Keine lange Grußformel, die Verbraucherministerin fasst sich energisch kurz. Nicht einmal zehn Minuten braucht sie, um den im Ernährungsministerium in Berlin versammelten Journalisten von den Kabinettsbeschlüssen für Dioxin-Kontrollen zu berichten. In einem atemberaubenden Tempo schneidet Ilse Aigner (CSU) die Punkte ihres Aktionsplanes an, die "die Lebensmittelkette sicherer machen" sollen. Zack-zack geht das. Dann noch kurz drei Minuten Fragen beantworten, ein knappes "Danke" zum Ende. Das war es. Schon huscht die Rastlose wieder um die Ecke.
Die Bundesverbraucherministerin hat aus Fehlern gelernt: Nicht Eigen-Publicity, sondern Ergebnisse erwartet der Bürger von ihr. Zeit spielt dabei eine entscheidende Rolle. Verbraucher, die Lebensmittelbranche, Politiker - sie alle warten ungeduldig, nachdem der Dioxin-Skandal am Anfang des Jahres das Vertrauen vieler Bürger wieder einmal nachhaltig erschüttert hat. Und die Ministerin mehr durch Parolen als Entschlusskraft auffiel.
Ilse Aigner weiß das. Sie betont, die Regelungen werde sie "mit Hochdruck" angehen, "schnell umsetzen" und "auch auf EU-Ebene vorantreiben". Gleich dem blitzhaften Presse-Auftritt soll ihr Aktionsplan zügig Realität werden. Doch dieses Unterfangen dürfte schwer werden - und länger dauern, als es Aigner lieb ist.
Aigners "Notreperatur"
Immerhin, der erste Schritt ist getan: Das Kabinett hat zwei Punkten des Dioxin-Aktionsplans zugestimmt. So soll es künftig eine gesetzliche Pflicht für private Labore geben, bedenkliche Dioxin-Messwerte in Futter- und Lebensmitteln zu melden. Bislang handelte es sich dabei nur um Eigenkontrollen der Industrie. So könnten die Überwachungsbehörden gezielt - und natürlich schnell - reagieren. Allerdings: Unklar bleibt, wann ein Wert als "bedenklich" einzustufen ist. Und weiterhin muss nicht jede Lieferung jeder Zutat auf Giftstoffe überprüft werden.
Das bemängelt auch der agrarpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm Priesmeier, gegenüber stern.de: "Die Vorgaben sind überhaupt nicht ausgegoren und die Meldepflichten beschränken sich ausschließlich auf Dioxin, obwohl es andere gefährliche Giftstoffe gibt, die ins Essen gelangen könnten." Die Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn schließt sich gegenüber der Nachrichtenagentur dpa der Kritik an der Meldepflicht an: "Das nützt den Verbrauchern nicht, denn die brauchen bundesweit einheitliche Kontrollen." Priesmeier erkennt in Aigners Vorgehen gar nur eine "Notreparatur".
Hohe Hürde Bundesrat
Noch besser als zügig auf Giftpanschereien zu reagieren, ist allerdings, sie im Voraus zu stoppen. Dafür soll nun ein Frühwarnsystem eingeführt werden: Alle Unternehmen müssen ihre Untersuchungsergebnisse den Behörden mitteilen. In einem zentralen Datenpool im Bundesamt für Verbraucherschutz werden die Erhebungen zu Dioxin und ähnlichen Giftstoffen dann ausgewertet. So könne bei Bedarf zügig eingegriffen werden.
Doch die Kabinettsbeschlüsse zum Frühwarnsystem und zur Meldepflicht bedeuten keine sofortige Sicherheit für den Verbraucher. Hohe Hürden stehen noch im Weg - und Aigners Schnell-Verfahren droht ein qualvoll langsames Ende: "Es liegt am Bundesrat, es liegt am Bundestag, jetzt diese Maßnahmen auch schnellstmöglich zu beschließen", erklärte die Bayerin. Agrarexperte Prismeier glaubt kaum, dass es im Bundesrat zügig zu Gesetzesänderungen, sondern eher zu zähen Länder-Streitereien kommen wird. Die aktuell anhaltende Hartz-4-Debatte dient als Beispiel. Mit der Opposition hätte Aigner noch überhaupt keinen Kontakt aufgenommen. Dabei müsse sie jetzt "die Länder in die Pflicht nehmen", so der Sozialdemokrat.
Geht Aigner die Puste aus?
Die Verbraucherministerin selbst bestätigt, dass der Kabinettsbeschluss "nur ein Schritt von vielen" sei. Schließlich stehen ja auch noch acht Punkte ihres Dioxin-Aktionsplans aus - auch ihre Umsetzung wird dauern. Auf EU-Ebene scheiterte Aigner bereits mit dem Vorschlag einer Positivliste für Futtermittel, die den ganzen Markt transparent und sicher machen soll. SPD-Mann Priesmeier fordert, in diesem wichtigen Punkt müsse die Bundesministerin sich gegen die Lobbyisten durchsetzen. Das, so sagt er, sei allerdings so, als schicke man "den Fuchs zum Kontrollieren in den Hühnerstall". Schließlich ernannte Aigner erst unlängst ihren neuen Parlamentarischen Staatssekretär - Peter Bleser, einen Aufsichtsratschef eines Futtermittelproduzenten.
Noch eine Aigner-Baustelle: Die Sanktionen bei Verstößen gegen das Lebensmittelgesetz soll noch in diesem Monat überprüft werden. Und wieder will Aigner hurtig Nägel mit Köpfen machen, denn: "Der Strafrahmen reicht nicht aus." Darin stimmen die Bundesministerin und SPD-Mann Priesmeier ausnahmsweise einmal überein. Der Sozialdemokrat sagt, "die Strafen müssen richtig wehtun". Doch an das von Aigner angekündigte Treffen mit Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat er keine großen Erwartungen: "Bei denen herrscht ja nicht mal in der eigenen Mannschaft Klarheit."
Die Bundesverbraucherministerin könnte also in vielen Punkten nur langsam voran kommen. Und läuft damit Gefahr, wieder in die Kritik zu kommen, wenn sie keine Ergebnisse präsentiert. Der Verbraucherministerin droht, bei der Marathon-Aufgabe Dioxin-Aktionsplan die Puste auszugehen.