Wenn die CSU eine Delegation ins Ausland entsendet, klingt das mediale Begleitkonzert normalerweise eher piano. Vermutlich wäre es darum niemandem groß aufgefallen, dass in der vergangenen Woche eine kleine bayerische Reisegruppe im US-Bundestaat Florida weilte. Seit aber Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer ein Foto in den sozialen Medien gepostet hat, das ihn und die Fraktionskollegen Florian Hahn und Dorothee Bär zeigt, klingt der mediale Soundtrack zur Reise stark nach Hard Rock.
CSU hat Maßkrug für Gouverneur dabei
Das Posting zeigte neben Scheuer, die CSU-Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär und Florian Hahn, wie sie gemeinsam Ron DeSantis, dem umstrittenen Gouverneur von Florida, ihr Mitbringsel überreichen: einen bayerischen Maßkrug mit bajuwarisch-amerikanischem Flaggenmotiv. DeSantis scheint den Krug zu mögen. Und Scheuer DeSantis. Jedenfalls lobte er dazu die "starken strategischen und außenpolitischen Einschätzungen" des Gouverneurs.
Die Szenerie wirkt ein klein wenig zu einträchtig, um in ihr zwingend das Finale der kritischen Debatte zu vermuten, die man mit DeSantis hätte führen können. Viele sind der Ansicht: müssen. Über seine ultrakonservative, evangelikale Politik; ein kürzlich verschärftes Abtreibungsrecht, das Abbrüche nur noch bis zur sechsten Schwangerschaftswoche erlaubt; das Verbot, im Schulunterricht das Thema sexuelle Orientierung zu behandeln. DeSantis ist nicht irgendein Provinzregent, er gilt als aussichtsreichster Trump-Gegner im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner.
Und so einer ist jetzt also Freund der CSU? Twitterdeutschland schäumte. "Die Union entlarvt wes Geistes Kind sie sind: Rechtsaußen wird umgarnt", schimpfte etwa Katja Mast von der SPD. Für Scheuer zunächst nichts weiter als "linke Erregungskultur", Motto: Man wird wohl noch miteinander sprechen dürfen, so unter Transatlantikern. Seine Äußerungen vom Montag klingen nun weniger zurückhaltend: "Ich teile die Analysen von DeSantis. Das mag einige schockieren. Aber dazu stehe ich", sagte Scheuer dem Nachrichtenportal "T-Online". "Die Menschen, die ich treffe, haben ganz andere Sorgen als Klimahysterie oder Genderfragen."
Dorothee Bär weist Kritik zurück
Geteilte Analysen also. Und Klimahysterie. Das klingt nicht mehr ganz so gelassen, auch nicht mehr ganz so distanziert. Weniger nach Diplomatie als nach dem Schulterschluss, den man der Reisegruppe ohnehin unterstellte.
Diesen Vorwurf weist nun die mitgereiste Dorothee Bär, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, weit von sich. Man habe offen miteinander gesprochen und "natürlich auch Kritik geäußert", sagte Bär dem stern. "Ron DeSantis ist ohne Zweifel ein nicht unumstrittener Republikaner, er ist aber als Gouverneur von Florida ein einflussreicher Politiker, dem das Potential zugesprochen wird, eine zweite Amtszeit von Trump zu verhindern und der nächste amerikanische Präsident zu werden."
Ob ein US-Präsident DeSantis erstrebenswerter erschiene als eine weitere Runde Trump, ist hochumstritten, ausgeschlossen ist es freilich nicht. "Mit ihm Gesprächskanäle aufzubauen ist daher im ureigenen transatlantischen und europäischem Interesse. Um Frieden in Europa für die Zukunft zu sichern und – mit Blick auf den Krieg in der Ukraine – wiederherzustellen, sind wir zwingend auf die Amerikaner angewiesen."
In diesem Sinne war die mit der Fraktion abgestimmte "Dienstreise" (Bär) beinahe schon eine vorauseilende Friedensmission.