Tarik Asis Der "Meister seines Herrn"

Unter den 55 meistgesuchten Irakern der US-Regierung stand der bisherige Vize-Regierungschef nur an 43. Stelle. Doch Tarik Asis war über Jahrzehnte die "zivilisierte Stimme" des Iraks und Chefunterhändler des Regimes von Saddam Hussein.

Der bisherige Vize-Regierungschef Tarik Asis war einer der schillerndsten irakischen Politiker. Unter den 55 meistgesuchten Irakern der US-Regierung stand der 67- Jährige zwar nur an 43. Stelle. Aber der Rang täuscht: Asis war über Jahrzehnte die "zivilisierte Stimme" des Iraks und Chefunterhändler des Regimes von Saddam Hussein. Er gehörte allen Machtzirkeln an und hieß wegen seiner Loyalität auch "Meister seines Herrn".

Asis gilt als gebildet und belesen

Im Gegensatz zu anderen Prominenten des Regimes ist Asis gebildet und belesen. Der passionierte Raucher von Cohiba-Zigarren mit den schlohweißen Haaren und der dick-geränderten Brille bewegte sich gewandt auf diplomatischem Parkett und spricht geschliffenes Englisch. In Kriegs- und Krisenzeiten war er stets zur Stelle: Er verteidigte die Position seines Landes im Krieg gegen Iran (1980-88). 1984, ein Jahr nach seiner Ernennung zum Außenminister, gelang es ihm, die diplomatischen Beziehungen mit den USA wieder aufzunehmen und US-Unterstützung im Krieg gegen Iran zu bekommen. Unvergessen sind die Auftritte, als er 1990 den irakischen Überfall auf Kuwait praktisch als Notwehr hinstellen wollte.

Als Christ war Chefdiplomat Asis für Saddam von Vorteil. Er konnte während des Fastenmonats Ramadan ohne Probleme reisen und verhandeln. Im Februar, einen Monat vor Ausbruch des Krieges, bekam Asis eine medienwirksame Audienz bei Papst Johannes Paul II. Asis wurde 1936 als Michail Yuhanna in einer chaldäisch-katholischen Familie in Mosul geboren. Er studierte englische Sprache in Bagdad und wurde 1957 Mitglied der Baath-Partei. Als diese in den 60er Jahren immer wieder in den Untergrund ging, nahm er den religionsneutralen Namen Tariq Asis (glorreiche Vergangenheit) an.

Karriere in Partei und Staat

Asis, ein gelernter Journalist, machte dank seiner frühzeitigen Bekanntschaft mit Saddam schnell Karriere. Er wurde Chefredakteur der Parteizeitung "Thaura" (Revolution) und 1974 erstmals Informationsminister. Später rückte er in die Führung der Baath-Partei und den Revolutionären Kommandorat, das eigentliche Machtgremium im Irak, auf. 1980 überlebte er das Attentat eines Iraners und wurde im selben Jahr Vize-Ministerpräsident. Von 1983 bis 1991 übernahm er auch das Außenministerium.

Anders als andere Spitzenpolitiker war er nicht über Familien- oder Stammesbeziehungen mit Saddam verbandelt. Er überlebte zwar alle Säuberungswellen, machte aber auch Höhen und Tiefen durch. Sein Stern begann nach den Wahlen zur 18-köpfigen Führungsspitze der Baath- Partei im Frühjahr 2001 zu sinken. Er soll damals kritisiert haben, dass Saddams jüngster Sohn Kusai in die Führung aufrücken sollte. Asis musste das ihm erneut anvertraute Amt des Außenministers wieder abgeben, blieb aber Vize-Regierungschef.

Asis ist verheiratet und hat zwei Söhne und zwei Töchter. Nach dem Fall Bagdads hatten Plünderer seine vierstöckige Villa am Tigris in ein Schlachtfeld verwandelt.

DPA
Hans Dahne