Fragen und Antworten UN-Gipfel in New York: Worum es geht, wer spricht und was sich davon erhofft wird

UN-Generaldebatte in New York
Einen Tag vor der Generaldebatte in New York diskutierten die UN-Mitglieder den Stand der Nachhaltigkeitsziele
© Michael Kappeler / DPA
Bei dem zweitägigen UN-Gipfel in New York sprechen die Mitgliedstaaten über große Themen. Eine gemeinsame Erklärung gab es schon am ersten Tag. Aber wie realistisch ist die?

Wenn über 100 Staats- und Regierungschefs aus allen Teilen der Welt zur UN-Generalversammlung nach New York reisen, dann geht in Manhattan, genauer im Stadtviertel Turtel Bay, nichts mehr. Dort haben die Vereinten Nationen ihr Hauptquartier. Für das Gipfeltreffen wurden die Straßen entlang des East Rivers im Westen Manhattans komplett gesperrt; rein kommt man nur mit speziellen Ausweisen. Die rund 25.000 Bewohner kennen das als "Gridlock-Days". Die U-Bahn, das Fahrrad oder die eigenen Füße sind dann das Fortbewegungsmittel der Wahl. In den Straßen sind Polizisten im Großeinsatz, auf den Dächern haben sich Scharfschützen postiert. Aber wozu der ganze Aufwand?

Worum geht es bei der UN-Generaldebatte?

Am 18. und 19. September diskutieren mehr als 100 Staats- und Regierungschefs beim größten Gipfeltreffen der Welt über aktuelle große Themen. In diesem Jahr findet die Versammlung zum 78. Mal statt. Es dürfte vor allem um die Ukraine, das Klima und eine Sicherheitsratsreform gehen.

Wer nimmt an der Versammlung teil?

An dem Treffen nehmen die 193 Mitglieder der Vereinten Nationen teil. Am Dienstag sprechen Staats- und Regierungschefs vor der Versammlung. Jeder hat dafür genau 15 Minuten. Den Auftakt macht US-Präsident Joe Biden. Es folgen der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Brasiliens Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz wird vor der Versammlung sprechen.

Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine wird Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich in New York an der Versammlung teilnehmen. Im vergangenen Jahr hatte er sich per Video-Ansprache an die Vereinten Nationen gewandt. Noch am Dienstag wird er sich zu einem bilateralen Gespräch mit Olaf Scholz zusammensetzen. Mit Spannung wird zudem erwartet, ob es am Rande des Gipfels auch zu einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow kommt. Fest steht derweil aber: Nach seinem Besuch in New York wird Selenskyj zu Gesprächen mit Präsident Biden und Mitgliedern des Kongresses weiter nach Washington reisen.

Gibt es schon Ergebnisse vom UN-Gipfel?

Beim UN-Nachhaltigkeitsgipfel am Montag verpflichteten sich die Teilnehmer einstimmig dazu, die 17 Entwicklungsziele der Agenda 2030 stärker zu unterstützen. "Wir werden mit Dringlichkeit handeln, um die Vision (der Agenda 2030) als Aktionsplan für Menschen, den Planeten, Wohlstand, Frieden und Partnerschaft zu verwirklichen, der niemanden zurücklässt", heißt es in der politischen Erklärung.

Die größte globale Herausforderung sei der Kampf gegen Armut. UN-Generalsekretär Guterres bezeichnete den Hunger "in unserer Welt des Überflusses" als schockierenden "Schandfleck für die Menschheit und eine epische Menschenrechtsverletzung". Außerdem forderte er weltweit bessere Bildungschancen und ein Ende des "Krieges gegen die Natur".

Gemeinsam mit Bundeskanzler Scholz forderte Guterres zudem eine Reform des Finanzsystems, um armen Ländern günstigere Kredite gewähren zu können.

Was ist die Agenda 2030?

