Beim Blick auf die nackten Zahlen dürfte den letzten verbliebenen Republikanern alter Schule Angst und Bange werden: eine ziemlich überwältigende Mehrheit der Wähler möchte Donald Trump wieder im Weißen Haus sehen. Und 92 Prozent der vom Ex-Präsidenten unterstützten Kandidaten für die Zwischenwahlen haben ihre Vorabstimmungen gewonnen. Die Republikaner sind Trump-Partei. Ob die USA auch Trump-Land sind, wird sich bei den "Midterms" im November zeigen. Nicht wenige glauben (und hoffen), dass sich die Grand Old Party (GOP) genannten Konservativen in einem Paralleluniversum verheddert haben, mit dem die meisten Amerikaner nicht viel anfangen können.
Zwischenwahlen – Zeit der Opposition
Traditionell sind die Zwischenwahlen eine sichere Bank für die Opposition. Zwei Jahre nach und zwei Jahre vor der US-Präsidentschaftswahl werden Teile des Senats sowie das gesamte Repräsentantenhaus neugewählt. Üblicherweise gewinnt die Partei, die nicht den Präsidenten stellt. In diesem Jahr sind das die Republikaner. Entsprechend liegen sie auch in den Umfragen vorne, zumindest in denen für das Abgeordnetenhaus. Doch dort wird das Rennen enger. Die andere Kongresskammer, der Senat, dürfte an die Demokraten gehen. Bei der GOP werden die ersten Spitzenleute deswegen langsam nervös.
Möglicherweise ist es ausgerechnet das konservativ dominierte Verfassungsgericht, das den Republikanern das Leben schwer macht. Im Sommer hatten die Richter das Recht auf Abtreibung abgeschafft, republikanische Politiker wie Senator Lindsey Graham fordern nun, Schwangerschaftsabbrüche nach der 15. Woche zu verbieten. Damit aber bringt die Partei den Großteil der Frauen gegen sich auf, ganz gleich auf welcher politischen Seite sie stehen. Das Thema ist also ein gefundenes Fressen für die Demokraten. Und Trumps GOP hat noch sehr viele Leute, deren Vorstellungen, gelinde gesagt, ebenfalls polarisieren.
217 Trump-Kandidaten durchgekommen
236 Republikaner hatte der Ex-Präsident im Vorwahlkampf unterstützt. 217 von ihnen konnten sich durchsetzen. Darunter die frühere Miss Ohio und "Washington-Times"-Kolumnistin Madison Gesiotto Gilbert, 30, der "Hillbilly Elegie"-Autor J.D. Vance, 38, offene Rassisten wie Blake Masters, der die grassierende Waffengewalt auf "schwarze Leute" schiebt, sowie fast 160 so genannte "Election Denier". Also Kandidaten, die Trumps Lüge von der "gestohlenen Wahl" unverdrossen ventilieren. In Arizona konnte die dortige Anwärterin auf den Gouverneursposten, Kari Lake, mit der nachweislich falschen Behauptung die Vorwahl gewinnen.
Seine Unterstützung ist keine Siegesgarantie: So haben Donald Trumps Kandidaten abgeschnitten

Was das für die amerikanische Demokratie und den Rechtsstaat bedeutet, wenn Wahlleugner, Verschwörungstheoretiker und offen staatsfeindliche Politiker in die Parlamente einziehen oder sogar Regierungssitze von Bundesstaaten übernehmen, ist nicht absehbar. Vermutlich aber nichts Gutes.
Sollte etwa Kari Lake Gouverneurin von Arizona werden, wird sie dann ein Ergebnis der Präsidentschaftswahl anerkennen, wen es ihr nicht passt? Theoretisch hätte sie die Möglichkeit, die Verifizierung eines Wahlergebnisses zu verhindern. In den vergangenen zwei Jahren haben die Republikaner in den von ihnen regierten Bundesstaaten reihenweise Wahlbeamte gegen loyale Parteigänger ausgetauscht. Etwas wie in Georgia soll sich nicht wiederholen. 2020 hatte sich der dort zuständige Wahlbehörden-Chef geweigert, der Aufforderung Donald Trumps nachzukommen, ihm fehlende Stimmen zu "besorgen". Der Bundesstaat war mitentscheidend für seine Niederlage.
Demokraten wünschen sich Trump-Konkurrenz
Doch nicht überall bereiten die Trump-Günstlinge Sorgen. In New Hampshire etwa, einem relativ liberalen Staat im Nordosten der USA, hatten die Demokraten im Vorwahlkampf sogar offen den Rechtsaußen Bob Burns unterstützt. Ihr Kalkül: Der Mann ist für die allermeisten Bürger derartig ultrakonservativ und damit unwählbar, dass er bei den "Midterms" chancenlos wäre. Ähnliches dürften sich moderate Republikaner und Demokraten auch von der Innenminister-Kandidatin für Michigan, Kristina Karamo, erhoffen. Sie unterstützt nicht nur Trumps Wahllügen, sondern fällt ebenso mit bizarren Thesen auf: So hält sie Yoga und die Rapperin Cardi B. für Werkzeuge des Teufels. Auch wenn viele Amerikaner oftmals ein Herz für unkonventionelle Kandidaten haben, den Umfragen zufolge hat die 36-Jährige derzeit keine Chance gegen ihren demokratischen Kontrahenten.
Sicher ist schon jetzt: Bei der Zwischenwahl am 8. November werden sich die Geister scheiden. Spätestens dann wird das Trump-Lager wissen, ob sie auch im Land mehrheitsfähig sind, oder nur bei den ohnehin nach rechts gerückten Republikanern. Und allerspätestens dann wird Königsmacher Trump selbst seine Kandidatur bekannt geben, vermutlich auch dann, wenn seine Schützlinge nicht ganz so gut abschneiden sollte. Manch ein interner Trump-Kritiker hofft allerdings darauf, dass der Ex-Präsident schon zuvor seinen Hut in den Ring wirft. Denn dann werden die "Midterms" zur Abstimmung über Donald Trump, mit einem möglicherweise unvorteilhaften Ausgang.
Quellen: DPA, AFP, Reuters, Opensecrets.org, FiveThirtyEight, "New York Times", Bloomberg, "Washington Examiner", Fox News, "The Atlantic"