US-Reaktionen zu Putin "Es war schrecklich, es war fürchterlich"

  • von Katja Gloger
Noch rätselt man in Washington über die Motive für die Brandrede des russischen Präsidenten. Nach außen demonstriert man Gelassenheit, doch schon fürchtet man den Beginn eines neuen Kalten Krieges. Und dabei könnte ausgerechnet der Iran zur ersten Front werden.

Der Schlag kam unerwartet, und er tat richtig weh. Amerikas Politiker, all' die Experten, die Diplomaten, die Strategen in den Ministerien, sie waren zunächst überrascht, dann geschockt. Vor allem aber ziemlich ratlos. Im Moment fragt man sich in Washington vor allem: "Warum?" Warum diese Rede? Und warum jetzt?

Manipulation oder Rache?

Hatte da einer endlich einmal seinen Gefühlen freien Lauf gelassen - Putin pur sozusagen, ein Ex-KGB-Oberst im anti-amerikanischen O-Ton? Wollte da einer endlich einmal die Karten auf den Tisch knallen und klar machen, wer der Gegner ist, die wahre Gefahr für den Weltfrieden? Die USA nämlich - so wie es Umfragen zufolge ja die Meisten in Europa denken, auch in Deutschland. Will da jemand die Europäer gegen Amerika auf seine russische Seite ziehen? Oder wollte sich da ein beleidigter Russe etwa nur für die jüngsten Äußerungen des US-Verteidigungsministers Gates rächen, der Russland vergangene Woche in einem Atemzug mit den "Schurkenstaaten" Iran und Nordkorea nannte?

Noch suchen Diplomaten, Experten und Kreml-Astrologen die Antwort. Klar, nach außen gibt man sich cool, gelassen, witzelt gar über die "alten Zeiten des Kalten Krieges". In Wahrheit aber fürchten Viele: diese Rede markiert den Beginn einer neuen Epoche. Eines neuen Kalten Krieges. Denn Präsident Wladimir Wladimirowitsch Putin ist keiner, der mit einer 200-Mann-Delegation nach München reist, um mal eben ein bisschen herumzupoltern.

Kurzer transatlantischer Frühling

Dabei hatte es noch vor ein paar Tagen gar nicht so schlecht ausgesehen. Da war der russische Außenminister Sergej Lawrow in Washington, er traf sich mit ein paar Kollegen zu einer Sitzung des Nahost-Quartetts. Präsident Bush hatte sich extra Zeit für den Mann aus Moskau genommen - es gab ein Treffen im Oval Office, eine Geste, ein Symbol dafür, dass man Russland als Partner ernst nehme. Das ist gerade einmal eine Woche her.

Und jetzt das. Ein Schlag ins Gesicht. Eine Rede, ebenso provokant wie arrogant. Es war schrecklich, es war fürchterlich, sagte ein US-Diplomat, der die Rede verfolgte. Es war fürchterlich, von Anfang bis Ende.

Kreml strotzt vor Selbstbewusstsein

Diese Rede ist natürlich kein Zufall. Sie zeigt, wie krachend das Selbstbewusstsein im Kreml zurzeit ist. Schließlich gehören die Männer im Kreml zu den größten Profiteuren des Irak-Debakels: der Ölpreis ist hoch, man verdient sich dumm und dämlich. Russland ist schuldenfrei, der Staat hat 300 Milliarden Dollar angesammelt. Und zwar Cash.

Und diesem Russland und seinen Herrschern soll gefälligst niemand mehr auf der Nase herumtanzen. Soll niemand mehr Rechtstaatlichkeit fordern oder die Einschränkung der Bürgerrechte kritisieren und gar Aufklärung verlangen, wenn mutige Journalisten wie Anna Politkowskaja ermordet werden. Soll sich niemand mehr für Demokratie in den ehemaligen Sowjetrepubliken stark machen, in Georgien, der Ukraine, in Belarus.

Beunruhigende Waffengeschäfte

In einem Jahr soll in Russland ein neuer Präsident gewählt werden. Schon lange glaubt niemand an eine demokratische Wahl. Doch bislang hoffte man wenigstens, Putin werde abtreten, so wie es die russische Verfassung vorsieht. Seit dem vergangenen Wochenende möchte in Washington niemand mehr darauf wetten. Denn dieses Russland meldet sich als Großmacht in der Welt zurück.

Vor allem beunruhigt die USA das gerade abgeschlossene Waffengeschäft der Russen mit dem Iran: der Verkauf von Raketenabwehrsystemen im Wert von rund 1 Milliarde Dollar ist natürlich mehr als nur ein Geschäft. Der Deal bedeute ein "potentielles Risiko für die nationale Sicherheit der USA", heißt es in Washington. Er wurde nur wenige Wochen nach der mit viel Mühe erreichten UN-Sicherheitsrats-Resolution abgeschlossen, mit der erste bescheidene Sanktionen gegen den Iran verhängt wurden. Und schon tönt der iranische Verteidigungsminister: man werde sich gegen Luftangriffe durch die USA verteidigen. Ausgerechnet der Iran droht zur ersten Front in einem neuen kalten Krieg zu werden.

Es kann nur noch schlimmer werden

Und so suchen die Besonnenen in Washington in gerade nach Einfluss, nach Handlungsspielräumen, nach Optionen. Normalerweise sind sie das Rohmaterial für politische Kompromisse. Doch die Besonnenen wissen, dass sie nach Putins Münchner Rede kaum noch Optionen haben. Im Moment hoffen sie auf eine deutliche Antwort der Europäer, vor allem der Deutschen. Sie hoffen, der Westen werde sich von dem Mann aus Moskau nicht spalten lassen. Sie sagen, jetzt kann es nur noch schlimmer werden.

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