"Ethikkommission" zur Energiepolitik tagt Viel Rauch um Nichts

Kritiker halten sie ohnehin nur für ein Ablenkungsmanöver der Kanzlerin: Bei der ersten Zusammenkunft der sogenannten Ethikkommission haben sich Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft zu einem möglichen Atomausstieg geäußert. Neue Aspekte suchte man allerdings vergebens.

In einer öffentlichen Sitzung hat die von der Bundesregierung eingerichtete "Ethikkommission" zur Energiepolitik mit Experten die Chancen und Risiken eines schnellen Atomausstiegs abgewogen. Die "entscheidende Frage" sei, wie schnell ein sicherer Umstieg auf erneuerbare Energien möglich sei, sagte der Vorsitzende der Kommission, der frühere Umweltminister Klaus Töpfer (CDU), bei den Beratungen am Donnerstag in Berlin.

Bei der live im Fernsehen und im Internet übertragenen Sitzung kamen unter anderem Experten aus Wissenschaft, Energiebranche und Verbraucherverbänden zu Wort. Die "Ethikkommission", die die Bundesregierung nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima gegründet hatte, soll unter Vorsitz Töpfers und des Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Matthias Kleiner, bis zum 28. Mai Empfehlungen für für eine Energiewende vorlegen.

Eon-Chef verweist auf Vorteile der Atomkraft

"Es gibt keine einfachen Antworten", hob Kleiner zu Beginn der Beratungen hervor. Nicht "ein Wettbewerb der Bedenken, sondern eine Vielfalt der Ideen" seien gefragt. Die Kommission wolle mit ihrer Arbeit einen Beitrag zu einem "breiten gesellschaftlichen Konsens" leisten. Töpfer sagte, es gehe beim Umstieg auf erneuerbare Energien darum, die Atomenergie zu verlassen, ohne Arbeitsplätze zu gefährden und das Klima nicht zusätzlich zu belasten.

Der Chef des Energieriesen Eon, Johannes Teyssen, warnte in der Sitzung vor einem raschen Abschalten der Atomkraftwerke. Nur mit der Atomkraft als Brückentechnologie könne auf neue Kohle- und Gaskraftwerke oder den Import von Atomstrom verzichtet werden, sagte Teyssen. "Die Brücke kann man nicht beliebig kürzer und schmaler machen." Die Vorteile der Atomkraft müssten im Auge behalten werden.

Der Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energie, Dietmar Schütz, drängte auf einen schnellen Ausbau von Wind- oder Solarenergie. Er brachte vor allem seine Hoffnung zum Ausdruck, dass in Bayern oder nach dem Regierungswechsel in Baden-Württemberg die Windkraft im Süden Deutschlands ausgebaut werde. Der Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (DENA), Stephan Kohler, mahnte Fortschritte beim Ausbau der Stromnetze und bei der Energieeffizienz an.

"Verändertes Sicherheitsgefühl der Bevölkerung"

Auch unter den Experten aus der Wissenschaft wurden in der Diskussion unterschiedliche Auffassungen deutlich. Mit einer schnellen Abschaltung der Atomkraftwerke werde Deutschland die selbst gesteckten Klimaziele bei der Reduzierung von CO2-Emissionen verfehlen, zeigte sich etwa der Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie, Eberhard Umbach, überzeugt. Nach der Reaktor-Katastrophe von Fukushima habe sich lediglich das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung verändert, die deutschen Atomkraftwerke gehörten aber nach wie vor zu den sichersten der Welt.

Der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, Eicke Weber, plädierte für einen schnellen Ausstieg aus der Atomkraft. Ein Atomunfall gefährde Millionen von Menschen, sagte er. Die Kernkraft sei daher keine Technologie, die Menschen benutzen sollten. Deutschland sollte deshalb als Beispiel vorangehen.

Unterdessen haben Atomkraftgegner die Zusammensetzung der Kommission kritisiert und die Beteiligung von Anti-Atom-Organisationen gefordert. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg verfolgte die öffentliche Sitzung des von der Bundesregierung eingesetzten Gremiums auf einer Leinwand in der Nähe des Salzstocks Gorleben, der als mögliches Atomendlager erkundet wird. Sprecher Wolfgang Ehmke kritisierte, es sei nicht akzeptabel, dass die "Ethikkommission" Umweltverbände und Anti-Atom-Organisationen bei der Befragung außen vor lasse. Die Atomkraftgegner forderten das Gremium auf, sich auch mit der ungelösten Frage der Endlagerung von hoch radioaktivem Müll zu beschäftigen.

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be/AFP/DPA