Die Ergebnisse stehen mutmaßlich schon fest, ein Großteil der Staaten wird sie nicht anerkennen, doch trotz enormer Kritik und Proteste, starten nun in den russisch kontrollierten Gebieten der Ukraine sogenannte Referenden zur Annexion durch Russland. Betroffen sind die Separatistengebiete im ostukrainischen Donbass sowie die südukrainischen Regionen Cherson und Saporischschja. In Donezk wird die Abstimmung "aus Sicherheitsgründen" in den ersten Tagen von Tür zu Tür abgehalten, heißt es bei der Wahlbehörde. Erst am 27. September, dem letzten Tag, würden Wahllokale geöffnet.
"Der Donbass kommt nach Hause!"
Zu den von den pro-russischen Behörden angekündigten "Referenden" hatte der ehemalige russische Präsident und stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, zuletzt erklärt, die Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja würden "sich Russland anschließen".
In Wahrheit handelt es sich jedoch um Scheinreferenden, weil sie ohne Zustimmung der Ukraine, unter Kriegsrecht und nicht nach demokratischen Prinzipien ablaufen. Mit den vier Gebieten droht sich Moskau eine Fläche von über 108.000 Quadratkilometern einzuverleiben. Das entspricht der Größe von Bayern und Baden-Württemberg zusammen.
Die Abstimmungen gelten auch als eine Reaktion auf die jüngsten ukrainischen Geländegewinne. Laut der Regierung in Kiew könne diese "Bedrohung" nur mit Gewalt abgewendet werden. Damit droht eine schwere Eskalation des Krieges in der Ukraine.
"Der Donbass kommt nach Hause!", sagte der Anführer der Separatisten in Donezk, Denis Puschilin, jetzt in einer Rede. Im Onlinedienst Telegram forderte er den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf, den Anschluss an Russland nach dem Referendum rasch umzusetzen. "Die Bevölkerung des Donbass, die schon seit langem leidet, hat es verdient, Teil dieses großartigen Landes zu werden, dass sie immer als ihre Heimat betrachtet hat", so Puschilin.
Vorbereitungen laufen schon seit Monaten
Die Vorbereitungen für Abstimmungen nach dem Vorbild des Referendums, das 2014 zur international nicht anerkannten Annexion der südukrainischen Halbinsel Krim durch Russland führte, laufen im Donbass und in Cherson schon seit Monaten. Aufgrund der Gegenoffensive im Nordosten und Süden der Ukraine, wo die Ukrainer große Gebiete zurückerobern konnten, wurden die Pläne nun offenbar vorangetrieben.
Der Anschluss der besetzten Gebiete an Russland würde Moskau eine Rechtfertigung für weitere Militäraktionen geben - der Kreml könnte dann behaupten, er verteidige sein eigenes Staatsgebiet.
Die Ukraine kündigte eine militärische Reaktion an. "Die Bedrohung kann nur mit Gewalt abgewendet werden", sagte der Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Andrij Jermak, auf Telegram. Die Ankündigung der Referenden sei eine "Erpressung" durch Moskau, das angesichts der ukrainischen Geländegewinne von der "Angst vor einer Niederlage" getrieben sei. Außenminister Dmytro Kuleba erklärte, die Referenden hätten keinerlei Auswirkung. Die Ukraine habe auch weiterhin "jedes Recht, ihre Gebiete zu befreien".
International stießen die angekündigten Referenden auf scharfe Kritik. Es sei "ganz klar, dass diese Scheinreferenden nicht akzeptiert werden können", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Rande der UN-Generaldebatte in New York. Es handele sich um den "Versuch einer imperialistischen Aggression", die durch die Abstimmungen "verbrämt werden" solle, kritisierte der Kanzler.