US-Wahl "Über Wandel zu reden, reicht nicht"

Gewählt wird in ganz Amerika, doch Wähler aus der weißen Arbeiterschicht könnten das Rennen um die Präsidentschaft entscheiden. Davon ist auch der US-Journalist Thomas Frank überzeugt. Im Interview mit stern.de erklärt er, warum Arbeiter oft Republikaner wählen und was Barack Obama tun muss, um auch bei diesen zu punkten.

Herr Frank, eigentlich spricht in diesem Wahljahr doch alles für die Demokraten: Eine Mehrheit der Amerikaner lehnt den Irakkrieg ab, der Präsident ist unbeliebt und die Wirtschaft steckt in der Krise. Und dennoch hat der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain die Chance, die Wahlen zu gewinnen. Warum?

Die Republikaner sprechen das Gefühl der Menschen an, von der Wirtschaftskrise und anderen Problemen hart getroffen und damit ein Opfer zu sein. Damit schaffen sie es, über Klassenfragen zu sprechen, ohne die wirtschaftlichen Probleme direkt anzusprechen und Lösungen präsentieren zu müssen. Die Demokraten tun dies nicht.

Warum tun sie das nicht?

Einige in der Demokratischen Partei wissen nicht, wie es ist, ein Arbeiter in einem Automobilunternehmen in Michigan zu sein. Wissen nicht, was einen Stahlarbeiter in Pennsylvania bewegt oder welche Probleme ein Landwirt in Kansas hat. Manche bei den Demokraten setzen zu sehr auf das Bürgertum und Wähler mit hoher Bildung. Die Republikaner kümmern sich dagegen auch um die kleinen Leute in Amerika.

Es scheint, dass vor allem die republikanische Vizekandidatin Sarah Palin bei den weißen Arbeitern gut ankommt.

McCain hat eine sehr gute Wahl getroffen, als er Palin zu seiner Vizekandidatin ernannte. Sie scheint frei von politischen Skandalen zu sein. Das ist besonders bemerkenswert, da sie aus Alaska kommt. Der Bundesstaat ist nämlich bekannt für korrupte Politiker. Außerdem hat sie viele Anzeichen von jemandem, der für die Arbeiterschicht steht. Ihr Mann ist ein Stahlarbeiter. Sie hat viele Kinder und schafft es trotzdem, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. Sie geht Jagen und Fischen. Und sie kommt aus einer Kleinstadt, davon erzählt sie bei jedem ihrer Auftritte. Ihre Lebenserfahrungen sind geradezu ideal, um die Arbeiterschicht in den USA zu erreichen.

Zur Person

Thomas Frank ist ein amerikanischer Journalist und Buchautor. Er gilt als Kritiker der Republikaner und schreibt unter anderem als Kolumnist für die Zeitung "The Wall Street Journal". In seinem Werk "What's the Matter with Kansas?" beschreibt er, wie es die Republikaner schafften, die weiße Arbeiterschicht in der Mitte Amerikas für sich zu gewinnen. Sein neues Buch "The Wrecking Crew: How Conservatives Rule" erschien im August.

Wie kann Obama dennoch diese weißen Arbeiter von sich überzeugen?

Er muss über Wirtschaftsthemen sprechen. Die Republikaner haben ihre Art Wähler in Staaten wie Ohio, Pennsylvania und Michigan anzusprechen, man sieht es an Sarah Palin. Die Demokraten haben eine andere, sehr spezifische Art, über die Wirtschaft zu sprechen. Obama muss das jetzt tun und dabei verständlich sein. Er muss die Fehler der Konservativen anprangern, jeden Tag, so dass er damit immer in die Medien kommt.

Aber macht er das nicht schon?

Es reicht nicht, nur über "Wandel" und "Hoffnung" zu sprechen. Er muss sehr konkret aufzeigen, was er verändern will und wie das den Menschen im Alltag hilft. Er ist viel zu abstrakt in seinem Wahlkampf. Die aktuellen Demokraten sprechen nicht so, wie es frühere demokratische US-Präsidenten getan haben. Franklin Roosevelt oder auch Harry Truman konnten über wirtschaftliche Themen sehr konkret sprechen und zwar in einer Art, dass sie damit eine bestimmte Schicht der Gesellschaft erreichten. Die Republikaner nutzen diese populistische Sprache und gewinnen damit alle vier Jahre die Präsidentschaftswahlen. Man sieht momentan, dass auch Sarah Palin sich darauf versteht.

Ex-Präsident Bill Clinton schien diese Art des Wahlkampfs auch zu beherrschen.

Er konnte fantastisch reden, er hatte eine tolle populistische Art, die Wähler anzusprechen. Es ist schade, dass die demokratischen Präsidentschaftsbewerber nach ihm das völlig vergessen haben.

Sarah Palin ist das neue Gesicht in diesem Wahlkampf. In den Medien wird sie zum Teil scharf kritisiert. Viele versuchen, Fehler in ihrer Vergangenheit zu finden. Doch scheinbar können ihr negative Schlagzeilen nicht schaden.

Das ist das heutige Amerika. Informationen haben nicht mehr die Funktion, die sie früher hatten. In den 60er und 70er Jahren haben die Amerikaner den seriösen Tageszeitungen wie der "New York Times" oder den großen TV-Sendern viel Beachtung geschenkt. Heutzutage ist das leider nicht mehr so. Das ist eine große Veränderung. Heute ignorieren viele einfach die Informationen, die nicht in ihr Weltbild passen.

Droht ein neuer Kulturkrieg in den USA, also eine erneute verbissene Auseinandersetzung über Themen wie Abtreibung, gleichgeschlechtliche Ehen und das Recht auf Waffenbesitz?

Ja, wir haben bereits eine solche Auseinandersetzung. Die Republikaner sprechen im Wahlkampf nicht über die Wirtschaftskrise, sie sprechen über moralische Werte und soziale Themen. Zudem setzen sie auf den Faktor Persönlichkeit. Das müssen sie auch tun, sie haben nichts anderes.

Muss Obama härter auftreten, um McCain noch schlagen zu können?

Natürlich muss er sich härter zeigen. Er sollte aber nicht lügen. Man darf nicht vergessen, die Konservativen spielen oft nach anderen Regeln als die "Mainstream"-Medien. Republikaner wissen, um wie viel es bei den Wahlen geht. Und sie sind Experten im schmutzigen Wahlkampf. Eine ganze Industrie haben sie mittlerweile aufgebaut, die sich damit beschäftigt. Die Demokraten haben keine Strategie, wie sie damit umgehen sollen.

Wäre Hillary Clinton vielleicht die bessere Kandidatin gewesen, um die weißen Arbeiter für die Demokraten zu gewinnen?

Ich mochte, was sie bei ihren Reden sagte. Besonders am Ende ihrer Wahlkampagne in den Vorwahlen. Aber die Republikaner haben sie schon so lange attackiert, sie hätten schon einen Weg gefunden, Hillary zu schaden. Sie hätte wohl kaum besser abgeschnitten als Obama.

Interview: Tobias Betz