So, Papa erzählt vom Krieg, würde Stromberg sagen, weil Büro ist ja auch Krieg. Aber hier geht es jetzt wirklich um den Krieg, um die Zeit vor dem Krieg sogar, um genau zu sein. Es ist Herbst 2009, ich bin Student in einem Syrien, das schon damals “Al-Assads” Syrien war, wie es auf einigen Plakaten stand, die groß und unübersehbar in den Straßen hingen und in den Fußballstadien. Die zeigten den jungen Präsidenten Baschar al-Assad, den heute international viele als einen schlimmen Diktator ansehen, wie er von den Plakaten gütig herunter auf seine Kinder – sein Volk – blickte, lächelte und winkte. Sein eigener Vater war erst ein paar Jahre vorher gestorben und so wurde Assad junior plötzlich selbst zum Präsidenten, in guter alter Familientradition.
Aufrichtige Zuneigung oder Angst vorm Geheimdienst?
Im Land gab es Statuen von Assad senior, wie es auch in Libyen Statuen von Muammar Gaddafi und im Irak Statuen von Saddam Hussein gab. Der Personenkult ist ja auch heute noch in anderen Ländern vollends ausgeprägt, wenn Wladimir Putin etwa mit nacktem Oberkörper durch die sibirische Steppe reitet oder Grünen-Chef Robert Habeck mit aufgeknöpftem Hemd und verwegenen Haaren eine Kuh streichelt. Dahinter steckt ja auch so eine Unzufriedenheit mit den Umständen und ein Heilsversprechen wie beim klassischen Heiratsschwindler. Nur, dass bei den Diktatoren noch Geheimdienste hinzukommen.
Die Liebe meiner syrischen Vermieterin zu Assad konnte ich mir daher nur schwer erklären. War es eine aufrichtige Zuneigung oder die Angst vor dem Machtapparat? Jedenfalls war sie so innig, dass sie nichts auf ihn kommen ließ. Gar nichts, was auf der Toilette zum Problem wurde.
Das Päsidenten-Bild wurde immer herausgeschnitten
Denn das große Problem von Madame Hayat, wie sie sich selbst immer zu bezeichnen pflegte, war auch ihre ausgesprochene Knauserigkeit. Wir lebten in einem wunderbar alten Haus in der Altstadt von Damaskus. Im Hof stand ein Orangenbaum an einem Brunnen. Die Zimmer der Studenten lagen ringsum.
Aber im Winter gab es kein Öl für die Öfen – ich sag doch, Papa erzählt vom Krieg – und auch kein Toilettenpapier. Nachts musste man im Dunkeln über den Hof huschen, ein wenig Wasser aus dem Brunnen schöpfen, wenn man aufs Klo wollte. Aber im Grunde hatte Mme Hayat ein gutes Herz und hängte uns alte Zeitungen an einen Nagel für die Notdurft. Aber Fäkalien im Gesicht des Vaters der Nation? Unmöglich! Also schnitt sie sorgfältig aus jedem Blättchen Papier alle Bilder aus, die den Präsidenten zeigten. Am Ende blieben nur noch Fetzen übrig.