2015 hatten die UN-Mitglieder 17 Ziele und 169 Unterziele festgelegt, die bis 2030 erreicht werden sollen. Unter anderem soll es dann keinen Hunger und extreme Armut mehr geben. Jeder Mensch auf der Welt soll Zugang zu sauberem Trinkwasser erhalten, Frauen und Männer gleichgestellt sein und der Temperaturanstieg auf 1,5 Grad begrenzt werden.

Die Weltgemeinschaft ist bisher allerdings weit davon entfernt, ihre selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Laut einem UN-Bericht zur Halbzeitbilanz sind die Mitgliedstaaten bei lediglich 15 Prozent der Entwicklungsziele auf dem richtigen Weg. Bei mehr als 30 Prozent der Ziele gibt es keine Veränderung oder es wurden seit 2015 sogar Rückschritte verzeichnet.

In den ersten Jahren erzielte Fortschritte – etwa bei der Bekämpfung der extremen Armut, der Reduzierung der Kindersterblichkeit und beim Zugang zu Elektrizität – wurden durch die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg und klimabedingte Katastrophen teils wieder zunichte gemacht.

Wie realistisch sind die UN-Ziele?

Trotz gemeinsamer Erklärung zeigte sich der UN-Generalsekretär besorgt, dass die Ziele nicht ausreichend verfolgt würden. "Worüber ich mir Sorgen mache, ist sicherzustellen, dass die Länder, die hier sind, bereit sind, die Verpflichtungen einzugehen, die notwendig sind, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu verwirklichen, die sich leider nicht in die richtige Richtung bewegen", sagte Guterres in einem Interview mit "UN News".

Olaf Scholz räumte Versäumnisse bei der Umsetzung der Entwicklungsziele ein. Der Fortschritt im Kampf gegen Armut sei langsamer geworden, sagte er vor dem Gipfel. Grund dafür waren unter anderem die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und der Klimawandel.

Beim Treffen am Montag legte UN-Generalsekretär Guterres deswegen einen "Rettungsplan" vor, um die Ziele doch noch zu erreichen.

Gibt es Kritik an der Erklärung?

Elf Länder haben die UN-Erklärung im Vorfeld kritisiert. In einem Brief beklagten unter anderem Russland, Belarus, Bolivien, Kuba, Nordkorea, Eritrea, Iran, Nicaragua, Syrien, Venezuela und Simbabwe Sanktionen, die der Entwicklung von Staaten schadeten. Sie drohten, die gemeinsame Erklärung nicht zu unterzeichnen – verzichteten dann aber darauf, die Drohung wahr zu machen.

Wie setzt sich Deutschland für die UN-Ziele ein?

Kanzler Scholz bekräftigte Deutschlands Verpflichtung, die Länder des globalen Südens stärker zu unterstützen. Vor dem Gipfeltreffen in New York hatte die Bundesregierung deshalb zwölf "Schlüsselbeiträge" zur Erreichung der Entwicklungsziele vorgelegt. Demnach setzt sich Berlin unter anderem für eine Reform der Weltbank ein. Zudem zahlt Deutschland der Bank 305 Millionen Euro Hybridkapital, um das Ausleihvolumen für Staaten zu erhöhen.

Dass die Ziele der Agenda 2030 bisher unzureichend umgesetzt worden seien, sei ein Anlass, "erst recht sich darum zu kümmern, dass wir diesen notwendigen Fortschritt auch erreichen", sagte Scholz. Die Länder des sogenannte globalen Südens in Afrika, Asien und in Südamerika erwarteten von den wirtschaftlich starken Ländern Unterstützung. "Deutschland hat sich genau dazu auch verpflichtet und geht hier sehr vorbildhaft voran. Das ist das, was wir auch weiter tun werden."

Außerdem will die Bundesregierung ihren Beitrag zur internationalen Klimaschutzfinanzierung erhöhen.

Quellen: Vereinte Nationen, "UN News", Politische Erklärung der UN-Ziele, mit Material von DPA und AFP

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