Anzeige
Anzeige

Treffen in Braunschweig am Wochenende Wer wird Gaulands Nachfolger? AfD-Parteitag mit Tendenz zum ultimativen Chaos

Parteitag der AfD: Volkswagen- Schriftzug auf Wunsch des Sponsors verdeckt worden




Vor dem Bundesparteitag der AfD in Braunschweig ist am Veranstaltungsort der Schriftzug «Volkswagen Halle» mit grauen Platten verdeckt worden. Ein Sprecher der Betriebsgesellschaft hatte bereits in der vergangenen Woche angekündigt, dass der Name auf Wunsch des Sponsors verdeckt werden soll. Die Belegschaftsvertretung von Volkswagen hatte im August erklärt, keine AfD-Versammlung in einer Halle zu dulden, die als «Volkswagen Halle» zu erkennen sei.
Meuthen kritisiert Volkswagen stark
Auch das Unternehmen unterstütze diese Haltung. AfD-Parteichef Jörg Meuthen hatte vergangene Woche im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland die Abdeckung der Buchstaben kritisiert. Er glaube nicht, dass das Unternehmen Volkswagen sich damit einen Gefallen tue. Der Bundesparteitag der AfD ist für Samstag und Sonntag angesetzt.

Vor dem AfD-Parteitag war eigentlich alles klar: Chrupalla und Meuthen sollten für die Vorstandssprecher-Posten kandidieren. Dann gab es aber skeptische Nachrichten und nun könnte das Treffen in Braunschweig "zum Armageddon werden".

Eigentlich wollten sie alles schon vorher abgesprochen und ausgeklüngelt haben; die Kandidaten, den Ablauf, es sollte ausnahmsweise mal ein ruhiger Bundesparteitag der AfD werden am Wochenende in Braunschweig. 

Es kam dann anders, es wird jetzt doch spannend. AfD-spannend, könnte man sagen, also: unberechenbar, mit Tendenz zum ultimativen Chaos. 

Alexander Gauland, Co-Vorsitzender der Partei und so eine Art präsidiale Überfigur, wollte sich eigentlich aus dem Vorstand der Partei zurückziehen, um sich nur noch auf die Arbeit in der Bundestagsfraktion zu konzentrieren. Er ist nun immerhin auch fast 79 Jahre alt. Der Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla aus dem sächsischen Görlitz sollte ihm folgen, ein "sozialisierter Ossi", wie sie in der Partei sagen, also ein echter, born and raised sozusagen, nicht wie Björn Höcke oder Andreas Kalbitz, die zwar die prominentesten Figuren des Ost-Flügels sind, die aber aus dem Westen nach Thüringen beziehungswesie Brandenburg gezogen sind.

Chrupalla und Meuthen sollten Vorsitzende der AfD werden

Chrupalla sollte, so der Plan, zusammen mit Jörg Meuthen für die beiden Vorstandssprecher-Posten, wie die Parteivorsitzenden in der AfD heißen, kandidieren, eine Ost-West-Doppelspitze und Brücke zwischen den beiden Lagern. So war es in Hinterzimmern abgesprochen, abgemacht, Hände wurden darauf gegeben.

Die Variante gilt, und das hat in der Partei einiges Gewicht, als Gaulands favorisierte Lösung, und sie ist charmant, weil Meuthen, der Volkswirtschafts-Professor, sich als bürgerlich-konservativ verkauft, vermittelbar auch in den moderateren Kreisen der Partei. Und der Malermeister Chrupalla steht gerade so weit rechts außen, dass ihn die richtig harten Jungs vom "Flügel", dem Rechtsradikalen-Netzwerk der AfD, respektieren, ist aber nicht so radikal, dass er in den West-Verbänden gar nicht mehr vermittelbar wäre. 

Dann erreichten Gauland aber aus allen möglichen Richtungen skeptische Nachrichten. Betreff: Beide Kandidaten.

Neidfaktor könnte Chrupalla zum Verhängnis werden

Chrupalla, hörte Gauland, wer ist das schon? Was hat der eigentlich bisher geleistet? Ist der wirklich schon reif? Chrupalla ist Vize-Fraktionschef der Bundestagsfraktion, zuständig für Finanzen, womit er sich eigentlich einen guten Ruf erarbeitet hat. Aber ein altbekannter Reflex in der AfD trat zutage: Neid. Wird einer zu schnell zu groß, bremst man ihn lieber aus. Das könnte Chrupalla jetzt zum Verhängnis werden, zu offensichtlich will er Karriere machen.

Meuthen wiederum, hörte Gauland, sei ein Wendehals, gestern war er noch ein Liberaler, heute findet er dann Höcke gut, morgen distanziert er sich auf einmal wieder vom "Flügel". Ihm wird die Überparteilichkeit der Strömungen in der AfD nicht mehr abgekauft. Die brauche es aber, wenn man der Partei vorsitzen will. 

Parteitag der AfD: Volkswagen- Schriftzug auf Wunsch des Sponsors verdeckt worden

Was also tun? Gauland (und jeder andere in der AfD, der Augen im Kopf hat) hat Angst davor, dass die Partei auseinanderfällt. Die Gräben sind riesig zwischen den nationalistisch-völkischen Mitgliedern auf der einen (östlichen) Seite und eher bürgerlich-konservativen auf der anderen (westlichen) Seite. Nicht auszumalen, was passieren würde, wenn einer der beiden Kandidaten auf dem Parteitag durch die Vorstandswahl fiele. "Dann ist Polen offen", sagt einer aus der Spitze der AfD in typischem AfD-Duktus, "dann wird der Parteitag zum Armageddon".  

