In den USA ist die mit Spannung erwartete Präsidentschaftswahl angelaufen. Es wird mit einer Rekordbeteiligung gerechnet. Schon kurz nach Öffnung der Wahllokale in den Staaten im Osten um 6 Uhr Ortszeit bildeten sich vielerorts lange Warteschlangen. Ob der Demokrat Barack Obama - wie von den Demoskopen erwartet - gewinnt oder ob sein republikanischer Rivale John McCain doch noch siegt, steht erst in der Nacht zum Mittwoch fest.
Die Wahl startete mit einem nie dagewesenen Ansturm auf die Urnen: erwartet wird mittlerweile eine Rekordbeteiligung von bis zu 130 Millionen Wählern. Bereits um vier Uhr morgens - Stunden vor Öffnung der Wahllokale - hatten sich in manchen Städten lange Warteschlangen gebildet.
Zugleich meldeten Wahlhelfer und -beobachter erste Schwierigkeiten: In mehreren Fällen kam es zu erheblichen Verzögerungen bei der Abstimmung, weil beispielsweise falsche Wahlzettel oder Wählerlisten vorlagen. Wähler beklagten sich vielerorts auch darüber, dass es bei weitem nicht genügend Wahlautomaten gegeben habe. So mussten die Wähler in Teilen New Jerseys auf Wahlzettel aus Papier ausweichen, weil die Wahlmaschinen nicht funktionierten.
Wahlzettel ohne Präsidenten-Namen
In Kansas City (Missouri) konnte in einigen Wahllokalen erst mit dreistündiger Verspätung gestartet werden, weil den Wahlhelfern falsche Registrierungslisten vorlagen. Auch in Shaker Heights (Ohio) staunten Wähler nicht schlecht, als ihnen zunächst falsche Wahlzettel ausgehändigt wurden, auf denen die Namen der Präsidentschaftskandidaten fehlten.
Ein Team von europäischen Wahlbeobachtern kritisierte, dass es bei seiner Arbeit behindert werde. Die Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die der deutsche Bundestagsabgeordnete Patrick Meinhardt (FDP) begleitet, hält sich zur Zeit in Fort Lauderdale, Florida auf. Überrascht erfuhren die Beobachter, dass sie nur ein einziges, von den US-Behörden ausgesuchtes Wahllokal besuchen durften.
"Wir alle halten das für ein inakzeptables Vorgehen", erklärte Meinhardt. "Einer Wahlbeobachterdelegation darf nicht vorgeschrieben werden, welche Wahllokale sie zu besuchen hat, geschweige denn, welche sie nicht besuchen darf." Gerade in Florida, dem Staat, in dem es bei den US-Wahlen im Jahr 2000 zu Unklarheiten gekommen war, habe man sich ein höheres Maß an Sensibilität gewünscht.
Zu einer ersten juristischen Auseinandersetzung kam es im umkämpften Staat Ohio. Dort lehnte es ein Richter am Montagabend ab, in mehrheitlich von Schwarzen bewohnten Stadtteilen die Öffnung der Wahllokale zu verlängern oder zusätzliche Wahlmaschinen aufstellen zu lassen. Geklagt hatte die Nationale Vereinigung für die Förderung Farbiger (NAACP), die erklärte, in diesen Wahlkreisen könne es zu einem Ansturm auf die Wahllokale kommen. Der Richter wies jedoch die Wahlhelfer an zu verbreiten, dass jeder, der bis 19 Uhr in der Schlange stehe, seine Stimme noch abgeben könne.
Obama und seine Frau Michelle schritten am Dienstagmorgen (Ortszeit) in ihrer Heimatstadt Chicago im Bundesstaat Illinois zur Wahlkabine. Das Ehepaar wurde von den beiden Töchtern begleitet, als es gegen 7.30 Uhr das Wahllokal betrat. Nach dem Tod von Obamas Großmutter auf Hawaii am Vortag waren die Obamas in schwarz gekleidet. Bevor der Präsidentschaftsanwärter seine Kreuze setzte, erklärte er den Stimmzettel seinen Töchtern. Anschließend wollte er nach Indiana reisen, um dort seine Kampagne fortzusetzen.
McCain gab seine Stimme in Phoenix im US-Bundesstaat Arizona gemeinsam mit Ehefrau Cindy ab. Die republikanische Vize-Kandidatin Sarah Palin ging mit ihrem Mann Todd in Wasilla im US-Bundesstaat Alaska zur Wahlurne.
