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Geschlagen, beleidigt, bedroht "So werde ich sterben": Polizisten schildern Erstürmung des US-Kapitols

Geschlagen, beleidigt, bedroht: "So werde ich sterben": Polizisten schildern Erstürmung des US-Kapitols
Sehen Sie im Video: Sturm aufs Kapitol  – "Beschämend!" – Polizist macht US-Politikern bei Zeugen-Aussage schwere Vorwürfe.




Untersuchungsausschuss im Repräsentantenhaus am Dienstag in Washington D.C. - Zum ersten Mal sagen vier Polizisten zum Sturm auf das US-Kapitol, der am 6. Januar stattfand, aus. Unter ihnen ist auch der Beamte Michael Fanone, der schildert, wie groß die Belastung ist, mit der er nun leben muss. Und er macht Politikern, die die Ereignisse herunterspielen wollen, schwere Vorwürfe: "Was mein Leid noch schwieriger und schmerzhafter macht, ist das Wissen, dass so viele meiner Mitbürger, einschließlich der Menschen, für deren Verteidigung ich mein Leben aufs Spiel gesetzt habe, die Geschehnisse herunterspielen oder schlichtweg leugnen. Ich fühle mich, als wäre ich durch die Hölle und zurück gegangen, um die Menschen in dem Raum zu schützen. Aber zu viele sagen mir jetzt, dass es diese Hölle nicht gegeben habe oder dass es gar nicht so schlimm gewesen sei. Diese Gleichgültigkeit meinen Kollegen gegenüber ist BESCHÄMEND!" Fanone erklärte auch, er habe einen Randalierer sagen hören: Tötet ihn mit seiner eigenen Waffe. Er sei bewusstlos geschlagen worden und die Ärzte hätten ihm später gesagt, er habe einen Herzinfarkt erlitten. Anhänger des damaligen US-Präsidenten Donald Trump hatten am 6. Januar den Sitz des US-Kongresses in Washington erstürmt. Dabei kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist.

Die Szenen des Gewaltausbruches vom US-Kapitol haben sich in das amerikanische Gedächtnis eingebrannt. In einem Untersuchungsgremium im Repräsentantenhaus berichten nun mehrere Polizisten, was sie in jenen Stunden am 6. Januar durchgemacht haben.

"Kämpfe Mann gegen Mann" und "mittelalterliche Schlacht": Mit schockierenden Schilderungen und teils unter Tränen haben US-Polizisten in der ersten Sitzung des Untersuchungsausschusses des Repräsentantenhauses zur Erstürmung des Kapitols das Ausmaß der Gewalt am 6. Januar geschildert. Zu Beginn der Anhörungen am Dienstag wurden zudem haarsträubende Videos der Angriffe von Unterstützern Donald Trumps auf Mitglieder der Kapitol-Polizei gezeigt.

Die Erstürmung des Kapitols habe "etwas von einer mittelalterlichen Schlacht" gehabt, sagte der Polizist Aquilino Gonell. "Wir haben Mann gegen Mann gekämpft, Zentimeter um Zentimeter, um eine Invasion des Kapitols zu verhindern". Unter Tränen fügte er hinzu, er habe damals gedacht: "So werde ich sterben, bei der Verteidigung dieses Eingangs". Gonell wurde während der mehrstündigen Erstürmung des Kapitols von bewaffneten Angreifern verprügelt und verletzt. 

Aquilino Gonell, Polizist der Bundespolizei "United States Capitol Police Department"
Aquilino Gonell, Polizist der Bundespolizei "United States Capitol Police Department" (USCP), weint beim Anblick eines Videos bei der Anhörung des Untersuchungsausschusses zur Aufarbeitung der Attacke auf das US-Kapitol vom 6. Januar
© Andrew Harnik/AP Pool / DPA

Polizist über Sturm auf das US-Kapitol: "Ich hätte sterben können, nicht einmal, sondern viele Male"

Er und seine Kollegen seien "geschlagen, getreten, geschubst, mit chemischen Reizstoffen besprüht und mit einem augenschädlichen Laser geblendet worden von einem gewalttätigen Mob, der in uns offenbar ein Hindernis bei seinem versuchten Aufstand gesehen hat", beschrieb Gonell den fassungslosen Ausschussmitgliedern seine persönlichen Erlebnisse am 6. Januar. "Ich hätte an dem Tag sterben können, nicht einmal, sondern viele Male."

Ein Polizist erzählte, er sei bei der Verteidigung der Kongressabgeordneten und des Kapitols "durch die Hölle gegangen und zurück". 

Der schwarze Kapitol-Polizist Harry Dunn schilderte, wie er und andere afroamerikanische Kollegen von den Eindringlingen rassistisch beleidigt wurden. Viele der Angreifer gehörten mutmaßlich ultrarechten Gruppen an. Die Randalierer hätten "Waffen aller Art" gegen die Polizisten eingesetzt, darunter "Fahnenstangen, herausgerissene Fahrradständer und unterschiedliche Arten von Wurfgeschossen". 

Der Polizist Michael Fanone berichtete, er sei von den Randalierern als "Verräter" beschimpft worden. Sie hätten ihn geschlagen und mit einem Taser bewusstlos gemacht sowie ihm gedroht, ihn mit seiner eigenen Dienstwaffe zu erschießen. Fanone erlitt an dem Tag einen Herzanfall und ein Schädel-Hirn-Trauma.

Der demokratische Ausschussvorsitzende Bennie Thompson sagte in seiner einleitenden Rede, damals seien Menschen "in diese Stadt eingefallen mit klaren Plänen, unsere Demokratie zum Erliegen zu bringen". Es gebe "Beweise für einen koordinierten, geplanten Angriff". Zugleich sicherte er zu, der Ausschuss werde sich "ausschließlich an den Fakten orientieren". "In dieser Untersuchung ist kein Platz für politische Ansichten oder Parteilichkeit", sagte Thompson.

Ein schwarzer Tag in der US-Geschichte

Der Angriff auf das Parlament am 6. Januar gilt als schwarzer Tag in der Geschichte der US-Demokratie. Angefeuert vom damaligen Präsidenten Trump hatten dessen radikale Anhänger den Sitz des Kongresses angegriffen, als dort der Wahlsieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl vom 3. November ratifiziert werden sollte.

Im Zuge der Gewalt kamen fünf Menschen zu Tode, darunter ein Polizist. Dutzende Polizisten wurden verletzt. Zwei an der Verteidigung des Kapitols beteiligte Polizisten nahmen sich wenig später das Leben.

Die Regierungspartei wollte daraufhin eine unabhängige und parteiübergreifende Untersuchungskommission einrichten, um die genauen Hintergründe des Angriffs aufzudecken. Das Vorhaben scheiterte am Widerstand der Republikaner im Senat. Daher setzten die Demokraten einen Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses ein, in dem sie eine klare Mehrheit haben. 

Die republikanische Abgeordnete Liz Cheney, eine der wenigen Trump-Kritikerinnen in ihrer Partei, warnte andere Republikaner am Dienstag vor einer "Schönfärberei" oder "Verschleierung" der Wahrheit über den Angriff. Wenn der Kongress nicht verantwortungsvoll handele und für Aufklärung sorge, "wird dies ein Krebsgeschwür in unserer konstitutionellen Republik" bleiben. Es drohe "mehr Gewalt in den kommenden Monaten und ein weiterer 6. Januar alle vier Jahre", warnte sie. Cheney und Adam Kinzinger sind die einzigen republikanischen Abgeordneten in dem Untersuchungsausschuss.

Michael Mathes / fs AFP DPA

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