Ukraine-Krieg Grausamkeiten und Chancen: Was kann Trumps Friedensplan?

Jeden Tag richtet Russland Zerstörungen in der Ukraine an. US-Präsident Trump will den Krieg stoppen. Foto: Kateryna Klochko/AP/
Jeden Tag richtet Russland Zerstörungen in der Ukraine an. US-Präsident Trump will den Krieg stoppen. Foto
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Seit über dreieinhalb Jahren verheert Russlands Angriffskrieg das Nachbarland Ukraine. Kiew ist in der Defensive, und das ist auch bei US-Vorschlägen für ein Kriegsende zu spüren.

Donald Trumps Friedensplan für Gaza hatte 20 Punkte - mit 28 Punkten versucht der US-Präsident nun, den seit mehr als dreieinhalb Jahren tobenden Krieg in der Ukraine zu beenden. Die Vorschläge verlangen vor allem dem angegriffenen Land viel ab. Aber auch andere Beteiligte wie Russland und die europäischen Staaten haben daran zu schlucken. Fragen und Antworten zu dem Vorschlag: 

Was wäre für die Ukraine das größte Zugeständnis?

Der von Washington geforderte endgültige und vollständige Verzicht auf die Gebiete Donezk und Luhansk (nebst der schon 2014 von Russland annektierten Krim) wäre für Kiew wohl am schwersten zu akzeptieren. Schließlich ist es den russischen Truppen bis jetzt nicht gelungen, diese Gebiete militärisch ganz einzunehmen. Den Widerstand gegen diese Forderung machte bereits die stellvertretende ukrainische UN-Botschafterin Chrystyna Hajowyschyn deutlich: Ihr Land werde keine Grenzverschiebungen akzeptieren, sagte sie bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats. 

Der Donbass hat für die Ukraine nicht nur symbolische Bedeutung. Wirtschaftlich war er einst das Rückgrat der ukrainischen Industrie. Militärisch sind die ukrainischen Positionen hier bis heute am stärksten ausgebaut. Sie zu verlieren, würde bedeuten, wehrlos gegen einen neuen Angriff zu sein - zumal mit einer verkleinerten Armee, die der Plan ebenfalls vorsieht.

Welche Einwände könnte Kiew sonst noch haben? 

Eine weitere Hürde für die Ukraine wäre, den angestrebten Nato-Beitritt aus der Verfassung zu streichen. Allerdings hat Kiew dieses Ziel zuletzt nicht mehr mit Nachdruck verfolgt, weil klar ist, dass die USA und andere große Nato-Staaten sich sperren. Die Ukraine soll zudem eine Verkleinerung ihrer Armee akzeptieren. Derzeit zählt die kämpfende Truppe etwa 800.000 Männer und Frauen. Für ein europäisches Land, das nicht mehr kämpfen muss, wären die diskutierten 600.000 Soldatinnen und Soldaten aber immer noch sehr starke Streitkräfte.

Über die Rechte ethnischer Russen und die russische Sprache in der Ukraine versucht Moskau, Einfluss auf die ukrainische Innenpolitik zu nehmen. Das hallt im Friedensplan nach - wird aber dadurch entschärft, dass die Ukraine lediglich angehalten wird, EU-Vorgaben bei der Nationalitätenpolitik einzuhalten.

Welche Probleme könnte Moskau mit dem Plan haben? 

Für Russland ist die geforderte Zahlung von 100 Milliarden Dollar heikel, die aus eingefrorenen Vermögenswerten in den Wiederaufbau der Ukraine fließen sollen. In Moskau wird dies als Reparationszahlung - und somit Schuldeingeständnis - verstanden. Diese Lesart will der Kreml vermeiden, da er seinen Krieg propagandamäßig als eine Befreiung der unterdrückten russischen Minderheit im Nachbarland verkauft. In der Vergangenheit hat Moskau daher immer mit Gegenmaßnahmen gedroht, sollten europäische Länder, wo der Großteil des russischen Geldes liegt, dieses konfiszieren. Dass gerade US-Unternehmen von den Gewinnen profitieren sollen, dürfte wohl auch vielen Russen sauer aufstoßen.

