Der russische Angriff auf die Ukraine hat nach Einschätzung des Militärexperten Carlo Masala die Logik des Kalten Krieges zurück nach Europa gebracht. Masala sagt am Donnerstag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage" mit Blick auf den Nato-Gipfel in Brüssel: "Jetzt geht es darum, die Abschreckung zu stärken." Die zusätzlichen Gefechtsgruppen an der Ostflanke der Allianz hätten die Funktion "eines Stolperdrahtes". Ein Angriff etwa auf die baltischen Staaten würde sofort auch Truppen anderer Nato-Mitglieder in die Kämpfe ziehen. "Die Logik von Abschreckung und Einhegung russischer Aggression ist wieder zurück – und damit ein ganz zentrales Element des Kalten Krieges", sagt der Politikprofessor von der Bundeswehruniversität München.
"Können nicht darauf hoffen, dass Russland gewaltfrei implodiert"
Masala lehnt es entschieden ab, dass der Westen versucht, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu stürzen. Er warnt vor einer unkalkulierbaren Entwicklung in dem riesigen Land. "Man sollte nicht auf Regimechange in Moskau abzielen", sagt er.
"Was wir alle nicht wissen ist, welche zentrifugalen Kräfte dann in Russland ausgelöst werden. Wir können nicht darauf hoffen, dass Russland dann so wie die Sowjetunion einfach gewaltfrei implodiert. Sondern das Potential einer Explosion ist da."

Dr. Carlo Masala ist Professor für Internationale Politik an der Bundeswehruniversität München.
Die militärische Situation in der Ukraine schätzt Masala als im Kern unverändert ein. "Die Lage am Boden bleibt weiterhin relativ statisch", sagt er. Daran ändert aus seiner Perspektive auch nichts, dass die russischen Truppen bei Kiew sich ein Stück zurückgezogen haben. Der Angriff auf Kiew sei "erstmal angehalten", sagt er. Auch gehe die "ukrainische Armee jetzt an vereinzelten Stellen zu Gegenoffensiven über, wozu sie in den ersten Wochen des Krieges nicht in der Lage war". Dies führe aber nicht zu einer grundlegenden Neubewertung der Kriegslage.