Ukraine-Krieg Verdacht auf russische Kriegsverbrechen: Generalbundesanwalt ermittelt

Blick auf das beschädigte Stadtzentrum von Tschernihiw nach einem russischen Luftangriff
Ein Blick auf das beschädigte Stadtzentrum von Tschernihiw nach einem russischen Luftangriff
© Dmytro Kumaka / AP / DPA
Kiew wirft den russischen Invasoren vor, bei ihren Angriffen nicht vor Kriegsverbrechen zurückzuschrecken. Die Vorwürfe nimmt offenbar auch die Bundesregierung ernst: Der Generalbundesanwalt nimmt Ermittlungen auf.

Der Generalbundesanwalt hat wegen möglicher russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine Ermittlungen aufgenommen. Die Karlsruher Behörde sammle ab sofort systematisch Informationen über mögliche russische Kriegsverbrechen in der Ukraine. Anlass dafür seien Berichte über Angriffe auf Wohngebäude, Krankenhäuser und zivile Infrastruktur sowie über den Einsatz von Streubomben

Wie Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gegenüber der "Passauer Neuen Presse" am Dienstag erklärte, habe der Generalbundesanwalt ein sogenanntes Strukturermittlungsverfahren eingeleitet.

Justizminister Marco Buschmann: "Wir werden alle Beweise für Kriegsverbrechen erheben und sichern"

Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat die Karlsruher Behörde konkrete Anhaltspunkte für bereits begangene Kriegsverbrechen. Die Ermittler befürchten zudem, dass es zu weiteren Straftaten kommt, wie es hieß. Buschmann sagte der Zeitung, mögliche Verletzungen des Völkerstrafrechts müssten konsequent verfolgt werden. Die europäischen Justizminister hätten sich abgestimmt: "Wir werden alle Beweise für Kriegsverbrechen erheben und sichern", erklärte er. Der Minister bezeichnete den Ukraine-Krieg als eine "durch nichts zu rechtfertigende schwere Verletzung des Völkerrechts".

Solche Strukturermittlungsverfahren gibt es bei der Bundesanwaltschaft zum Beispiel auch zum syrischen Bürgerkrieg oder zu den Verbrechen der Terrorvereinigung Islamischer Staat (IS). Es geht darum, zunächst ohne konkrete Beschuldigte möglichst breit Beweise zu sichern. Dabei sind Flüchtlinge eine wichtige Quelle, wie sie jetzt auch zu vielen Tausenden aus der Ukraine kommen. Im besten Fall dienen diese Informationen später dazu, Strafermittlungen gegen Einzelne einzuleiten und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Sie können auch auf internationaler Ebene beigesteuert werden.

Hintergrund ist das sogenannte Weltrechtsprinzip: Kriegsverbrecher sollen nirgendwo auf der Welt eine sichere Zuflucht finden. Damit die Bundesanwaltschaft Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) verfolgen kann, braucht es einen Bezug nach Deutschland. Im Syrien-Konflikt ist dieser Bezug immer wieder gegeben, weil nicht nur Opfer, sondern auch Täter als Flüchtlinge Aufnahme gefunden haben.

Ermittler sollen bereits konkrete Anhaltspunkte für Kriegsverbrechen haben

Im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine haben die deutschen Ermittler konkrete Anhaltspunkte für bereits begangene Kriegsverbrechen, weitere werden befürchtet, wie es hieß. Dabei gehe es insbesondere um den Verdacht, dass verbotene Methoden der Kriegsführung eingesetzt würden (§ 11 VStGB), um mögliche Kriegsverbrechen gegen humanitäre Operationen (§ 10) und gegen Personen (§ 8). Seit 2015 gibt es in Karlsruhe bereits ein Strukturermittlungsverfahren nur zur Ostukraine. 

Beim Generalbundesanwalt gehen derzeit auch etliche Strafanzeigen wegen des Ukraine-Kriegs ein. Eine stammt beispielsweise von Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und dem früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum (beide FDP).

In vielen dieser Anzeigen wird gefordert, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Verantwortung zu ziehen. Das ist in Deutschland aber faktisch unmöglich. Als Staatspräsident genießt Putin hier Immunität. Das Völkerstrafgesetzbuch stellt zwar auch "Verbrechen der Aggression" (§ 13) unter Strafe. Eine Verfolgung durch den Generalbundesanwalt wäre aber nur möglich, wenn ein Deutscher einen Angriffskrieg führen oder Deutschland selbst angegriffen würde.

Ukraine – Dublin Mann fährt aus Protest LKW in russische Botschaft
Ukraine – Dublin Mann fährt aus Protest LKW in russische Botschaft
© Dominic McGrath/ / Picture Alliance
Radikaler Protest: LKW-Fahrer rammt Tor russischer Botschaft in Dublin

Internationaler Gerichtshof befasst sich ebenfalls mit Vorwürfen

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag befasst sich bereits seit Montag mit den Völkermord-Vorwürfen im Ukraine-Krieg. Die Ukraine wirft Russland vor, einen Völkermord an den ukrainischen Bewohnern des Landes zu planen. Vor allem aber geht sie gegen Moskaus Argument vor, der Einmarsch in die Ukraine sei notwendig gewesen, um einen "Völkermord" an den russischsprachigen Einwohnern im Osten des Landes zu verhindern. Russische Vertreter blieben der Anhörung fern.

Der russische Botschafter  Alexander Schulgin habe dem Gericht mitgeteilt, dass seine Regierung nicht beabsichtige, an der Verhandlung teilzunehmen. Kiew hatte die Klage zwei Tage nach dem von Russlands Präsident Wladimir Putin angeordneten Einmarsch am 24. Februar eingereicht.

DPA · AFP
yks