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Afghanistan-Einsatz Die Lüge, der Baron und der Krieg

Kein Tag ohne News von Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg: Er will den Dialog mit den Taliban suchen. Die SPD will den Dialog mit ihm im Untersuchungsausschuss unter Eid führen. Und die Bürger? Sehen in ihm weiter den künftigen Kanzler.
Von Frank Thomsen

Alles schläft, Karl Theodor wacht... . Am 4. Adventswochenende leckte der politische Betrieb die Wunden von Kopenhagen und packte die Koffer: In Berlin beginnen die stillen Nächte, die Politik macht Ferien. Nur ein Thema neben dem Klimagipfel läuft unvermindert heiß: Afghanistan. Und nur ein Akteur ist weiter schwer mitteilsam: Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg, holder Knab, politischer Star.

In einem Interview mit der "Welt am Sonntag" brachte er eine neue Idee für den Umgang mit den Taliban in Afghanistan ins Spiel: Unter Umständen müsse man mit gemäßigten Taliban sprechen, um die Lage zu stabilisieren. "Nicht jeder Aufständische bedroht gleich die westliche Gemeinschaft", sagte Guttenberg. Das Abschneiden von jeglicher Kommunikation halte er "mittlerweile nicht mehr für allgemein gültig".

Da war er wieder: Der Politiker, der mit Menschenverstand und Augenmaß an die Sachen herangeht. Und den die Bundesbürger dafür lieben: Einer repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid zufolge trauen 53 Prozent der Deutschen Guttenberg den Kanzler-Job zu. Der hohe Wert ist umso bemerkenswerter, als die Bürger ihm in der Informationspolitik zum umstrittenen Bundeswehreinsatz in Kundus keineswegs glauben, er habe sauber und fehlerfrei gearbeitet. Dass er über das Bombardement korrekt informiert hat, meinen 42 Prozent der Befragten - aber 46 Prozent glauben dem Minister nicht.

Eine stern.de-Umfrage vergangene Woche ergab ein ähnliches Bild: Die Menschen vermuten durchaus Fehler beim jungen Verteidigungsminister in den vergangenen Wochen, sie glauben aber nicht, dass er die Ursache für die Fehler ist.

Zu seinem Hauptfehler - der frühen Festlegung darauf, dass das tödliche Bundeswehr-Bombardement auf rund 100 Taliban und Zivilisten Anfang September militärisch "angemessen" gewesen sei - äußerte sich Guttenberg ebenfalls in dem "Welt am Sonntag"-Interview. Die Einschätzung habe auf zwei Berichten beruht, dem Isaf-Bericht und einem Rot-Kreuz-Bericht. Dann der entscheidende Satz: "Natürlich war auch der militärische Rat der Spitze meines Hauses maßgeblich. Dieser Ratschlag fiel eindeutig aus: Der Angriff war militärisch angemessen." Erst das veränderte Gesamtbild habe ihn später bewogen, diese Einschätzung als falsch zu erkennen, deshalb habe er sie erst später korrigiert.

Hier zeigt Guttenberg auf, wie er sich im Untersuchungsausschuss von Januar an verteidigen will. Etwa so: Ja, auch im Isaf-Bericht stehen Informationen, die zeigen, wie maßlos das alles war. Aber ich war frisch im Amt und habe mich auf meine Experten verlassen - gemeint sein dürfte vor allem der inzwischen entlassene Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan. Als die ersten Anzeichen kamen, dass es alles weit komplexer ist, habe ich sofort gehandelt.

Gabriel will Guttenberg unter Eid aussagen lassen

So redet man Fehler weg. Das passt nicht so recht zur sauberen Weste eines Ministers, der Politik wahrhaftiger betreiben will als andere, aber es ist auch nicht so schlimm, dass man ihn deshalb aus dem Amt jagen müsste - so sieht es wohl die Mehrheit der Deutschen, und darauf baut Guttenberg.

In der SPD muss man das natürlich ganz anders sehen. SPD-Chef Sigmar Gabriel kündigte an, die SPD wolle Guttenberg und Schneiderhan im Untersuchungsausschuss unter Eid aussagen lassen. Guttenberg politisch zu erledigen - für die SPD wäre das ein großer Erfolg im Hinblick auf Bundestagswahlen 2017 oder 2021. Und kurzfristig lenkt es so schön ab von den eigentlich doch wichtigeren Fragen zu Afghanistan: Führt Deutschland am Hindukusch längst Krieg? Wenn ja, wollen wir das? Und: Was meint eigentlich die Kanzlerin zu der ganzen Angelegenheit?

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