Die Entscheidung der USA, Frankreichs und Deutschlands zur Lieferung von Rad- und Schützenpanzern wird den Krieg in der Ukraine nach Einschätzung des Sicherheitsexperten Christian Mölling deutlich verändern. Mölling sagte am Freitag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", "dass man jetzt die Offensivkraft der Ukraine so stärken kann, dass Russland immer weniger Territorium halten kann und damit vor neue Wahlmöglichkeiten gestellt wird".
Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin werde die Option immer unwahrscheinlicher, dass er den Kriegsverlauf zuhause als Erfolg darstellen könne: "Man zieht ihm den Teppich unter den Füßen weg." Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik erwartet, "dass der Zustrom von Material und auch die Ausbildung der ukrainischen Soldaten deutlich besser laufen wird". Er gehe davon aus, dass 2023 das kriegsentscheidende Jahr werde. "Jetzt ist vieles möglich", sagte er.
Debatte um Kampfpanzer
Nach Möllings Einschätzung wird nun unmittelbar eine Debatte um die Lieferung von Kampfpanzern westlicher Bauart wie dem Leopard beginnen. "Die Fähigkeit, die Kampfpanzer mitbringen, wird in der Ukraine auch gebraucht", sagte Mölling. Solche Waffensysteme aus westlicher Produktion "würden tatsächlich einen qualitativen Unterschied zu russischen Panzern machen". Bislang hat kein NATO-Land westliche Kampfpanzer an die Ukraine geliefert. "Aber wir sehen, dass sich mit der Jahreswende die Diskussion verändert hat", sagte Mölling. "Die Diskussion, was rote Linien sind, hat sich verschoben."
Westen wird trotzdem nicht Kriegspartei
Trotz der steigenden Bereitschaft, die Ukraine auch mit schweren Waffen zu unterstützen, sieht der Experte keine direkte Kriegsbeteiligung von Nato-Staaten. Diese ist Mölling zufolge erst gegeben, wenn Nato-Einheiten an den Kämpfen teilnehmen. "Da sind wir nicht, und da wird man sich auch tunlichst raushalten", warnte er. "Diese rote Linie wird keiner überschreiten – und es ist auch nicht notwendig." Es gehe darum, die Optionen der russischen Führung so weit einzuschränken, bis sie erkennen muss, dass eine Fortsetzung des Krieges nicht in ihrem Interesse sei. Als "PR-Gag" bezeichnete Mölling den Vorschlag Putins für eine Feuerpause während des orthodoxen Weihnachtsfests.