Erstes Ergebnis spricht für Obama
Den Auftakt zur Wahl hatten zwei Dörfer im Nordosten des Landes gemacht, wo die Wahllokale schon um Mitternacht öffneten. Das erste Ergebnis wurde in Dixville Notch in New Hampshire bekanntgegeben: 15 Stimmen entfielen dort auf Obama, 6 auf McCain. Obama hat damit die 40-jährige Vorherrschaft der Republikaner gebrochen. Bisher gelang es allein dem demokratischen Kandidaten Hubert Humphrey 1968, in diesem Wahllokal zu siegen. Humphrey verlor allerdings am Ende gegen Richard Nixon.
Die Einwohner von Dixville Notch pflegen seit 1960 zusammen mit der Gemeinde Hart's Location die Tradition, als erste zu wählen. Auch dort siegte Obama mit 17 Stimmen vor McCain (10) und einem weiteren Bewerber (2). Diesmal haben zudem 29 Millionen Bürger in 30 der 50 US-Staaten die Möglichkeit genutzt, schon vor Öffnung der Wahllokale am Dienstag ihre Stimme abzugeben. Die hohe Beteiligung an diesem "Early Voting" wird als Vorteil für Obama betrachtet.
Wahlberechtigt sind insgesamt 213 Millionen Bürger. Nach einer letzten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup für die Zeitung "USA Today" wollen 53 Prozent der Befragten den demokratischen Kandidaten Barack Obama als neuen Präsidenten, 42 Prozent sind für den Republikaner John McCain. In anderen Umfragen beträgt der Vorsprung für Obama lediglich sieben bis acht Prozentpunkte. Nach jüngsten Umfragen der Universität Quinnipiac führt Obama in den beiden möglicherweise entscheidenden Staaten Ohio und Pennsylvania, während sich in Florida ein Kopf-an-Kopf-Rennen abzeichnet.
In den Vereinigten Staaten wird der Präsident nicht direkt, sondern durch 538 Wahlmänner aus den einzelnen Bundesstaaten gewählt. Diese stimmen traditionell entsprechend dem Ergebnis in ihren Staaten. Der Gewinner eines Bundesstaates erhält jeweils alle zu vergebenden Wahlmännerstimmen, sobald ein Kandidat mindestens 270 Wahlmännerstimmen gesammelt hat, ist die Abstimmung entschieden. Die Wahlmänner stimmen am 15. Dezember ab, der neue Präsident wird am 20. Januar ins Amt eingeführt.
Obama dankt McCain für Kondolenz
Vor mehreren zehntausend Menschen in Charlotte, North Carolina, gedachte Obama auf einer seiner letzten Wahlkampfreden am Montag seiner tags zuvor verstorbenen Großmutter. "Sie ist heimgegangen", sagte er und versetzte die Menge mit einer emotionalen Ansprache in eine ungewohnte Stille. Seine Großmutter habe zu den zahllosen stillen Helden Amerikas gehört, die sich aufopferungsvoll für ihre Kinder und Enkel einsetzten. Obamas Großmutter Madelyn Payne Dunham war im Alter von 86 Jahren auf Hawaii an Krebs gestorben. Ihre Stimme hatte sie bereits vor ihrem Tod per Briefwahl abgegeben.
McCain kondolierte dem politischen Gegner. Zusammen mit seiner Frau Cindy veröffentlichte er eine Erklärung mit den Worten: "Unsere Gedanken und Gebete gehen hinaus zu ihnen." Obama dankte McCain für sein Mitgefühl.
Neben der Wahl des Präsidenten stehen auch Kongress- und Gouverneurswahlen sowie mehrere Volksabstimmungen an. Neu zu wählen sind alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses. Dort hoffen die Demokraten auf eine Ausweitung ihrer Mehrheit von bislang 235 zu 199 Mandaten bei einem vakanten Sitz.
Außerdem ist der Senat zu einem Drittel neu zu wählen. Von den 35 zur Wahl stehenden Sitzen wurden bislang 23 von den Republikanern und 12 von den Demokraten gehalten. Insgesamt gibt es im Senat bisher 49 Republikaner, 49 Demokraten und zwei Unabhängige. Von den 50 Gouverneuren der Einzelstaaten sind elf neu zu bestimmen. Das Augenmerk richtet sich dabei besonders auf drei Staaten mit knappen Mehrheitsverhältnissen: Indiana, North Carolina und Washington.