US-Präsidentschaftswahlkampf McCain verzockt sein Kapital

  • von Marcus Gatzke
Größe wollte er zeigen, aber stattdessen hat er vielleicht den bislang größten Fehler im Wahlkampf gemacht. Der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain hat sich in die hitzige Debatte zur Lösung der Finanzkrise eingemischt und dabei viel von seiner politischen Glaubwürdigkeit eingebüßt.

Was ursprünglich als taktisch kluges Wahlkampfmanöver geplant war, könnte sich als große Fehlentscheidung herausstellen. John McCain, der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, wollte in der ausufernden Finanzkrise Führung beweisen, er wollte zeigen, dass er sich um das Land sorgt und doch etwas von Wirtschaft versteht.

McCain hatte am Mittwoch eilig entschieden, seine Wahlkampftour zu unterbrechen, um nach Washington zu reisen. Er zog seine Werbespots aus dem Fernsehen zurück, sagte Veranstaltungen mit Sponsoren ab. Auch an dem für Freitag geplanten Fernsehduell mit seinem Kontrahenten Barack Obama wollte er nicht teilnehmen. Die Kritik an dieser Kehrtwende war massiv, aber fruchtlos.

McCain kann sich nicht entscheiden

McCain wollte unbedingt dabei sein, wenn das 700-Milliarden-Dollar-Paket zur Rettung der Wall Street geschnürt wird, er wollte teilhaben am Erfolg. Aber statt als strahlender Sieger vor die Kameras zu treten und zu verkünden, wie der Befreiungsschlag aussehen soll, droht McCain jetzt von seiner eigenen Partei zerrieben zu werden. Vielleicht hätte er sich doch besser zurückhalten sollen?

Der Kompromiss war schon so gut wie ausgehandelt. Insgesamt 700 Milliarden sollten bereit gestellt werden, um angeschlagenen Finanzinstituten fast wertlose Hypothekendarlehen abzukaufen und sie so zu entlasten. Die Demokraten hatten US-Finanzminister Henry Paulson während der Verhandlungen in den vergangenen Tagen einige Zugeständnisse abgerungen. Auch auf republikanischer Seite sah es so aus, als ob die Mehrheit das Paket stützen würde. Schon am Wochenende sollte über das neue Gesetz abgestimmt werden.

Zuvor hatte US-Präsident George W. Bush - auch ein Republikaner - vor einer schweren ökonomischen Krise gewarnt. "Meine Hoffnung ist, dass wir schon bald zu einer Einigung kommen", verkündete er.

Aber kaum hatten sich die Türen der Verhandlungsräume am Donnerstag wieder geschlossen, brach alles in sich zusammen. Der Vorsitzende der Republikaner im Repräsentantenhaus, John Boehner, platzte mit einem neuen Vorschlag in die Runde und brachte damit die gesamte Arbeit der letzten Tage zu Fall. Der Alternativplan sieht vor, stärker privates Kapital an der Lösung des Problems zu beteiligen. John McCain saß nach einem Bericht der "New York Times" auch mit am Tisch - schweigend. Die Verhandlungen wurden unterbrochen und auf Freitag (Ortszeit) vertagt.

Auch in den bilateralen Gesprächen mit Barack Obama im Weißen Haus soll McCain mehr Beobachter, denn eine echte Führungskraft gewesen sein, heißt es. Er habe nur eine vage Andeutung gemacht, welche Auffassung er vertritt, berichte die "New York Times".

Zwischen den Stühlen

McCain hat ein großes Problem mit seiner eigenen Partei: Bei den Republikanern stehen sich zwei Frontlinien gegenüber. Auf der einen Seite Finanzminister Henry Paulson, der mit Hilfe der Mehrheit der Demokraten und einem Teil der Republikaner im Repräsentantenhaus das Rettungspaket so schnell wie möglich umsetzen will, um ein aus ihrer Sicht drohendes Desaster zu verhindern.

Auf der anderen Seite eine große Zahl konservativer Republikaner, die für McCain nach der Nominierung von Sarah Palin als seine Kandidaten für den Vize-Posten zu einer starken Stütze im Wahlkampf geworden sind. Sie haben erhebliche Zweifel daran, so viel Geld zur Rettung der Wall Street in die Hand zu nehmen. Ihre Unterstützung darf McCain nicht verlieren, wenn er die Wahl gewinnen will. Gleichzeitig darf McCain nicht als derjenige dastehen, der dem Land in einer der größten Krisen seit mehreren Jahrzehnten die Hilfe versagt hat. Bislang hat er diesen Spagat nicht auflösen können.

Schon jetzt wird in den Wahlumfragen klar: Die Finanzkrise hilft vor allem Obama. Die Wähler trauen ihm eher zu, die Krise zu meistern, was aber auch daran liegt, dass die Republikaner im Weißen Haus für das tägliche Chaos an den Finanzmärkten mitverantwortlich gemacht werden. 70 Prozent der US-Bürger glauben, dass Obama sich vor allem um die Nöte der einfachen Bürger sorgt. McCain kommt bei dieser Frage nur auf magere 16 Prozent.

Das jüngste Debakel wird McCain alles andere als geholfen haben - zumal nur wenige Stunden nach dem Scheitern der Gespräche mit Washington Mutual eine weitere US-Bank der Finanzkrise zum Opfer fiel.

US-Präsident Bush hat auch deutlich gemacht, auf welcher Seite er steht: "Für den Fall, dass es eine Verwirrung geben sollte", schrieb Pressesprecher Tony Fratto in einer Email an Journalisten: "Der Präsident stützt im Kern den Plan von Finanzminister Paulson."