US-Wahlkampf Rüpel-Romney ist noch im Rennen

Für einige US-Medien ist Mitt Romney nach seiner Wählerschelte verbrannt. Auch Präsident Obama nutzt den Patzer des Konkurrenten zu seinen Gunsten. Doch die Wahlen sind noch nicht entschieden.

Eigentlich kann Mitt Romney seinen Wahlkampf sofort beenden, das Rennen ums Weiße Haus gegen Amtsinhaber Barack Obama hat er doch sowieso schon verloren. So tönte es zumindest in vielen US-Medien, nachdem am Montagabend das entlarvende Video des republikanischen Herausforderer auftauchte. Ein Kandidat, der 47 Prozent der Bevölkerung als Sozialschmarotzer abtue, die wachsende schwarze und hispanische Wählerschaft in den USA als Problem für die Nation bezeichne und den Nahost-Frieden für unwahrscheinlich halte, der könne doch nicht gewählt werden. Oder?

Die fast sieben Wochen bis zur Wahl am 6. November sind im Zeitalter der Dauerbeschallung mit Nachrichten eine Ewigkeit, in der noch viel passieren kann. "Atme tief durch, Washington. Es ist zu früh, Mitt Romney abzuschreiben", titelte das respektierte "National Journal" entsprechend: "Einige der gleichen Leute zählen ihn heute aus, die vor ein paar Wochen noch Obama ausrangiert hatten. Kommentatoren haben eine kurze Gedächtnisspanne." Tatsächlich hat der Endspurt noch längst nicht begonnen - drei Fernsehdebatten, neue Wirtschaftsdaten und die Krise in Nahost können Obama noch in die Quere kommen.

Obama liegt in Umfragen vorn

Zwar zeigten am Mittwoch jüngste Umfragen, dass der Amtsinhaber sich von Romney absetzen konnte. Landesweit würden derzeit 50 Prozent der Wähler für Obama stimmen und 45 Prozent für den Republikaner, wie eine Erhebung des "Wall Street Journal" und des TV-Senders NBC zeigte. Und die Werte stammen sogar noch aus den Tagen, bevor Romney durch das heimlich gefilmte Video in Verruf geriet. Doch in den umkämpften Bundesstaaten ist der Abstand oft geringer - und gerade die sind wegen des Wahlsystems das Zünglein an der Waage. Ein konservativer Wahlstratege bezeichnet es als "Hoffnungsschimmer in einem Meer aus schlechten Nachrichten", dass die Umfragen weiter ein knappes Rennen zeigen.

Wie sehr sogenannte Politikexperten daneben liegen können, zeigte sich in der Vorwoche nach dem Angriff auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi, bei dem der amerikanische Botschafter starb. Als Romney den Präsidenten zeitgleich harsch für dessen "gescheiterte" Außenpolitik angriff, wurde er in den Medien dafür schwer gescholten. Die Wähler würden bestrafen, dass er so ein tragisches Ereignis politisch ausschlachte. Tatsächlich aber ließen die unentschlossenen Wähler Obama für die hochkochende Anti-Amerika-Stimmung in Nahost bluten. Die Zustimmung für seine Außenpolitik sank in der wichtigsten Zielgruppe des Wahlkampfs seitdem rapide von 54 auf 41 Prozent.

Fakten sprechen für Romney

In die Endphase geht die Schlacht ums Weiße Haus erfahrungsgemäß erst, wenn sich die Kandidaten ihre Rededuelle im TV liefern. Millionen werden sich erst am 3., 16. und 22. Oktober ihr endgültiges Bild machen, wenn sich beide persönlich gegenüberstehen. Der Präsident gilt in diesem Format nicht als geschickt, vor vier Jahren leistete er sich in den Vorwahlen gegen seine damalige Kontrahentin Hillary Clinton schlimme Patzer. Romney dagegen ist nach 20 Vorwahl-Debatten dieses Jahr im Training. Zudem bereite er sich besser vor "als jeder andere Kandidat in der modernen Geschichte", wie die Obama-Sprecherin Jennifer Psaki kürzlich durchblicken ließ.

Auch nach der Serie von Pleiten, Pech und Pannen kann Romney zudem weiterhin die Fakten für sich sprechen lassen. Wenn im Oktober die neuesten Arbeitslosenzahlen veröffentlicht werden, dürfte die düstere Wirtschaftslage wieder Schlagzeilen machen. Mit einer Arbeitslosenquote von mehr als acht Prozent hat kein einziger US-Präsident nach dem Zweiten Weltkrieg die Wiederwahl geschafft. Mit seinen Abermillionen in der Wahlkampfkasse wird Romney sicher jede Werbemöglichkeit nutzen, den Bürgern Obamas schlechte Bilanz vor Augen zu halten.

Dabei hat er geschickte Unterstützer wie Karl Rove, den ehemaligen Berater von George W. Bush. Romney habe noch "eine Menge Zeit", die Amerikaner zu überzeugen, meint der Top-Stratege, der das "Wunder von 2004" organisierte und Bush inmitten des Irakkrieges zur Wiederwahl verhalf. Allerdings konnte selbst der "Meisterstratege" nichts Gutes an Romneys abfälligen Äußerungen über 47 Prozent der Amerikaner finden: "Du musst ein bisschen vorsichtig mit dieser Zahl sein", riet er seinem Schützling.

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Marco Mierke, DPA