Vorwahlen in den USA Denkzettel für Kriegsbefürworter

Die US-Demokraten haben bei ihren partei-internen Vorwahlen im Bundesstaat Connecticut den prominenten Senator Joseph Lieberman aus dem Rennen geworfen. Das Ergebnis deutet auf einen Stimmungswandel in der Partei hin.

Die Wahlsaison in den USA hat ihre erste Sensation. Bei den Vorwahlen der US-Demokraten im Bundesstaat Connecticut ist der renommierte Senator Joseph Lieberman am Dienstag seinem Herausforderer Ned Lamont mit einem Abstand von vier Prozentpunkten unterlegen. Bei den Senatswahlen im November ist damit Lamont der Kandidat der Demokraten. Das Ergebnis gilt als Quittung der Partei dafür, dass Lieberman den Irak-Kurs der Regierung von US-Präsident Bush weitgehend unterstützt hat. Lieberman kündigte noch in der Nacht an, dass er bei den Wahlen im November als unabhängiger Demokrat antreten wird - die Meldefrist läuft am Mittwoch ab. "Ich bin enttäuscht," sagte Lieberman in seiner Heimatstadt Hartford, "aber ich bin nicht entmutigt. Heute hat der alte Politikstil der Polarisierung entlang Parteigrenzen gewonnen. Zum Wohle unseres Landes, werde ich dieses Ergebnis so nicht stehen lassen."

Rechte Kommentatoren sprechen von radikalem Linksruck

Liebermans Abwahl hat nationale Bedeutung, weil die demokratische Partei damit intern zum ersten Mal ein politisches Schwergewicht für eine gemäßigte Haltung gegenüber der Regierungspolitik des Präsidenten abstraft. Damit verdeutlicht die Partei, dass sie von ihren Kandidaten bei den noch anstehenden Vorwahlen sowie bei den Kongresswahlen im November eine radikalere Abgrenzung gegenüber den Republikanern erwartet, als sie viele Abgeordnete und Senatoren in Washington bislang vollzogen haben. Konservativen Politikern und Kommentatoren kommt diese Entwicklung gerade recht. Sie behaupten nun, die Demokraten vollzögen einen radikalen Linksruck und versuchen so, sie bei den Wählern der gemäßigten Mitte zu diskreditieren.

Die Kongresswahlen im November haben immsense Bedeutung, weil die Mehrheit der Republikaner im Abgeordnetenhaus und im Senat auf der Kippe steht. Verlieren die Republikaner eines der beiden Häuser, ist auch die Parlamentsmehrheit des Präsidenten futsch. Seine verbleibenden zwei Amtsjahre wäre er auf die Stimmen der Demokraten angewiesen. Auch sein politischer Spielraum wäre bei allen wichtigen Entscheidungen erheblich eingeschränkt.

Bill Clinton warb für Lieberman

Bislang galt der 64-jährige Lieberman als Schwergewicht in der demokratischen Partei. 1988 wurde er in den Senat gewählt, 2000 war er der Vizepräsidentschaftskandidat des demokratischen Spitzenkandidaten Al Gore, 2004 bewarb er sich selbst um die Spitzenkandidatur - allerdings erfolglos. Zum Verhängnis wurde ihm nun seine Unterstützung für den Irak-Krieg. Viele Demokraten nahmen ihm noch aus Zeiten der Präsidentschaftswahl den pfleglichen Umgang mit Richard Cheney in TV-Debatten und seine Haltung beim Streit um die Ernährung der Wachkoma-Patientin Terri Schiavo im Jahr 2005 übel. Lieberman sprach sich damals für eine Fortsetzung der Ernährung Schiavos mit einer Magensonde aus - auch gegen den Willen des Ehemanns.

Herausforderer Lamont, 52, der als Betreiber eines Kabel-Senders, unternehmerisch erfolgreich war, hatte Lieberman während des Wahlkampfs vorgeworfen, sich der Bush-Regierung zu sehr angenähert zu haben. In seinem mit originellen Video-Spots geführten Wahlkampf hatte Lamont Unterstützung von eher linker Parteiprominenz wie etwa dem Bürgerrechtler Jesse Jackson sowie Kriegsgegnern erhalten. "Er hat Rückgrat", sagte Jackson noch am Wahltag über Lamont. Dieser habe sich gegen einen Krieg gestellt, der einfach falsch war. Die Demokraten, sagte Jackson, könnten sich Politiker wie Lieberman nicht mehr leisten. Für diesen hatte dagegen etwa Ex-Präsident Bill Clinton geworben.

"Wir haben erst die erste Hälfte hinter uns"

Noch hat Lamont den Sitz im Senat allerdings nicht sicher. Im liberalen Connecticut ist dabei weniger der republikanische Gegenkandidat das Problem als vielmehr der soeben geschlagene Lieberman. Als unabhängiger Kandidat hat Lieberman gute Chancen, sich als liberalen, gemäßigten Kandidaten darzustellen und so die gemäßigte Demokraten hinter sich zu versammeln. Auch wenn die Wahlbeteiligung bei den Vorwahlen mit etwa 45 bis 50 Prozent der registrierten Demokraten so hoch ist wie nie zuvor bei einer vergleichbaren Wahl, hat sich doch mindestens die Hälfte der Demokraten enthalten - und gerade im liberalen Connecticut dürfte es viele Wähler geben, die den Demokraten zuneigen, sich aber bislang noch nicht als Parteigänger haben registrieren lassen. "Wir haben erst die erste Hälfte hinter uns. Und das Lamont Team ist vorne", sagte Lieberman am Abend. "Aber in der zweiten Hälfte wird das Team Connecticut nach vorne ziehen." Lieberman, getreu seiner gemäßigten Strategie, sagte, er wolle nicht spalten, sondern einen.

Die Wahl in Conntecticut könnte auch für Senatorin Hillary Clinton von Bedeutung sein. Clinton muss sich am 12. September im Bundesstaat New York internen Vorwahlen stellen. In Jonathan Tasini steht ihr ein stramm linker Herausforderer gegenüber, der allerdings nicht auf vergleichbare finanzielle Mittel zurückgreifen kann wie Ned Lamont in Connecticut. Dass Clinton die Stimmungslage in der Partei verstanden hat, zeigten bereits ihre Angriffe auf Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in der vergangenen Woche. Clinton hatte erstmals den Rücktritt des Verteidigungsministers gefordert - und sich so eindeutig von der Irak-Politik der Regierung distanziert. Für Clinton steht nicht nur der Senatorenposten auf dem Spiel. Sie braucht ein gutes Ergebnis, um ihre Aussichten auf die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten im Jahr 2008 zu verbessern.

Wie mächtig sind die Blogger?

Interessant an dem Wahlkampf in Connecticut ist auch die Rolle der Blogs. Lamont hatte sich der Unterstützung wichtiger links-liberaler Blogs wie moveon.org erfreut. Auch wenn es dafür noch keine endeutigen Belege gibt, so erweckt das Ergebnis in Connecticut zumindest auf den ersten Blick den Eindruck, die Blogger hätten ihren Kandidaten durchgedrückt.