Das syrische Regime geht trotz Drohungen und Warnungen aus dem Ausland weiter mit brutaler Gewalt gegen die Protestbewegung vor. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, die Armee sei "auf Bitten der Bewohner von Daraa" in der Stadt einmarschiert.
Daraa ist eine Hochburg der Regimegegner, die seit Mitte März gegen Präsident Baschar al Assad und seine Regierung protestieren. Am Montagmorgen waren nach Angaben von Oppositionellen Tausende von Soldaten und Angehörigen der Spezialeinheiten mit Panzern und Scharfschützen in die Stadt eingedrungen. Die Regimegegner sprachen von 20 getöteten Zivilisten. Sana meldete sowohl in den Reihen der Sicherheitskräfte als auch auf Seiten der "extremistischen Terrorgruppen" habe es zahlreiche Tote und Verletzte gegeben. Nach Angaben der Bürgerrechtsorganisation Sawasiah hätten Sicherheitskräfte im ganzen Land rund 500 Anhänger der Demokratiebewegung festgenommen, teilte die mit.
Unterstützer der Proteste erklärten, in mehreren Ortschaften der Region Hauran seien die Strom- und Wasserversorgung und die Telefonverbindungen gekappt worden. Aus der Stadt Duma hieß es, die Sicherheitskräfte seien mit Namenslisten von Haus zu Haus gegangen. Sie hätten Dutzende von Männern abgeführt. In Homs sollen uniformierte Männer versucht haben, in das al-Barr-Krankenhaus einzudringen, in dem verletzte Demonstranten behandelt wurden.
Angesichts der Unruhen fordern die USA ihre Staatsbürger zur schnellen Ausreise aus dem Land auf. Das US-Außenministerium riet zudem von allen Reisen nach Syrien ab. Einige für die Arbeit der US-Botschaft nicht unbedingt notwendige Mitarbeiter und die Familien aller Mitarbeiter der Botschaft wurden aufgefordert, Syrien zu verlassen.
Auf politischer Ebene allerdings fällt die Reaktion aus den USA bislang zurückhaltend aus. So beschränkte sich US-Präsident Barack Obama bislang darauf, die Gewalt in Syrien "auf das Schärfste" zu verurteilen. Den Rücktritt von Machthaber al Assad forderte er nicht. Auch der Abzug von US-Botschafter Robert Ford, der den sechs Jahre vakanten Posten in Damaskus erst seit Januar als Zeichen besserer Beziehungen wieder besetzt, schien vorerst keine Option zu sein.
Allerdings hieß es aus Obamas Regierung, dass wegen der Niederschlagung der Proteste "gezielte Sanktionen" gegen die Führung in Damaskus erwogen würden. Zuvor hatte das "Wall Street Journal" berichtet, dass das Weiße Haus ein Dekret vorbereite, um Vermögenswerte von syrischen Regierungsmitgliedern einzufrieren und ihnen eine wirtschaftliche Betätigung in den USA zu untersagen. Dies wäre der Zeitung zufolge aber eine weitgehend symbolische Maßnahme, da kaum jemand in Assads Führungszirkel über bedeutende Besitztümer in den USA verfügt.
"Washington ist unentschlossen, wie es sich verhalten soll", sagt Bilal Saab, Nahost-Experte an der Universität Maryland. Einerseits werfen die USA Syrien wegen der Unterstützung für die libanesische Hisbollah und die palästinensische Hamas Staatsterrorismus vor. Misstrauisch beäugt Washington die engen syrischen Beziehungen mit dem Iran, auch Damaskus selbst steht im Verdacht, ein geheimes militärisches Atomprogramm betreiben.
Andererseits hätten die US-Verbündeten in der Region ein Interesse, dass der Status Quo in Damaskus erhalten bleibe, sagt Saab. Saudi-Arabien sehe Syrien weiter als Gegengewicht zum regionalen Vormachtstreben des Iran, die Türkei wolle einen stärkeren Einfluss der kurdischen Minderheit im syrischen Norden verhindern. Israel schließlich fürchte sich vor einem radikalislamischen Nachfolger, der für das Land weitaus gefährlicher werden könnte.