Das Wort "überparteilich" ist in den USA fast schon in Verruf geraten. Früher gehörte die Ankündigung, das Land über die Parteigrenzen hinweg zu einen, zum Standardversprechen jedes ambitionierten Politikers. Doch mittlerweile scheint es selbst aus den Sonntagsreden politischer Führungsfiguren zu verschwinden. Umso überraschender, das für den Parteitag der Demokraten nun ausgerechnet mehrere Republikaner aus dem Hut gezaubert wurden, die sich offen gegen ihren Mann in Weißen Haus stellen.
Mit Trump drohen "schreckliche Konsequenzen"
Zu den prominentesten konservativen Rednern zählt der ehemalige Gouverneur von Ohio, John Kasich. Der war vor vier Jahren selbst Präsidentschaftskandidat der Republikaner und gilt seitdem als erklärter Gegner Donald Trumps. Vor dem virtuellen Parteitagsforum setzte er sich nun für Joe Biden ein: "Ich bin ein lebenslanger Republikaner, aber diese Verbundenheit steht an zweiter Stelle hinter meiner Verantwortung für mein Land."
Von seinem Auftritt erhofft sich der frühere Regierungschef, das er auch andere enttäuschte Republikaner überzeugen kann, statt für Trump für Biden zu stimmen. Amerika befinde sich an einem Scheideweg, es drohten "schreckliche Konsequenzen", wenn man den bisherigen Weg unter dem US-Präsidenten weitergehe, sagte er. Biden sei der "Mann unserer Zeit", er könne das Land zusammenbringen, so Kasich.
Noch eine Gouverneurin gegen den US-Präsidenten
Neben Kasich trat auch Christine Whitman auf, die frühere republikanische Gouverneurin von New Jersey und spätere US-Umweltministerin. Sie begann ihre Rede mit der Frage: "Was tue ich eigentlich hier? Ich bin mein Leben lang Republikanerin!" Was sie tat, war an die Menschen zu appellieren, Biden zu wählen. "Es geht nicht um Republikaner oder Demokraten. Es geht um eine respektable Person, die stark ist und mit allen zusammenarbeiten wird, um die Dinge wieder voranzubringen. Diese Person ist nicht Donald Trump", so die 73-Jährige.
Daneben machten sich zudem die Ex-Vorstandschefin von Hewlett Packard, Meg Whitman, und die republikanische Ex-Abgeordnete Susan Molinari für den Herausforderer stark. Sowie ein früherer Mitarbeiter aus Donald Trumps engstem Führungszirkel: Miles Taylor, ehemaliger Stabschef des Heimatschutzministeriums und derzeit bei Google. Er warf Trump vor, der nationalen Sicherheit aktiv zu schaden. In einem Beitrag für die "Washington Post" hatte er zuvor aus dem Nähkästchen geplaudert und dem US-Präsidenten einen Regierungsstil vorgeworfen, der allein auf Eigennutz ausgerichtet sei.
Scharfe und schnelle Videos gegen Trump
Taylor ist nicht der Einzige aus einer ganzen Reihe ehemaliger Mitarbeiter, die sich demonstrativ von Donald Trump abgewendet haben. Dazu zählen ebenfalls Ex-Stabschef John Kelly und Ex-Verteidigungsminister James Mattis. Besonders spektakulär war die Abrechnung per Enthüllungsbuch durch den früheren Sicherheitsberater John Bolton. Mit Spannung erwartet werden zudem die Schilderungen von Trumps langjährigen Anwalt und Ausputzer Micheal Cohen, die Anfang September erscheinen werden.
Obwohl Umfragen zufolge mindestens 80 Prozent der Republikaner hinter ihrem Präsidenten stehen, regt sich immer wieder Widerstand gegen den Mann im Weißen Haus. So machen diverse Grüppchen innerhalb der Partei mobil gegen ihn. Am auffälligsten ist bislang das "Lincoln Project", das mit schnell und scharf produzierten Videos gegen den US-Präsidenten schießt. Schon im Vorwahlkampf der konservativen Partei gab es eine Handvoll Kandidaten, die gegen Donald Trump antreten wollten. Zwar hatte keiner von ihnen eine Chance, doch in der Vergangenheit wurde noch nie ein US-Präsident im Amt bestätigt, der innerparteiliche Gegenkandidaten hatte.