Tschetschenischer Separatistenführer Die Bombe Umarow tickt

  • von Manuela Pfohl
Zwei Wochen nach dem Anschlag auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo hat sich der "Bin Laden Russlands" zu dem Selbstmordattentat bekannt. Doku Umarow gilt als brutal, selbstherrlich - und höchst gefährlich.

Eigentlich wirkt die Szenerie etwas lächerlich. Doch das Video, das am Montag auf der Website kavkazcenter.com auftauchte, ist bitterer Ernst: In Tarnuniform präsentiert sich da der tschetschenische Separatistenführer Doku Umarow in trübem Schummerlicht. Er streicht über seinen Bart, als er sagt, er sei der Auftraggeber für den verheerenden Selbstmordanschlag auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo gewesen, bei dem Ende Januar 36 Menschen ums Leben kamen. Warum sie sterben mussten, erklärt Umarow mit erhobenem Zeigefinger: "Ich zeige dem Putin-Regime ein weiteres Mal, dass wir diese Operationen verüben können, wo immer und wann immer wir wollen." Noch übler klingt die Drohung des selbsternannten "Emirs vom Kaukasus", die dann folgt: Es stünden "hunderte Brüder" für weitere Attentate bereit. Den Kampf für eine islamistische Herrschaft im gesamten Kaukasus wolle er mit nun mit einem Jahr voller "Blut und Tränen" unerbittlich fortsetzen. Und der russische Regierungschef und sein "Hundepack" könnten dies nur verhindern, wenn sie "zur Besinnung" kämen. Ist Umarow ein größenwahnsinniger Irrer?

Tatsächlich hat der Mann, der seit zwei Jahrzehnten auf der Flucht ist, unrühmliche Bekanntheit vor allem durch Mord und Totschlag erlangt. Nicht nur, dass er sich schon zu den Anschlägen auf die Moskauer U-Bahn im März vergangenen Jahres bekannt hat, bei denen 40 Menschen starben. Seine Organisation zeichnete auch für den Anschlag auf den Newski-Express von Moskau nach St. Petersburg Ende November 2009 verantwortlich, der 28 Menschen in den Tod riss.

Eine Karriere aus Mord und Totschlag

Auf der Liste der meistgesuchten Männer Russlands steht Umarow schon seit dem ersten Tschetschenienkrieg 1994. Im vergangenen Juni wurde ihm schließlich auch die zweifelhafte "Ehre" zuteil, von den USA in die internationale Liste der "besonders gefährlichen Terroristen" aufgenommen zu werden. Mitunter wird er auch als der "Bin Laden" Russlands bezeichnet.

In den 80er Jahren begann seine Terrorkarriere. Damals saß der gelernte Bauingenieur, laut russischer Generalstaatsanwaltschaft, das erste Mal im Gefängnis. Und zwar wegen fahrlässiger Tötung. Seit 1992 wird er wegen Mordes gesucht. 1994 gab sich der heute 46-Jährige den Kampfnamen Abu Usman und profilierte sich als ein Wegbegleiter der führenden Aufständischen im Tschetschenien-Krieg. Er kämpfte unter dem damaligen Präsidenten Aslan Maschadow, mit dem er sich später zerstritt, gegen die russischen Truppen. Zwischen den beiden Kriegen, die Moskau in der abtrünnigen Kaukasusrepublik führte, übernahm er Schlüsselposten wie den Vorsitz im nationalen Sicherheitsrat Tschetscheniens - und er heiratete und zeugte sechs Kinder.

Für die Sprösslinge anderer Familien zeigte Umarow allerdings offenbar wenig Liebe. 2005 waren den Russen zwei tschetschenische Rebellen ins Netz gegangen. Wenig später teilte das Innenministerium in Moskau mit, die Festgenommenen hätten gestanden, dass sie auf Befehl Usmanows ein Mädchen entführt hätten, um es als Selbstmordterroristin auszubilden. Ein Jahr später, im Juni 2006, rückte Umarow an die Spitze der tschetschenischen Untergrundregierung. Er galt auch als Verbündeter des Milizenchefs Schamil Bassajew, den er zu seinem Vize-Präsidenten ernannte und der später von russischen Spezialeinheiten getötet wurde. Bassajew führte unter anderem die Geiselnahme in Beslan 2004 an, die mit einem Sturmangriff russischer Einheiten und 330 Toten, überwiegend Schulkindern, endete.

Für ein Großreich vom Schwarzen bis zum Kaspischen Meer

Im Oktober 2007 wandte sich Umarow von den im Exil lebenden Rebellenführern wie dem tschetschenischen "Außenminister" Achmed Sakajew ab und rief das "Kaukasus-Emirat" aus. Von nun an führte der Mann mit dem langen dunklen Bart einen "Heiligen Krieg" gegen den Kreml. Mit seiner Selbsternennung zum "Emir" gelang es Umarow, die verschiedenen Rebellionen in den kaukasischen Republiken wie Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan zu vereinen. Sein Ziel war es unter anderem, die islamische Scharia im Nordkaukasus einzuführen. Geheimdienstler vermuten, dass er von einem Versteck in den Wäldern der bergigen Vielvölkerregion aus versucht, seinem Traum von einem Großreich näher zu kommen, das vom Schwarzen Meer bis zum Kaspischen Meer reicht.

Pläne, die zwar viele seiner Gefährten unterstützen. Doch dem einen oder anderen ist Umarow in seiner brutalen Selbstherrlichkeit inzwischen schon etwas unheimlich geworden. Mit immer neuen Anschlägen riskiere er die Sympathien für die Unabhängigkeitsbestrebungen des tschetschenischen Volkes, fürchten Exil-Tschetschenen. Immer wieder machen deshalb auch unter seinen Landsleuten in Deutschland Gerüchte die Runde, frühere Anhänger wollten die "Bombe Umarow" entschärfen.

AFP
mit DPA/AFP