Wirtschaft in Afghanistan Edelsteine vom Hindukush

Das laute Kreischen der Schleifmaschinen übertönt jedes Gespräch in der schlichten Werkstatt im Zentrum von Kundus. Konzentriert bearbeiten mehrere Männer Lapislazuli. Der leuchtend blaue Edelstein ist überall im Norden Afghanistans zu finden und wird in der bitterarmen Provinz Badakhshan gefördert.

Das laute Kreischen der Schleifmaschinen übertönt jedes Gespräch in der schlichten Werkstatt im Zentrum von Kundus. Konzentriert bearbeiten mehrere Männer Lapislazuli. Der leuchtend blaue Edelstein ist überall im Norden Afghanistans zu finden und wird in der bitterarmen Provinz Badakhshan gefördert. Mustertafeln an den Wänden der Werkstatt zeigen, wie Lapislazuli zugeschnitten werden muss, um zum Schmuckstück zu werden. Die neue Schule für Edelsteinschleifer wurde vom Entwicklungshilfeministerium in Berlin bezahlt.

Faqir Muhammad Fanar, der Chef der Juweliersgilde von Kundus, ist stolz auf die Schule. „Wenn die Studenten eine bessere Ausbildung haben, können sie ihre Schmuckstücke auch in andere Regionen der Welt verkaufen“, sagt er und verteilt rosafarbene Rubine, grüne Smaragde und blauen Lapislazuli auf seinem Schreibtisch. „Auf dem Weltmarkt sind unsere Steine sehr teuer“.

Seit jeher ist Afghanistan berühmt für die Qualität seiner Rubine, Smaragde, Saphire, Turmaline und Lapislazuli, die vielerorts noch mit mittelalterlichen Methoden aus dem Berg geholt werden. Edelsteine vom Hindukusch sind etwa in den britischen Kronjuwelen und im indischen Prachtbau Taj Mahal verarbeitet. Und die Nachfrage nach afghanischen Steinen steigt weltweit. Nur den Profit machen andere: 95 Prozent der Edelsteine werden Schätzungen zufolge im Rohzustand nach Pakistan geschmuggelt, dort zugeschnitten und dann zu einem weit höheren Preis auf dem Weltmarkt verkauft.

„Die Idee ist, die Steine hier zu schleifen, sie hier zu Schmuckstücken zu verarbeiten und damit auch einen viel größeren Teil des Profits hier zu ernten“, sagt Sam Le Prevost, der für die neue Schule in Kundus zuständige Berater der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Etwa 18 Jahre alt sind die Schüler. 16 von ihnen haben ihre Ausbildung bereits begonnen, 50 sollen es einmal sein. Auf 300 Millionen Dollar im Jahr schätzen Experten den Markt für afghanische Edelsteine. Viel Geld für das kriegsgeplagte Afghanistan, das mit einer Analphabetenquote von 90 Prozent als ärmstes Land der Welt außerhalb Schwarzafrikas gilt.

DEUTSCHE PROJEKTE SOLLEN WIRTSCHAFT IM NORDEN ANKURBELN

Die Edelsteinschleifer-Schule ist eines von fünf Projekten, mit denen das deutsche Entwicklungshilfeministerium der Wirtschaft im Norden Afghanistans auf die Beine helfen will. Auch bei den anderen Vorhaben geht es vor allem darum, die Wertschöpfung im Land zu behalten: Im Unruhedistrikt Chahar Darrah etwa wurde 2008 eine Fabrik zur Herstellung von Marmelade und Tomatenmark eröffnet. Obst und Gemüse gab es im fruchtbaren Kundus-Tal zwar längst, nur keine Möglichkeit, sie für den Export haltbar zu machen. Auch der Aufbau einer Gerberei, einer Design-Schule zur Herstellung von Teppichen und Hilfen zur Vermarktung einheimischer Heilkräuter werden angestrebt.

Getrübt werden die Zukunftsaussichten allerdings durch die drastisch verschlechterte Sicherheitslage gerade in der Unruheprovinz Kundus. „Wenn die Sicherheitslage nicht gut ist, können die Juweliere nicht zu anderen Orten reisen, und es können auch keine Edelsteine in den Bergen gefördert werden“, sagt Schulleiter Abdulrahim Hanak, der zugleich Spross einer bekannten Edelstein-Dynastie in Kabul ist.

Auch die Exportchancen für afghanischen Schmuck nehmen ab. „Die internationalen Händler, die die Steine kaufen könnten, kommen nicht hierher, weil sie Angst haben“, bedauert Hanak. Konkrete Sicherheitsbedenken für die Edelsteinschleifer-Schule in Kundus hat der Brite Le Prevost aber nicht. „Die Einheimischen schützen die Schule, weil sie wissen, dass sie gut ist für die Gemeinschaft.“

Reuters
Sabine Siebold/Reuters

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