Nach der internationalen Empörung über die Verurteilung der drei Musikerinnen der Kreml-kritischen Punkband Pussy Riot rechnen Beobachter mit einer Abmilderung der Strafe. Russische Medien und äußerten am Samstag die Erwartung, dass die Strafe von jeweils zwei Jahren Lagerhaft reduziert werden dürfte.
Das für das Berufungsverfahren zuständige Moskauer Gericht werde vermutlich die Strafe in ein Jahr verwandeln und "diese Idiotinnen freilassen, damit sie ihre Kinder und Angehörigen wiedersehen können", schrieb die Zeitung "Komsomolskaja Prawda" am Samstag. Denis Dwornikow von der zivilen Kammer, die russische Behörden berät, sagte sogar voraus, dass die Punkerinnen schon einen Monat nach dem Verfahren frei kommen würden. Das sagte Dwornikow der Nachrichtenagentur Interfax.
Neuer Pussy-Riot-Song veröffentlicht
Unmittelbar nach der Verkündung des Urteils hat die Band in einem neuen Lied Kremlchef Wladimir Putin erneut angegriffen. "Das Land geht auf die Straße mit Mut/ Das Land sagt dem Regime Auf Wiedersehen", heißt es in dem Song "Putin entzündet das Feuer der Revolution". Den Text der "Single zum Urteil" sowie ein Video veröffentlichte die Gruppe im Internet. "Wir werden weiterkämpfen", heißt es in einem Kommentar. Die Zeitung "Kommersant" schrieb, zur Veröffentlichung habe eine maskierte Aktivistin am Freitag vor dem Gerichtsgebäude das Lied abgespielt und CDs in die Menge der Anhänger von Pussy Riot geworfen.
Kein Wort von Putin
Das russische Außenministerium äußerte sich nicht direkt zu dem Urteil. Es veröffentlichte aber am Samstag eine Erklärung, in der die in westlichen Staaten verhängten Strafen für "Rowdytum" an religiösen Orten aufgelistet wurden. Darin hieß es, in Deutschland stünden darauf bis zu drei Jahre Gefängnis.
Präsident Wladimir Putin hatte sich Anfang des Monats gegen ein "zu hartes" Urteil ausgesprochen, zu der Gerichtsentscheidung äußerte er sich bislang nicht. Putin habe nicht das Recht, dem Gericht seine Meinung aufzuzwingen, sagte sein Sprecher Dmitri Peskow der Webseite PublicPost.ru.
Empörung auf der ganzen Welt
Im In- und Ausland war die Verurteilung der drei Frauen scharf kritisiert worden. Das Gericht hatte die 22-jährige Nadeschda Tolokonnikowa, die 24-jährige Maria Alechina und die 30-jährige Jekaterina Samuzewitsch am Freitag wegen "Rowdytums" aus religiösem Hass schuldig erklärt und zu jeweils zwei Jahren Lagerhaft verurteilt. Sie hatten bei einer kurzen Performance in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale im Februar ein "Punkgebet" gegen Putin aufgeführt.
Die USA nannten die Strafe "unverhältnismäßig". Ähnlich äußerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Scharfe Kritik übte auch die Europäische Union. Die mit Putin verbundene russisch-orthodoxe Kirche forderte nach dem Urteil "Milde" für die drei Frauen.
Kasparow auf freiem Fuß
Unterdessen ist der bei den Protesten festgenommene frühere Schachweltmeister und Oppositionspolitiker Garri Kasparow zusammen mit etwa 50 weiteren Demonstranten wieder freigekommen. Bislang sei keine Anklage gegen ihn erhoben worden, sagte einer von Kasparows Mitstreitern, Alexander Riklin, der Nachrichtenagentur AFP.
Kasparow müsse aber am Montag wieder auf der Polizeiwache zum Verhör erscheinen. Laut Interfax wird dem Oppositionellen vorgeworfen, einem Polizisten ins Ohr gebissen zu haben. Kasparow wies den Vorwurf zurück und erklärte, er sei in der Untersuchungshaft geschlagen worden.