Die internationale Anteilnahme mit der Ukraine ist groß: Westliche Staaten sprechen Sanktionen gegen Russland aus und liefern Waffen an das angegriffene Land, Privatpersonen spenden oder nehmen sogar selbst Geflüchtete auf. Doch bei manchen geht das persönliche Engagement noch darüber hinaus. Fast 20.000 Menschen aus 52 Ländern auf der ganzen Welt hätten sich gemeldet, um für die Ukraine in den Krieg zu ziehen, teilte Außenminister Dmytro Kuleba am Sonntag mit. Der "Internationalen Territorialverteidigungslegion der Ukraine" – so der offizielle Name – gehören nach Angaben aus der vergangenen Woche bereits 1000 Kämpfer an.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte selbst dazu aufgerufen. In den ersten Tagen nach dem russischen Angriff hatte er die Gründung einer "Internationalen Legion" angekündigt und Ausländer mit Kampferfahrung eingeladen, sich zu beteiligen: "Jeder, der sich der Verteidigung der Ukraine, Europas und der Welt anschließen will, kann kommen und Seite an Seite mit den Ukrainern gegen die russischen Kriegsverbrecher kämpfen."
Ukraine-Krieg: Viele Freiwillige kommen aus ehemaligen Sowjet-Staaten
Die Angaben der ukrainischen Regierung sind unabhängig nicht zu überprüfen und es gibt Gründe zu der Annahme, dass sie mehr oder wenig stark übertrieben sind. Doch Medien aus verschiedenen Ländern berichten über Freiwillige, die ihr Leben in der Heimat hinter sich lassen und in den Krieg ziehen – und das, obwohl die meisten Staaten ihren Bürgern aktuell strikt davon abraten, in die Ukraine zu reisen. Oft handelt es sich dabei um Militärveteranen mit Kriegserfahrung.
Laut eines Berichts des österreichischen "Standard" kommen viele der Freiwilligen aus anderen ehemaligen Sowjet-Staaten, vor allem aus dem Baltikum und aus Georgien. Das Parlament Lettlands hat allen, die sich im Kampf gegen Russland der Ukraine anschließen wollen, bereits Immunität zugesichert. Die verabschiedeten Änderungen am nationalen Sicherheitsgesetz ermöglichen es lettischen Bürgern, auf freiwilliger Basis in der Ukraine zu dienen - ohne eine mögliche Strafverfolgung bei ihrer Rückkehr in das baltische EU- und Nato-Land befürchten zu müssen. Dazu müssen sie sich vor Abreise als Reservisten bei der lettischen Armee registrieren.

Sogar aus dem pazifistischen Japan melden sich Kämpfer
Auch aus weiter entfernten Teilen der Welt zieht es Kämpfer ins Kriegsgebiet. Die "New York Times" berichtet von Veteranen der US-Armee, die bereits im Irak-Krieg gedient haben und sich jetzt dem Kampf gegen Putins Truppen angeschlossen haben. "Wir haben unser ganzes Leben für diese Art von Krieg trainiert", zitiert die Zeitung einen von ihnen. "Einfach dasitzen und nichts tun? Ich musste das tun, als Afghanistan auseinander gebrochen ist und es hat mich sehr belastet. Jetzt musste ich handeln." Immer wieder werden auch von den Kämpfern Parallelen zum Kampf der Alliierten gegen das Nazi-Regime im Zweiten Weltkrieg aufgerufen – so wie es auch der ukrainische Außenminister Kuleba getan hat: "Zusammen haben wir Hitler besiegt, und wir werden auch Putin besiegen." Über Facebook-Gruppen und andere Social-Media-Kanäle tauschen sich die Kampfwilligen aus den USA aus und sammeln Spenden für Flugtickets.
Sogar in Japan ist die Bereitschaft vorhanden, für ein fernes Land sein Leben zu riskieren. Dutzende ehemalige Mitglieder der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte haben sich laut eines Berichts der Zeitung "Mainichi Shimbun" an die ukrainische Botschaft gewandt. Das ist besonders bemerkenswert, weil Japan im Allgemeinen als besonders pazifistisches Land gilt. Außenminister Yoshimasa Hayashi wies noch einmal darauf hin, dass von Reisen in die Ukraine abgeraten werde.
Angriffe, Flüchtende, Gas-Lieferungen: Grafiken zum Konflikt in der Ukraine

Trotz Befürchtungen: Bislang nur wenige deutsche Extremisten unterwegs
Ob und wie viele Menschen aus Deutschland insgesamt dem Ruf der ukrainischen Regierung gefolgt sind, ist unklar. Von deutscher Seite aus gibt es keine Grenzkontrollen. Sicherheitsbehörden gehen von einer niedrigen einstelligen Zahl von deutschen Rechtsextremisten aus, die sich in der Ukraine am Kampf gegen den russischen Angriff beteiligen wollen. "Es sind deutlich weniger als zehn Fälle", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. "Business Insider" berichtet unter Berufung auf Chatprotokolle, dass Hunderte Reservisten der Bundeswehr einen Kriegseinsatz erwägen. Einige seien bereits in der Ukraine angekommen.

Im Falle deutscher Staatsangehöriger, die sich an Kampfhandlungen beteiligten, komme es für eine mögliche Strafbarkeit maßgeblich auf das humanitäre Völkerrecht an, sagte eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums dazu. Sie erklärte: "Wenn eine Tötungs- oder Verletzungshandlung nach dem Völkerrecht erlaubt ist, dann ist sie auch nach dem deutschen Strafrecht nicht strafbar."
Die britische Außenministerin Liz Truss hat im BBC-Interview Freiwilligen, die in der Ukraine kämpfen möchten, ihre Unterstützung ausgesprochen: "Absolut, wenn es das ist, was die Menschen machen wollen." Die Ukrainer kämpften nicht nur für Frieden und Demokratie in ihrem Land, sondern in ganz Europa. Das Außenministerium wies allerdings auch klar darauf hin, dass für einen Einsatz in der Ukraine eine militärische Ausbildung dringend empfohlen werde. Britische Medien hatten über Fälle berichtet, in denen sich Freiwillige ohne Erfahrung angemeldet hatten.

Sorge vor Gräueltaten
Experten sehen diese Entwicklung mit großer Sorge. "Ohne militärisches Training ist es eine sehr dumme Idee", sagte Ed Arnold, Experte für europäische Sicherheit am Royal United Services Institute in London, der "Washington Post". Im Moment sei es sehr gefährlich, in die Ukraine zu reisen.
Es bestehe die Gefahr, dass einige der Freiwilligen nur "aus Spaß am Kämpfen" sich dem Krieg anschließen würden, warnte der Politologe Anthony Dworkin vom European Council on Foreign Relations (ECFR) in der "Washington Post". Der Konfliktforscher Thomas Hegghammer wies im "Spiegel" darauf hin, dass freiwillige Kämpfer "stark ideologisch motivierte Leute" seien: "Oft sind es ausländische Freiwillige, die später Gräueltaten begehen oder gegen Waffenruhen verstoßen." Die Regierungen sollten lieber Soldaten schicken: "Militärische Truppen kann man besser kontrollieren."
Quellen: "The Kyiv Independent" / "Standard" / "New York Times" / "Mainichi Shimbun" / BBC / "Business Insider" / "Washington Post" / DPA