Weniger als zwei Wochen vor der Wahl meldeten die Organisationen der US-Republikaner und Demokraten in Deutschland starke Zuwächse bei der Wählerregistrierung. "Es ist verrückt, wir haben eine Verzehnfachung der Anmeldungen", sagte Henry Nickel, Vorsitzender des deutschen Teils von "Republicans Abroad", der Auslandsorganisation der US-Republikaner. Die rund 270.000 US-Bürger in Deutschland neigten in der Vergangenheit mehrheitlich zu den konservativen Republikanern. Ein Grund liegt darin, dass viele Amerikaner in Deutschland zum US-Militär gehören, das den Soldaten jede erdenkliche Hilfe anbietet, um die vielen bürokratischen Hürden vor einer Stimmabgabe leichter zu nehmen. Doch der knappe Ausgang der Wahl vor vier Jahren und die Polarisierung der US-Wähler hat auch die Registrierung von Demokraten gesteigert.
In den USA gibt es keine automatische Wählerregistrierung. Die Bürger müssen sich selbst anmelden, um wählen zu können. Daher bemühen sich die Parteien, ihre Klientel zur bürokratisch aufwendigen Registrierung und zur Stimmabgabe für ihre Kandidaten zu mobilisieren. Die Parteien engagieren sich für die Registrierung und den Wahlkampf auch im Ausland.
Briefwähler umworben
Die Briefwähler aus dem Ausland werden seit Jahren von den Parteien besonders beachtet. 1988 drehten sie das Ergebnis der Senatswahl im US-Bundesstaat Florida noch einmal um, nachdem der demokratische Kandidat nach den vor Ort abgegeben Stimmen schon fast zum Sieger erklärt worden wäre. Doch vor allem der umstrittene, bis zum Obersten Gericht der USA durchgefochtene Wahlsieg Bushs gegen den Demokraten Al Gore vor vier Jahren zeigte vielen Auslandsamerikanern, dass es am 2. November auf jede Stimme ankommen könnte und sie sich daher registrieren lassen sollten. Vor vier Jahren gewann Bush den entscheidenden Staat Florida mit einem Vorsprung von 537 Stimmen.
"Viele Amerikaner in Deutschland ärgern sich, dass sie beim letzten Mal nicht gewählt haben", sagte Andreas Etges, US-Experte an der Freien Universität Berlin. "Dieses Mal wissen alle, dass jede Stimme zählt, und sie machen große Anstrengungen, an der Wahl teilzunehmen." Einige, die die Frist für die Briefwahl versäumt haben, wollen sogar zur Wahl in die USA fliegen, um ihre Stimme abzugeben. Neben dem knappen Ergebnis der letzten Wahl dürfte dafür auch die starke Abneigung der deutschen Öffentlichkeit gegenüber Bush und seiner Politik eine Rolle spielen, vor allem der Irak-Krieg.
Bindung an die Republikaner wankt
Die umstrittene Irak-Politik könnte nach Meinung von Experten auch dazu führen, dass die traditionelle Neigung der in Deutschland lebenden Amerikaner zu den Republikanern fraglich wird. Gary Smith, der Direktor der American Academy in Berlin, sagte mit Blick auf die 100.000 US-Soldaten in Deutschland: "Das Militär zögert immer am meisten, wenn es darum geht, Krieg zu führen. Und angesichts der Debatte über die Gründe für den Irakkrieg wäre ich sehr überrascht, wenn das US-Militär so sehr pro-Bush wählen würden wie im Jahr 2000." Nach seiner Einschätzung werden zivile US-Amerikaner in Deutschland überwältigend Kerry wählen.
Einige Deutsche wollen ihren Teil dazu beitragen und machen Wahlkampf für Kerry. "Wir engagieren uns, weil die Politik der USA große Auswirkungen auch für unser Leben hat", sagte Sarah Voigt, eine von rund 50 Deutschen, die in der Organisation "Vote 44" Wahlkampf für Kerry machen. Der Name ist abgeleitet vom Ziel, dass am 2. November der 44. US-Präsident gewählt wird und nicht Bush der 43. Präsident bleibt. "Wie kann man für Bush sein", fragte Voigt rhetorisch mit Blick auf den Irak-Krieg. Sie kann sich als Teil der Mehrheit in Deutschland fühlen, die laut Umfragen zu 80 Prozent Kerry wählen würde.
Die Bush-Anhänger sind trotzdem oder deswegen nicht weniger engagiert in ihrer Kampagne unter den Amerikanern in Deutschland. Der Chef der "Republicans Abroad" in Deutschland, Nickel, arbeitete früher in der Immobilienentwicklung. "Aber im Moment mache ich nichts anderes, als den Leuten zu helfen, sich zu registrieren und zu wählen."
Von Erik Kirschbaum