Die Haftstrafen für drei Mitglieder der kremlkritischen Punkband Pussy Riot sind weltweit auf Empörung und Kritik gestoßen. Rund um den Globus protestierten Anhänger der jungen Frauen in zahlreichen Großstädten gegen den Schuldspruch wegen Rowdytums aus religiösem Hass.
Die Europäische Union (EU) und die USA reagierten mit scharfer Kritik auf das Urteil. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton erklärte, die zweijährige Haftstrafe sei unverhältnismäßig und ein weiterer Versuch, Oppositionelle einzuschüchtern. Das Urteil stelle ernsthaft infrage, ob Russland internationale Standards für unabhängige Gerichtsprozesse respektiere. "Dieser Fall reiht sich an den jüngsten starken Anstieg von politisch motivierter Einschüchterung und strafrechtlicher Verfolgung von Aktivisten der Opposition in der Russischen Föderation", betonte Ashton.
Auch das US-Präsidialamt nannte die Strafen unverhältnismäßig. In Washington erklärte ein Sprecher: "Wir verstehen zwar, dass das Verhalten der Gruppe für manche anstößig war, sind aber ernsthaft besorgt darüber, wie diese jungen Frauen vom russischen Justizsystem behandelt wurden."
Nadeschda Tolokonnikowa, 22, Maria Aljochina, 24, und Jekaterina Samuzewitsch, 30, hatten am 21. Februar mit einem Punkgebet in der wichtigsten russisch-orthodoxen Kirche gegen die Rückkehr Wladimir Putins in den Kreml protestiert. Sie sitzen seit fast einem halben Jahr in Untersuchungshaft.
Die Künstlerinnen hätten die Gefühle der Gläubigen absichtlich beleidigen wollen, sagte Richterin Marina Syrowa in ihrer fast dreistündigen Urteilsverkündung. Einen politischen Hintergrund, wie ihn die Frauen betont hatten, wies sie zurück.
Merkel kritisiert Urteil als "unverhältnismäßg hart"
Das Urteil zeige, dass Staat und Kirche in Russland endgültig miteinander verflochten seien, kommentierte die #link;http://www.stern.de/kultur/nowaja-gaseta-90311886t.html;Zeitung "Nowaja Gaseta"# im Internet. Das Onlineportal newsru.com schrieb in Anlehnung an die mittelalterlichen Hexenprozesse: "Moskau, 21. Jahrhundert: Zwei Jahre für einen "satanischen Veitstanz"."
Der Schuldspruch sei "unverhältnismäßig hart", ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel mitteilen. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sowie Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und link;http://www.stern.de/politik/ausland/human-rights-watch-90264922t.html;Human Rights Watch# kritisierten das Urteil scharf.
In Warschau forderten etwa 150 Menschen am Rande eines historischen Besuches des russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill "Freiheit für Pussy Riot". Auch in Berlin und Hamburg kam es zu Protestaktionen, ebenso in New York oder Paris. Etliche Demonstranten trugen die für Pussy Riot typischen bunten Sturmhauben.
Richterin in der Kritik
Die russische-orthodoxe Kirche bat unterdessen um Milde für die Verurteilten. Zuvor hatten sich hohe Kirchenvertreter wiederholt für scharfe Strafen ausgesprochen. Der Sprecher von Putin wollte das Urteil zunächst nicht kommentieren. Putin hatte sich zuletzt für eine "nicht zu harte" Strafe ausgesprochen.
Die Mehrheit der Russen verurteilt einer aktuellen Umfrage zufolge die skurrile Performance der jungen Frauen, von denen zwei kleine Kinder haben. Den Grund sehen Experten darin, dass vor allem für Einwohner jenseits der Metropolen Moskau und St. Petersburg das Staatsfernsehen einzige Informationsquelle ist.
Bürgerrechtler kritisieren, dass Richterin Syrowa das Verfahren mit 3000 Seiten Ermittlungsakten in nur acht Verhandlungstagen in Marathonsitzungen durchgezogen habe. Die Pussy-Riot-Mitglieder beschwerten sich über geringe Ruhepausen. Syrowa wies mehrere Befangenheitsanträge gegen sich ab.
"Schande"-Rufe im Gerichtssaal
Bei Protesten vor dem Gerichtsgebäude wurden mindestens 60 Anhänger der Künstlerinnen festgenommen, darunter der Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow und Sergej Udalzow, einer der Oppositionsführer. Zuhörer im Saal reagierten mit "Schande"-Rufen auf das Urteil. Einem Gnadengesuch an Putin hatten die Künstlerinnen bereits im Vorfeld eine Absage erteilt. Ihre Anwälte wollen notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen.