Nur wenige Wochen vor der Parlamentswahl in Südkorea hat die Nationalversammlung in Seoul Staatspräsident Roh Moo Hyun (57) vorläufig entmachtet. Die Opposition setzte am Freitag mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit ihren in der Geschichte Südkoreas bisher einmaligen Antrag auf ein Amtsenthebungsverfahren gegen Roh durch. Ministerpräsident Goh Kun übernimmt kommissarisch die Amtsgeschäfte des Staatsoberhaupts. In einer ersten Reaktion äußerte Roh die Hoffnung, dass das Verfassungsgericht die erforderliche Zustimmung zum Parlamentsbeschluss verweigert.
Von den Abgeordneten stimmten 193 für und 2 gegen die Vorlage der beiden größten Oppositionsparteien, der Großen Nationalpartei (GNP) und der Demokratischen Millenniumspartei (MDP). Damit wurde die erforderliche Stimmenzahl von 181 der 271 Volksvertreter deutlich übertroffen. Die regierungsnahe Uri-Partei, eine frühere Splittergruppe der MDP, boykottierte die Abstimmung. Im Parlament kam es vor und nach der Abstimmung zu dramatischen Szenen. Vertreter der Uri-Partei brachen nach der Abstimmung in Tränen aus.
Die Funktionen von Präsident Roh sind bis zur endgültigen Entscheidung durch das Verfassungsgericht nur ausgesetzt. Für das Verfahren hat das Gericht sechs Monate Zeit. Sechs der neun Richter müssen der Amtsenthebung zustimmen.
Anlass war Rohs Werbung für eine Partei
Anlass für den Oppositionsantrag waren öffentliche Bemerkungen Rohs, mit denen er mit Blick auf die Wahlen am 15. April für die Uri-Partei geworben hatte. Die Wahlkommission hatte Roh darauf zur Wahrung der vom Gesetz verlangten politischen Neutralität von Staatsbeamten gemahnt, von Strafmaßnahmen jedoch abgesehen. Die Zustimmung in der Bevölkerung für den früheren Menschenrechtsanwalt Roh, der seit einem Jahr im Amt ist, war in den letzten Monaten wegen einer Reihe von Korruptions- und Finanzskandalen im Lande stark gesunken.
Nach dem Beschluss für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Roh hat das Militär verstärkte Sicherheitsmaßnahmen entlang der Grenze zu Nordkorea angeordnet. Der Generalstab habe alle Truppengattungen angewiesen, ihre Überwachungs- und Sicherheitsstellungen zu verstärken, teilte am Freitag das Verteidigungsministerium in Seoul mit. Ein Sprecher betonte jedoch, dass mit der Anweisung der Alarm- oder Verteidigungszustand nicht erhöht worden sei.