Andererseits muss Russland abwägen: Die geforderte Summe ist weniger als die Hälfte des eingefrorenen Vermögens - das ohnehin vorerst abgeschrieben ist. Wenn der Kreml 100 Milliarden Dollar opfert, könnte er den Rest wieder nutzen und zugleich auf neue internationale Partnerschaften hoffen, um die eigene Wirtschaft anzukurbeln, die zusehends in Schwierigkeiten gerät.

Welche Rollen haben EU und Nato? 

So gut wie keine. Es war schon in den vergangenen Monaten Trumps Politik, über die europäischen Unterstützer der Ukraine, fast alle Mitglieder von EU und Nato, hinwegzugehen. Der Vorschlag offenbart ein verändertes Verständnis des transatlantischen Verteidigungspakts. Die USA sehen sich als Vermittler zwischen Nato und Russland - als ob sie nicht Führungsnation des Bündnisses wären. Die Nato würde kurzerhand angewiesen, ihre Beschlüsse über einen Beitritt der Ukraine einzustampfen und deren Aufnahme auf ewig auszuschließen. Noch 2024 war etwa bei einem Gipfeltreffen in Washington festgehalten worden, dass der Weg der Ukraine zur Nato-Mitgliedschaft "unumkehrbar" sei. Zudem wurde das Bekenntnis "zur Politik der offenen Tür" bekräftigt. 

Könnte die Nato nun dennoch Zugeständnisse machen? Vollkommen ausgeschlossen ist das nicht. So könnte Trump drohen, dass die USA das Bündnis verlassen, sollten die geforderten Zusagen nicht gemacht werden. Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat den neuen US-Plan bislang nicht öffentlich bewertet und wird dies vermutlich auch nicht tun. Seit dem Wiedereinzug von Trump ins Weiße Haus sieht er es als eine seiner Hauptaufgaben an, das Bündnis zusammenzuhalten.

Den EU-Staaten nimmt Trump ihr größtes Druckmittel gegen Moskau, das eingefrorene russische Staatsvermögen. Zwar will auch die EU die Milliarden zur Unterstützung und für den Wiederaufbau der Ukraine einsetzen, hat sich aber bislang nicht auf ein Verfahren einigen können. Nun will Trump das Geld gemeinsam mit Russland in der Ukraine verwenden, und die USA sollen daran noch verdienen. 100 Milliarden US-Dollar sollen die Europäer zusätzlich zahlen.

Gibt es auch Lob für den Plan? 

Experten verweisen darauf, dass vieles an den 28 Punkten ungenau formuliert, widersprüchlich und rechtlich fragwürdig sei. Lob findet der Vorschlag, das russisch besetzte Atomkraftwerk Saporischschja der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA zu unterstellen und den Strom gleichermaßen an die Ukraine und Russland zu verteilen. 

Der Plan setzt darauf, den generellen Sicherheitskonflikt mit Russland in Europa zu entschärfen. Dazu sollen gegenseitige Nichtangriffserklärungen dienen. Moskau soll dies sogar gesetzlich verankern. Allerdings dürfte dieser diplomatische Rahmen Zeit erfordern. Und die Kämpfe in der Ukraine sollen erst enden, wenn alle Teile des Plans vereinbart sind und umgesetzt werden.

So fällt das Urteil unterschiedlich aus. Der Plan sei nicht gut, aber vermutlich die bislang beste Grundlage für Verhandlungen, schrieb der britische Russland-Experte Mark Galeotti auf X. Für den deutschen Fachmann Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz überwiegt die Kritik. Er schrieb: "Die Europäer sollten sich aufrecht hinstellen, ihre eigenen Vorschläge für Frieden in Europa auf den Tisch legen und endlich mit Stärke für ihre Zukunft eintreten."

dpa

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