feld. Folgerichtig werden auch die jüngsten Gewaltorgien von jungen Leuten getragen. In Kosovska Mitrovica bildeten sie die "Speerspitze" der albanischen Menge. In Belgrad randalierten am Donnerstag Tausende Mittelschüler, die Morddrohungen ausstießen und wahllos Botschaften mit Steinen bewarfen.

Da der Lebensunterhalt nicht mit "normaler" Arbeit zu verdienen ist, blüht die Kriminalität. Prostitution, Waffen- und vor allem Rauschgifthandel sowie Schmuggel jeder Art ernährt eine nicht kleine Bevölkerungsschicht. Dass sich der Staat in der Vergangenheit mit diesen Mafia-Kreisen zusammengeschlossen hatte, hat die Kriminalisierung der Gesellschaft noch gefördert.

Hoffnungslosigkeit und wenig Lösungsansätze

So einig sich ausländische und einheimische Analytiker über die Ursachen dieser Hoffnungslosigkeit sind, so wenig gibt es Lösungsansätze, die von Serben und Albanern auch nur entfernt akzeptiert werden könnten. Auch der UN-Verwaltung im Kosovo ist es in den letzten fünf Jahren nicht gelungen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Im Gegenteil. Die UN-Verwalter sehen sich inzwischen von Serben und Albaner angefeindet.

DPA
Thomas Brey