EU-Parlament Wie extrem sind die neuen Partner der AfD in Europa?

René Aust, Alice Weidel und Tino Chrupalla sitzen bei einer Pressekonferenz vor AfD-Logo
Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel (M.) und Tino Chrupalla (r.) mit René Aust (l.), dem neuen Chef der rechtsäußeren Fraktion im Europaparlament.
© Bernd Elmenthaler / Imago Images
Nach langen Verhandlungen bildet die AfD im EU-Parlament eine Fraktion. Dazu gehören hauptsächlich Rechtsextremisten und Russlandfreunde.

So schnell kann es in der AfD gehen. 2017 heuerte der frühere Sozialdemokrat René Aust bei der Thüringer Landtagsfraktion als Referent an. Zwei Jahre später ließ er sich in den Landtag wählen und war bald darauf Stellvertreter von Landesparteichef Björn Höcke. 

Nun wird Aust Vorsitzender einer neuen Fraktion im Europaparlament. Sie heißt "Europa der Souveränen Nationen" (ESN), wurde nach der offiziellen Gründung am Mittwochabend mitgeteilt.

23 Abgeordnete aus sieben Ländern müssen sich mindestens für eine Fraktion zusammenfinden. Rein rechnerisch sind vorerst mit 25 Mitgliedern aus acht Nationen die Voraussetzungen erfüllt. 

Doch politisch handelt es sich um ein waghalsiges Experiment, das Aust eigentlich vermeiden wollte. Es sei besser, keine Fraktion als eine falsche Fraktion zu bilden, sagte er laut Informationen des stern in einer internen Sitzung der Delegation vor zwei Wochen. Lieber bleibe die AfD unter sich, als sich auf Holocaust-Relativierer einzulassen. Die formale Anmeldefrist am 3. Juli verstrich ergebnislos. 

Doch nun geht Aust ins Risiko, und mit ihm die Parteiführung um Alice Weidel und Tino Chrupalla. Warum? 

Freundlich gegenüber Moskau

Zum einen will die AfD schlicht Geld und Einfluss, also die millionenschweren Fraktionszuschüsse und die mit dem Status verbundenen Antragsrechte. Zum anderen bestünde ohne Fraktion die Gefahr, dass sich AfD-Abgeordnete einzeln oder in Gruppen anderen Fraktionen anschlössen. Denn nur so kämen sie zu politischer Relevanz – und an ein persönliches Budget für Dienstreisen und Veranstaltungen. 

Deshalb das Experiment. Die Versuchsanordnung besteht jenseits der AfD aus jeweils drei Abgeordneten der polnischen Konfederacja ("Konföderation“) und der bulgarischen Wasraschdane ("Wiedergeburt"). Jeweils ein Mitglied entsendet die slowakische Hnutie Republika ("Bewegung Republik“), die "Svoboda a přímá demokracie" ("Freiheit und Demokratie“) aus Tschechien, die französischen Reconquête ("Rückeroberung“) sowie die litauische People and Justice Union ("Vereinigung von Volk und Gerechtigkeit“). Auch eine parteilose ungarische Abgeordnete gehöre dazu, hieß es.  

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die meisten Partner geben sich ausnehmend freundlich gegenüber Moskau und fordern teilweise den Austritt aus Nato und EU. Rechtsextremistisch sind sie sowieso.

Antisemit und Rumänen müssen draußen bleiben

Der designierte AfD-Fraktionschef will dies naturgemäß anders betrachtet haben. Schließlich, sagte Aust dem stern, gehöre der Pole Grzegorz Braun, der im Dezember im Warschauer Sejm eine Chanukkafeier mit einem Feuerlöscher angriff, ebensowenig zur ESN wie der Slowake Milan Mazurek, der wegen rassistischer Äußerungen verurteilt wurde. Zudem habe man die SOS Romania draußen gehalten. Die rumänische Partei gibt sich besonders prorussisch und strebt die Annexion ukrainischer Gebiete an.

"Damit sind die Vorgaben des Bundesvorstandes erfüllt", sagte Aust. "Wir bilden eine stabile Fraktion."

Wirklich? Im Zentrum der Versuchsanordnung befindet sich die AfD. Sie stellt mit 14 Abgeordneten die mit Abstand größte Gruppe und leitet davon auch den Anspruch auf den Vorsitz ab. 

Zwar wurde der skandalbelastete Ex-Spitzenkandidat Maximilian Krah nicht in die Delegation aufgenommen. Doch mittelfristig stellt sich die Frage seiner Aufnahme allein schon deshalb, weil er seit Jahren eine ähnlichen Aufstellung vorbereitet hatte. Krah arbeitete systematisch gegen den Kurs des französische Rassemblement National (RN), den er als zu gemäßigt empfand, und sorgte im Ergebnis mit dafür, dass die AfD kurz vor der Europawahl aus der gemeinsamen Fraktion "Identität und Demokratie" (ID) geworfen wurde. 

Entsprechend selbstbewusst präsentiert sich Krah. Er freue sich, dass "ein von mir seit Jahren vorbereitetes Projekt umgesetzt" werde, teilte er auf X mit und übte sich in taktischer Bescheidenheit: "Die Bedeutung dieses Projektes ist viel größer als meine eigene Rolle."

Gegen den AfD-Abgeordneten Petr Bystron wird ermittelt

Und auch ohne Krah hat die AfD-Delegation noch mindestens ein größeres Personalproblem: Gegen den Abgeordneten Petr Bystron wird ermittelt, weil er sich mutmaßlich mit Geld aus russischen Quellen korrumpieren ließ.

Doch die AfD startet mit der ESN-Fraktion nicht nur ein riskantes Experiment. Sie verbaut sich damit fast schon gezielt die Zusammenarbeit zu den großen rechten Parteien wie Marine Le Pens RN, der italienischen Lega, aber auch der Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni.

Damit zeigt sich erneut: Das Bild der Professionalisierung, das die AfD auch auf ihrem jüngsten Bundesparteitag mit gewissem Erfolg erzeugte, vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass sich ihre Selbstradikalisierung fortsetzt. Auch wenn die neue Fraktion eher aus der Not heraus gegründet wurde: Am Ende setzte Aust zu einem großen Teil das um, was der geschasste Spitzenkandidat Krah vorhatte.

Gut möglich, dass der schillernde Abgeordnete bald in die Fraktion drängt. Das nächste Experiment der AfD hat ja gerade erst begonnen. 

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