Letzte Vorstandswahl wurde zum Trauma für Gauland

Der Vorstand der AfD besteht aus zwei sogenannten Vorstandssprechern und einigen Stellvertretern. Meuthen soll für den ersten Vorstandssprecher-Posten antreten, Chrupalla für den zweiten. Eine Konstellation, die es so ähnlich schon einmal gab: Die letzte Vorstandswahl auf dem Bundesparteitag in Hannover wurde zum tief sitzenden Trauma für Gauland.

2016 trat Jörg Meuthen mit dem Berliner Landeschef Georg Pazderski zur Wahl einer Doppelspitze an. Das Duo schien eigentlich gesetzt – bis die ultrarechte (und inzwischen aus der Partei geworfene) Doris von Sayn-Wittgenstein aus Schleswig-Holstein auftauchte und gegen Pazderski antrat. Während letzterer eine ausgesprochen schwache Rede hielt, streichelte Sayn-Wittgenstein die Seele der Partei, wie Gauland hinterher analysierte. Sie verpasste die Wahl um eine Stimme, es reichte am Ende weder für sie noch für Pazderski. Gauland musste die Partei aus der Sackgasse befreien und selbst antreten.

Die Doris von Sayn-Wittgensteins von heute heißen Nicole Höchst und Gottfried Curio. Höchst, rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete und "Flügel"-Vertreterin, will Meuthen den ersten Sprecherposten streitig machen. Gottfried Curio hat seinen Hut gegen Chrupalla in den Ring geworfen. 

Die beiden eh schon schwachen Kandidaten haben jetzt auch noch starke Gegenkandidaten bekommen.

Chrupalla hat die Rechnung ohne seine Partei gemacht

Dabei ist Tino Chrupalla fest, wirklich sehr fest davon ausgegangen, er würde gemeinsam mit Meuthen – ohne ernsthaften Gegenkandidaten – für den Vorstand kandidieren. Er ging so fest davon aus, dass er kaum Wahlkampf in eigener Sache machte. Ein strategischer Fehler, der sich jetzt rächen könnte. Denn seine Rechnung hat er ohne seine Partei gemacht, diesen "gärigen Haufen", wie Gauland mal sagte. 

Beatrix von Storch(AfD) im Streit um die sogenannte Kopf-ab-Geste mit Johannes Kahrs (SPD)

Gottfried Curio, promovierter Physiker und studierter Musiker, gab seine Kandidatur am vergangenen Samstag per Facebook-Video bekannt. Curio gilt als hochintelligent, gleichzeitig aber selbst in der AfD als eigenbrötlerisch und schwierig im Umgang. Bei der Wahl zum Fraktionsvorstand vor einigen Wochen fiel er durch – eher nicht aus politischen Gründen, Curio begeistert mit demagogischen Reden regelmäßig die Basis der Partei. Sondern weil in der Fraktion kaum einer irgendetwas mit ihm anfangen kann, Curio spinnt keine Netze, hat kaum Vertraute, selbst sein Bundestagsbüro hat nur einen Mitarbeiter, obwohl er drei oder vier oder fünf haben könnte. 

Aber Curio tourte, im Gegensatz zu Chrupalla, in den letzten Wochen in eigener Sache zu den AfD-Stammtischen der Republik und warb für sich. Sein Vorteil: An der Basis weiß keiner, wie schwierig er in der täglichen Arbeit im Umgang ist, die Delegierten kennen ihn nur aus seinen (aus Parteisicht) guten Reden und von Stammtischen. Bei Chrupalla ist es andersrum – er macht ordentliche Arbeit in der Fraktion, ist sonst aber eher unbekannt. 

Curios Präsentation kommt bei der Basis gut an

Ausgerechnet also Curio, den selbst im Fraktionsvorstand kaum einer einschätzen kann. Curio präsentierte sich in seinem Video dann auch als Anti-Establishment innerhalb der Anti-Establishment-Partei. Bei der Basis kommt das gut an. 

Viele Gespräche wurden in den letzten Tagen geführt, es kam auch zu einem Treffen der obersten Führungsriege, man könnte sagen: Krisentreffen. Thema: Muss Gauland seinen Hut schon vor dem Parteitag in den Ring werfen? Oder sind Meuthen und Chrupalla stark genug, um die Vorstandswahl zu überstehen? 

Die Fragen sind im Vorhinein praktisch unmöglich zu beantworten, weil die Delegierten des Parteitags unberechenbar sind. Sicher ist, dass es für beide Kandidaten sehr, sehr knapp wird. Man einigte sich trotzdem darauf, Meuthen und Chrupalla antreten zu lassen, Gauland hat seinen Verzicht erklärt. Offiziell. Inoffiziell wird es auf die Reden der Kandidaten ankommen. Wenn Höchst und Curio es schaffen, die Delegierten zu begeistern, könnte es für Meuthen und Chrupalla richtig eng werden. 

Sollte es dazu kommen, steht Gauland bereit. Lust hätte er schon auch ein bisschen, wie man aus seinem Umfeld so hört. Offenbar fühlt er sich nicht so alt, wie er ist. Tatsächlich wird er bald 79, das Pensum, das er als Vorsitzender der Partei und Vorsitzender der Bundestagsfraktion abreißt, ist immens. Das hatte er, vor ein paar Monaten, auch selbst erkannt und deswegen zu erkennen gegeben, er wolle etwas kürzertreten. Jetzt, wo der Tag näher rückt, fürchtet er sich aber offenbar doch vor dem Bedeutungsverlust. Die Rufe aus den Tiefen der Partei nach einer erneuten Kandidatur kommen ihm da wohl auch nicht ganz unrecht.

Mitarbeit: Tobias Wolf und Ulrich Wolf

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel