Abwehr Gekapertes Flugzeug im Extremfall abschießen

Ein entführtes und von Terroristen als Waffe eingesetztes Flugzeug kann in Deutschland künftig abgeschossen werden. Darauf verständigten sich SPD und Grüne nach monatelangen Verhandlungen.

Ein entführtes und von Terroristen als Waffe eingesetztes Flugzeug kann in Deutschland künftig abgeschossen werden. Der Verteidigungsminister darf den Abschuss aber nur als letztes Mittel befehlen. Darauf verständigten sich SPD und Grüne nach monatelangen Verhandlungen. Dennoch wurden nicht alle Differenzen ausgeräumt. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sagte in Berlin, der Entwurf entspreche nicht ganz seinen Vorstellungen. Er hoffe noch auf Veränderungen im parlamentarischen Verfahren. Die Union kritisierte den Entwurf als Stückwerk.

Auslöser für den Gesetzentwurf waren die Terroranschläge in den USA am 11. September 2001 und der Irrflug eines geistig verwirrten Mannes im Januar dieses Jahres über dem Rhein-Main-Gebiet. Struck hatte damals Abfangjäger aufsteigen lassen, nach dem guten Ausgang des Vorfalls aber Rechtsunsicherheit beklagt. In der Diskussion um ein neues Gesetz hatte Struck Bedenken angemeldet, ob der Einsatz der Bundeswehr ohne Grundgesetzänderung möglich ist. Was er an dem Entwurf jetzt noch geändert haben möchte, sagte Struck nicht.

"Die Verhältnismäßigkeit der Mittel ist das entscheidende Kriterium"

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, sagte der dpa, eine Verfassungsänderung sei nach Auffassung der Koalition nicht notwendig. Der Gesetzentwurf lasse den Einsatz von Waffengewalt nur als allerletztes Mittel zu. Vordringlich seien zunächst andere Maßnahmen wie Abdrängen, zur Landung zwingen, Androhung von Waffengewalt und Warnschüsse.

"Nur in den Fällen, wo das alles nicht wirkt und klar ist, dass das Flugzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, darf auch Waffengewalt angewandt werden", sagte Beck. In diesem Extremfall liege die Kompetenz beim Verteidigungsminister. "Die Verhältnismäßigkeit der Mittel ist das entscheidende Kriterium."

Im Einzelfall entscheiden

Nach Auffassung der Koalition ist der Einsatz der Luftwaffe durch Artikel 35 des Grundgesetzes gedeckt. Danach kann als Katastrophenhilfe auch die Bundeswehr eingesetzt werden. Die Union hält dagegen nach wie vor eine Verfassungsänderung für nötig. Der Verfassungsartikel kennt noch keine Terrorangriffe, sondern regelt die Amtshilfe bei Naturkatastrophen und Unglücksfällen.

Daraus lässt sich laut Beck aber auch der Einsatz der Luftwaffe ableiten. Keinen Eingang in den Gesetzentwurf fand die ursprünglich vorgesehene Abwägung, wie viele Leben in solch einem Extremfall gerettet werden können und wie viele geopfert werden müssen. Für die Entscheidung in solch einer Situation müssten alle Umstände des Einzelfalls bewertet werden, sagte Beck.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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FDP: Luftsicherheitsgesetz nicht zwingend notwendig

Auch die FDP sieht keinen Anlass für eine Änderung des Grundgesetzes. Ihr Innenexperte Max Stadler hält ein Luftsicherheitsgesetz für nicht zwingend notwendig. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze für Notstand und Nothilfe ließen auch im Einzelfall die erforderlichen Abwägungen zu.

Der Verteidigungsexperte der Union, Hans Raidel (CSU), bemängelte, dass die Koalition kein Gesamtverteidigungskonzept vorlege. Struck habe sich beim Luftsicherheitsgesetz nicht gegen Innenminister Otto Schily (SPD) durchsetzen können. Ohne eine Änderung des Grundgesetzes fehle die ausreichende Rechtssicherheit. Terrorangriffe drohten außerdem nicht nur aus der Luft, sie könnten genauso gut vom Wasser oder vom Land kommen.

Die übrigen Teile des Gesetzes waren politisch nicht umstritten. Dabei geht es um Fragen der Staatshaftung und zusätzliche Sicherheitsbestimmungen, um Entführungen schon im Vorfeld zu verhindern.