Analyse Häuptling Hasenfuß meidet Berlin

  • von Hans Peter Schütz
SPD-Chef Kurt Beck hat nach Franz Münteferings Abgang schnell auf einen Kabinettsposten verzichtet. Zu schnell, finden auch Genossen. In der SPD gären Zweifel, ob Beck die richtige Strategie verfolgt. Offenbar fehlt ihm der nötige Biss.

Viele in der SPD schütteln den Kopf. Und der eine oder andere ist sogar zu einem eindeutigen Kommentar bereit: "Kurt Beck ist ein Feigling." Dass der SPD-Vorsitzende offenbar keine Sekunde ernsthaft in Erwägung gezogen hat, den gemütlichen Platz in Mainz zu verlassen und als Vizekanzler der Großen Koalition den Platz von Franz Müntefering einzunehmen, nehmen ihm diese Genossen übel.

Zeit genug, die neue Situation zu bedenken, hat Beck schließlich gehabt. Müntefering hatte ihn schließlich zeitig von seiner Entscheidung informiert. Doch stand für den Rheinland-Pfälzer von vornherein fest, "dass ich einen Fehler machen würde, wenn ich selber ins Kabinett eintreten würde." Mehr Spielraum habe er dadurch, sagt Beck. Andererseits ist es eine gefährliche Strategie, wenn er von außen als Chefkritiker der Koalition auftritt. Das richtet sich dann immer auch gegen die eigenen Minister.

Beck strebt nicht mit vollem Risiko ins Kanzleramt

Bisher galt unter Münteferings Regie der Grundsatz, dass nur gute Regierungsarbeit der SPD wieder eine Chance auf den Wahlsieg 2009 öffne. Vollends gefährlich wird es, wenn die Agenda-2010-Gegner jetzt die Chance sehen, Gerhard Schröders Reformen vollends zu kippen.

Einmal mehr zeigt sich an dieser Entscheidung, dass Beck nicht mit vollem Risiko nach dem Kanzlerjob strebt. Er müsste doch inzwischen gemerkt haben, so seine SPD-internen Kritiker, dass vom vertrauten Mainz aus die Macht nicht zu erobern sei. Wer so reagiere wie Beck, der sei doch wohl kaum davon überzeugt, 2009 tatsächlich gewinnen zu können. Jetzt hätte er es packen müssen und klar machen: Ja, ich traue mir es zu, der Kanzlerin bundespolitische Paroli zu bieten. Aber nein, Beck hat sein Mainz vorgezogen, wo man singt, wo man lacht, auch beim politischen Geschäft. Berliner Bundesliga? Auge in Auge mit der Kanzlerin? Nein, danke. Intern warf die SPD in der Nacht von Montag auf Dienstag "Wortbruch" beim Thema Mindestlohn vor. Öffentlich zum Thema gemacht hat Beck es nicht.

Steinmeier fremdelt in der eigenen Partei

Merkel können die Entscheidungen der SPD nur gefallen. Olaf Scholz wird am Kabinettstisch ordentliche Arbeit abliefern, zu medienwirksamen Auftritten fehlt ihm jedes Talent. Die zentrale Koordinierungsfunktion der gesamten SPD-Kabinettspolitik, die Münteferings Ministerium an der kurzen Leine seines Vertrauten Kajo Wasserhövel (zum Ärger der SPD-Zentrale) gehabt hat, wird der neue Arbeitsminister nicht leisten können. Frank-Walter Steinmeier als Vizekanzler bringt bei weitem nicht das politische Gewicht eines Münteferings in das vor Kabinettsitzungen übliche Vier-Augen-Gespräch mit der Regierungschefin ein. Noch immer fremdelt er in der SPD. Seinem Diplomaten-Sprech fehlt jedwede klare politische Kontur. Fast schon als eine Art Rebellion gegen die auf außenpolitischem Terrain allgegenwärtige Kanzlerin wirkte, dass er sich gelinde Kritik am Empfang des Dalai Lama im Kanzleramt erlaubte. Auch künftig muss er viel auf Reisen sein, was natürlich seine innenpolitische Rolle als Vizekanzler erschwert. Doch die Bundestagswahl 2009 wird in der Innenpolitik entschieden. Die Autorität eines Münteferings, einem Schwergewicht in der SPD, fehlt ihm sowieso.

Auch für 2013 fehlen der SPD die Köpfe

Mehr Tristesse als Glanz verbreitet der Rest der SPD-Mannschaft im Kabinett. Wolfgang Tiefensee gilt auch in der SPD inzwischen als Totalausfall. Heidemarie Wieczoreck-Zeul besitzt als Entwicklungshilfeministerin keine innenpolitische Profilierungschance. Justizministerin Brigitte Zypries? Wolfgang Schäuble bei weitem nicht gewachsen. Peer Steinbrück wird in der Regierungsmannschaft zwar ernst genommen, aber Merkel weiß, dass der Finanzminister in der eigenen Partei geringen Rückhalt besitzt. Ulla Schmidt? Von der verkorksten Gesundheitsreform hat sie sich politisch bis heute nicht erholt. Umweltminister Sigmar Gabriel hat in seinem Bereich zwar gepunktet, aber ist soeben bei der Kandidatur zum SPD-Vorstand blamabel von der Parteilinken vorgeführt worden. Ein Winner-Team sieht anders aus.

Beim Blick über den Wahltag 2009 hinaus, sieht es in der SPD-Spitze noch bescheidener aus. Die allgemein erwartete Niederlage Becks gegen Merkel vorausgesetzt, bleibt der SPD nur noch das Trio Steinmeier, Steinbrück, Gabriel. Einer der nicht reden kann, einer der zu frech redet und einer, den die Genossen nicht reden lassen wollen. Andere potentielle Kanzlerkandidaten für die Wahl im Jahr 2013 sind heute nicht zu erkennen. In den Ländern sind keine Hoffnungsträger der mittleren Generation in Sicht. Kein Wunder, dass sich viele in der SPD an den Satz Münteferings klammern, 2008 könne für ihn vielleicht wieder etwas mehr Politik möglich sein. Sein Bundestagsmandat behält er immerhin. Brauchen könnte die SPD ihren "Münte" dann immer noch. Sehr gut sogar.