Berüchtigte Söldnertruppe Rätsel um Wagner-Video: Jakuschenko wurde mit dem Vorschlaghammer hingerichtet. Nun gibt er quicklebendig Interviews

Dimitri Jakuschenko
Dimitri Jakuschenko im Video von Grey Zone 
© Telegram / stern
PR-Stunt, Fälschung oder Vergebung? Ein Telegram-Video zeigt die Hinrichtung des Wagner-Söldners Dimitri Jakuschenko. Danach taucht ein zweites Video auf, in dem er lebendig erzählt, wie ihm vergeben wurde. Seine Geschichte ist reichlich diffus.

Jewgeni Prigoschin einen Zyniker zu nennen, wäre stark untertrieben. Der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner nutzt jede Gelegenheit, seine menschenverachtende Weltsicht im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Neuestes Anschauungsmaterial bieten zwei Videos, die mutmaßlich aus Reihen der Privatarmee stammen. Auf dem einen ist der Mord am Vertragsssoldat Dimitri Jakuschenko zu sehen. Auf dem anderen, wie ein lebendiger Dimitri Jakuschenko neben Prigoschin steht und sagt: "Mir wurde vergeben."

Hinrichtung mit dem Vorschlaghammer

Die genaue Geschichte hinter diesen sich widersprechenden Filmen ist reichlich diffus. Am Montag den 13. Februar hatte "Grey Zone", ein der Wagner-Gruppe nahestehender Telegram-Kanal, ein Video gepostet, das zeigt, wie der 44-jährige Jakuschenko mit einem Vorschlaghammer erschlagen wird. "Prozess mit Verrätern", heißt es darin. Bereits im November machte ein ähnliches Video die Runde. Auch dort war die Hinrichtung eines Söldners durch einen Vorschlaghammer zu sehen. Angeblich hatte der sich der ukrainischen Armee ergeben.

Prigoschin kommentierte die Tat seiner Leute damals mit dem Satz: Er (das Opfer, d.Red.) hat sein Glück nicht in der Ukraine gefunden, dafür hat er unliebsame, aber gerechte Menschen getroffen". Das grobe Werkzeug ist seitdem zum Symbol für die ungeheure Brutalität und Selbstjustiz der Wagner-Truppe geworden. Entsprechend aufsehenerregend war deshalb auch das neue Filmmaterial, auf dem erneut ein Vorschlaghammer zum Einsatz kam. Doch weil das angebliche Opfer Jakuschenko in einem anderen, späteren Video lebendig zu sehen ist, stellt sich die Frage nach der Echtheit der Aufnahmen.

Exekution nur ein PR-Stunt

Nach Recherchen des stern/RTL-Verifikationsteams ist auf dem "Hinrichtungsvideo" tatsächlich Jakuschenko zu sehen. Kurz vor dem Einschlag des Hammers werden Teil der Aufnahme gepixelt. Ob er also erschlagen wird, oder ob es sich dabei eine Inszenierung handelt, eine Fälschung oder eine Scheinhinrichtung, lässt sich daher nicht sicher sagen. Weil der Söldner nicht nur in einem zweiten Video auftaucht, sondern mittlerweile russischen Medien auch Interviews gibt, scheint die Vorschlaghammer-Exekution eher ein PR-Stunt zu sein – als Warnung an "Verräter" nach innen und als Schocker für die Außenwelt.

Möglich ist daneben natürlich, dass Jakuschenkos Auftritte vor seinen Tod aufgezeichnet wurden und erst jetzt von der Propaganda verbreitet werden. So oder so ist der Ex-Kämpfer ein gefundenes Fressen für die russische Selbstdarstellung. Seine Geschichte, die derzeit verbreitet wird, lautet in Kurzform: Der 44-Jährige wurde absichtlich in ukrainische Kriegsgefangenschaft geschickt, um dort den Gegner auszuspionieren. Dort habe er heldenhaft Informationen erbeutet.

"Sie drohten mich zu kastrieren"

Der Wagner-Mann berichtet von Folter und Gewalt in der Gefangenschaft: "Die Ukrainer waren hart, sie haben mich geschlagen. Der schlimmste Moment war, als sie gedroht haben, mich zu kastrieren und das ins Internet zu stellen, damit es alle sehen können", sagte er dem russischen Militärjournalisten Alexander Kots. Das gleiche ist von ihm unter anderem auch beim Sender RT zu hören.

Jakuschenko gehört zu den Soldaten, die Wagner aus russischen Gefängnissen rekrutiert hat. Laut der im Exil lebenden russischen Journalistin Ksenia Sobchak habe er wegen Raub und Mordes vor Gericht gestanden und sich dann dem Söldnerherr angeschlossen. Armeechef Prigoschin hatte bis vor kurzem Häftlinge damit gelockt, dass sie nach Ende ihrer Dienstzeit straffrei ins zivile Leben zurückkehren dürfen. So sie denn den Einsatz überleben. Wagner aber benutzt sie vor allem als menschliches Kanonenfutter, weswegen immer weniger Gefängnisinsassen auf den Deal eingehen. Mittlerweile verzichtet Prigoschin auf ihre Rekrutierung.

Umstände seiner Rückkehr unklar

Jakuschenkos Soldatenleben währte anscheinend nur kurz: Offenbar geriet er bereits nach wenigen Tagen in ukrainische Gefangenschaft. Dort sei er auch gezwungen worden, mit Journalisten zu sprechen. Dabei erwähnte er unter anderem, dass die Krim irgendwann an die Ukraine zurückgehen würde. In Russland gilt so eine Aussage fast als Landesverrat. "Ich habe gesagt, was sie hören wollten. Um am Leben zu bleiben", wie er nun Kots sagte. Auf welche Weise er nach Russland zurückgekehrt ist, ist unklar, womöglich über einen Gefangenenaustausch.

Im zweiten Video, das ebenfalls seit Montag kursiert, sagt Jakuschenko: "Bei Wagner hat jeder das Recht, seine Fehler zu korrigieren". Und: "Vor meiner Rückkehr aus der Gefangenschaft habe ich wertvolle Informationen erhalten, die viele Menschenleben gerettet haben. Deshalb ist mir vergeben worden, wofür ich sehr dankbar bin." Wo und wann dieses Video aufgezeichnet wurde, ist unklar.

Prigoschin zitiert alte Sowjetfilme

Die Reporterin Ksenia Sobchak hat bei Wagner-Chef Prigoschin wegen der Videos nachfragt und eine eher blumige Antwort erhalten: "Ksenia, sieh nicht alles so düster, die Kinder haben Spaß", schrieb er via Telegram und ergänzte seine Antwort noch mit Anspielungen auf zwei Kriegsfilme aus Sowjetzeiten. Der Prigoschin-Eintrag endet mit dem Satz: "Denk dran, das Gute wird immer über das Böse triumphieren." Ob diese Geschichte schon in Gänze zu Ende erzählt ist, muss ich erst noch zeigen.

Quellen: BBC, RT, Telegram, Meduza